Das musikalisch-literarische Stück "Gundermann" von Theatermacher Christian Lugerth feiert am Donnerstag seine Uraufführung auf der taT-Studiobühne.
Von Björn Gauges
Eine ostdeutsche Kultfigur: der Liedermacher Gerhard Gundermann. Foto: dpa
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GIESSEN - Ein Phänomen des bis heute mental geteilten Deutschlands: Im Osten ist der Liedermacher Gerhard Gundermann auch 21 Jahre nach seinem viel zu frühen Tod bekannt wie ein bunter Hund. Im Westen kennt ihn dagegen fast kein Mensch. Das zu ändern gelang erst Filmemacher Andreas Dresen, der die ambivalente Persönlichkeit des "singenden Baggerfahrers" im vergangenen Jahr in seinem grandiosen und bundesweit erfolgreichen Spielfilm "Gundermann" zum Thema machte. Nun lässt sich diesem Mann auch im Theater nachspüren. Der Gießener Regisseur Christian Lugerth bringt sein Stück "Gundermann - Tankstelle für Verlierer" auf die taT-Studiobühne. Am morgigen Donnerstag (20 Uhr) feiert die literarisch-musikalische Annäherung an den eigenwilligen Liedermacher aus der Lausitz ihre Uraufführung.
Lugerth, in Konstanz geboren und seit vielen Jahren in Gießen zuhause, ist eng mit Ostdeutschland verbunden. Große Teile seiner Familie lebten und leben in Thüringen, und so "war ich schon als Kind immer wieder bei der Verwandtschaft in der DDR zu Besuch", erzählt der Theatermacher im Pressegespräch am heimischen Küchentisch. Zudem hat Lugerth zahlreiche Stücke, vor allem in den 90er Jahren, in ostdeutschen Städten inszeniert, ist mit der Mentalität der Menschen also vertraut. Dennoch wollte er es für sein neues Projekt ganz genau wissen und quartierte sich zum Schreiben in Hoyerswerda an der sächsisch-brandenburgischen Landesgrenze ein. Dort lebte der 1955 geborene Gundermann, der trotz seiner musikalischen Erfolge nie die ländliche Heimat Lausitz verlassen hat - und gerade deshalb zum Sprachrohr der einfachen Menschen im Braunkohlerevier geworden ist.
"Ich möchte gern so etwas sein wie eine Tankstelle für die Verlierer. Glücklich wäre ich, wenn Leute sagen würden, sie brauchen zum Leben Brot, Wasser und Lieder von Gundermann." So wird der Liedermacher für das Stück zitiert. Und so wurde er von seinem Publikum gefeiert. Doch als plakative Heldensaga eines durch und durch aufrechten Rebellen ist seine Geschichte dennoch nicht geeignet. Denn einige Jahre nach dem Mauerfall wurde bekannt, dass Gundermann, dieser renitente Querkopf, für die Stasi gespitzelt hat (und gleichzeitig selbst bespitzelt wurde). Doch gerade diese Widersprüchlichkeit seines Charakters ist es, die die Faszination seiner Person ausmachen.
Sie äußert sich auch auf einem ganz anderen Feld. Er hat sich als Baggerfahrer immer für die Arbeiter im Braunkohlerevier eingesetzt, erzählt Christian Lugerth - und gleichzeitig um den Raubbau gewusst, der damit der Natur angetan wurde und bis heute angetan wird. Spannend wäre es also auch zu spekulieren, wo sich "Gundi" Gundermann heute verorten würde. Um ihm nahezukommen, hat sich der Gießener Theatermacher den Tagebau vor Ort ebenso angesehen wie die Wohnstätten Gundermanns, und er war am Grab des 1998 an einem Schlaganfall gestorbenen Künstlers.
Lugerths persönliche Annäherung wird so zu einem Versuch, "den Westen an den Osten zu erinnern", wie es im Untertitel des Stückes heißt. Dazu hat er zahlreiche Titel ausgewählt, die Gundermanns Biografie nachzeichnen und gleichzeitig vom Leben in der DDR und der Nachwendezeit erzählen. Hinzu kommen passende Texte von großen DDR-Autoren: Heiner Müller, Franz Fühmann, Volker Braun. Regisseur Lugerth wird selbst als Musiker und Schauspieler auf der Bühne stehen. Ihm zur Seite stehen die Schauspiel-Ensemblemitglieder David Moorbach, Esra Schreier und Sascha Bendiks.