BAUPROJEKTE Anwender- und Technologiezentrum als Zukunftsvision von THM und Stadt Friedberg / Vorlesungen und Seminare in Kantinengebäude
FRIEDBERG - (kni). Nach elf Jahren Dornröschenschlaf soll ein kleiner Teil der früheren US-Kaserne bald wieder lebendig werden. Am Südrand der Kreisstadt sollen Wissenschaftler forschen, Firmen neue Geschäftsmodelle erproben und Startup-Jungunternehmer wohnen und arbeiten.
Derzeit wuchert noch Gras zwischen den alten Beton-Bodenplatten der Ray-Kaserne. Die Mannschaftsunterkünfte auf dem 70 Hektar großen Gelände stehen seit 2007 leer. Birken wachsen an den Mauern. Eine große Halle scheint einsturzgefährdet zu sein - das mit Teerpappe beklebte Dach hängt stellenweise stark durch. Ödnis und Verfall spürt man dort, wo südlich der Philipp-Reis-Schule die frühere Ray-Kaserne in der Verlängerung der Friedensstraße die Jahre verdämmert.
- HINTERGRUND
Das 1901 gegründete Friedberger Polytechnikum ist inzwischen die viertgrößte Hochschule für Angewandte Wissenschaften Deutschlands. Sie hat an drei hessischen Standorten rund 18 000 Studierende, knapp 6000 davon studieren in Friedberg. 2009 bekam die Technische Hochschule Mittelhessen ein neues Hörsaalgebäude in Bahnhofsnähe. Studenten-Unterkünfte wurden in der früheren Housing-Area der US-Kaserne gebaut. Für digitale und technische Projekte will die Hochschule nun auch Teile der früheren US-Kaserne nutzen. (kni)
Doch das soll ab 2018 vorbei sein. Mindestens zwei der insgesamt mehr als 70 Hektar will die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) zu einer Art Zukunftswerkstatt machen. Am Geld soll es nicht scheitern, sagte THM-Vizepräsident Olaf Berger bei einer Besichtigung mit Vertretern des Friedberger Ausschusses für Stadtentwicklung. Es geht zunächst um drei Kasernengebäude aus dem Jahre 1935. Sie begrenzen eine Freifläche, die sich nach Süden zum ehemaligen Motorpool der Kaserne öffnet. Diese Gebäude hat die Stadt Friedberg Ende 2015 vorsorglich zur Unterbringung von Flüchtlingen von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) gemietet, der das ganze Kasernenareal gehört.
"Erstzugriff"
Die Flüchtlinge blieben aus. Aber die Stadt hat eine moderne Gasheizung installiert, Sanitärräume erneuert, Wasser- und Stromleitungen gelegt. Das kostet momentan 8000 Euro im Monat. Zusammen investierte man bisher 1,6 Millionen, verriet Bürgermeister Michael Keller beim Rundgang. Jetzt ist eine neue Bestimmung für diesen Teil der Kaserne in Sicht. Die Zukunftsvision heißt "Frantz": Friedberger Anwender- und Technologiezentrum.
Und das geht so: Die Stadt kann und soll das zwei Hektar große Gelände möglichst bald per "vorgezogenem Erstzugriff" von der in Koblenz sitzenden Bundesbehörde kaufen. Die bisherigen Investitionen würden dabei verrechnet. Die Bima sei grundsätzlich dazu bereit, so Michael Keller. Wenn die Stadtverordneten zustimmen und man sich einigt, dann könnte Kellers Nachfolger Dirk Antkowiak den Kaufvertrag vielleicht schon 2018 abschließen. Für den viel größeren Rest des Kasernengeländes gibt es zwar schon ein Konzept zur Bebauung mit Wohnhäusern und Firmensitzen - doch die Umsetzung wird wohl noch länger dauern.
Das "Frantz"-Gelände will die Technische Hochschule viel schneller entwickeln. Das frühere Kantinengebäude soll für Vorlesungen und Seminare genutzt werden. Aktuell brauche die THM etwa 6000 Quadratmeter Nutzfläche, so Vizepräsident Berger. Für den Umbau des Kantinengebäudes kalkuliert Berger eine Investition von etwa zwölf Millionen Euro. Staatliche Stellen und der europäische Regionalentwicklungsfonds "Efre" würden das Geld bereitstellen. Die beiden ehemaligen Mannschaftsquartiere nebenan können zu "Mikroapartments" für Studenten umgebaut werden. Als Investoren kämen die Friedberger Wohnungsbaugesellschaft oder das Studentenwerk der Technischen Hochschule infrage.
Besonders wichtig ist den Professoren der THM und dem Bürgermeister das geplante "Anwenderzentrum" auf dem Gelände. Das sollen Räume sein, in denen Firmen neue technische Lösungen für ihre Produkte und Dienstleistungen ausprobieren können. Helfen würden ihnen dabei die Absolventen der Hochschule. Sie könnten so ihr Fachwissen anwenden und als Existenzgründer in der Ex-Kaserne ihr Geld verdienen. "Dann wandern sie nicht ab", sagte Olaf Berger. Jetzt öffne sich für Friedberg ein historisches Zeitfenster, um Arbeitsplätze der Zukunft zu schaffen.
Digitalisierung
Nicht nur im Auto-Sektor - fast in allen Branchen würden sich bald mit der Digitalisierung alle Geschäftsmodelle radikal verändern. Und Friedberg habe die Chance, ganz vorne mitzuspielen. Wenn das Anwenderzentrum Wirklichkeit werde, dann wolle die Hochschule ab dem Jahr 2020 noch weitere Flächen südlich davon kaufen, um Labore zu bauen. Die Stadtverordneten hörten interessiert zu. In Kürze müssen sie entscheiden, ob sie diese Vision Wirklichkeit werden lassen wollen.
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