"Alles gut?" Der Sprach-Optimist über Auffälligkeiten der deutschen Sprache
Murtaza Akbar ist Trainer, Coach und Redner zum Thema Sprache und Kommunikation: Heute beschäftigt er sich mit der Phrase "Alles gut", die ihm öfter begegnet, als ihm lieb ist.
Murtaza Akbar kennt sich als Dozent und Geschäftsführer der Agentur Wortwahl mit den Spitzfindigkeiten der deutschen Sprache aus.
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Jetzt mal Hand aufs Herz: Alles gut?! Bei Ihnen meine ich. Alles gut bei Ihnen? Irgendwann war es sogar mir zu viel, mir, der die positive Sprache so schätzt. Deshalb habe ich es vergangene Woche gezählt. Sogar Strichliste geführt. Okay, nicht ganz, ich habe das Handy dafür genutzt oder besser gesagt, das Smartphone, oder heißt es korrekterweise Mobiltelefon? Jedenfalls habe ich "Alles gut" gezählt, in jeder Form. Und die Anzahl der Alles-gut-Verkünder, die es zu mir oder meinen Mitmenschen gesagt haben. Das Ergebnis verrate ich Ihnen später. Ein bisschen Spannung muss sein. Und die Frage: Wie oft sagen Sie's: "Alles gut"? Denn kaum zu glauben, selbst hartgesottenste Rocker lassen Empathie walten und fragen: "Alles gut!?".
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Ja, aber wo kommt es her, dieses inflationäre Fragen oder feststellen: Alles gut?! Mir fällt da vor allem die Nina ein. Erinnern Sie sich noch an Nina Ruge? Die blonde, polarisierende ZDF-Moderatorin, erst bei "heute Nacht" seriös unterwegs und dann als Klatschtante bei "Leute heute". Zumindest "heute" war immer dabei, was macht Frau Ruge heute eigentlich? Ich schweife ab. Jedenfalls hat Nina Ruge jede ihrer werktäglichen "Leute heute"-Klatsch- und Tratsch-Sendungen mit "Alles wird gut!" beendet. Da war wenigstens noch das Verb dabei, dennoch ein Affront für viele Zuschauer. Ja, nun wirklich. Wie kann sie das nur sagen? Menschen, die ein schweres Schicksal erlitten haben, für die wird nicht so schnell alles gut. Nein. Denken Sie nur an, wie heißt er nochmal, ah ja, Martin Schulz. Doch Frau Ruge blieb standhaft und zog es damals trotz Zuschauerproteste konsequent durch. Irgendwann hatten sich alle daran gewöhnt und dann war es halt so. Ist ja auch ein schöner Wunsch, kann ich als Sprachoptimist nur gut heißen. Wobei, sie hatte ja vor allem die Zukunft im Auge: Es wird alles gut.
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Mich beschäftigt dagegen die Gegenwarts-Aussage, Präsens praktisch. Wer sagt denn noch "Alles bestens!?", "Alles klar!" oder "Wie geht's?" oder besser "Geht's gut?", da durfte man ja schon gar nicht negativ antworten, sonst war das Gespräch vorbei, bevor es überhaupt angefangen hatte. Der Einfachheit halber ersetzen alle all diese Varianten mit, na ja, Sie wissen schon. Aber kann wirklich alles gut sein? Wirklich alles? Ich liebe echte, wahre Worte. Oder authentisch, wie es heute heißt. Hier wird doch maßlos übertrieben. Zum Positiven. Das gefällt mir. Aber diese Pauschalisierung macht mir auch zu schaffen. Und irgendwie denke ich manchmal an "Alles Müller, oder was?". Und dann weniger an Milchprodukte, sondern an Thomas Müller, diesen unkonventionellen bayerischen Superfußballer. Dem gefällt der Spruch, sonst würde er es doch nicht sagen, denke ich naiv, das bringt ihm sicher viel ein. Es sei ihm gegönnt. Erst recht, wenn er den Titel wieder nach Deutschland mitbringt. Dann ist sicher "Alles gut", zumindest direkt nach dem Finalsieg.
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Ich schulde Ihnen natürlich noch das Ergebnis meiner "Alles gut"-Strichliste: In einer Woche ist es 77 Mal gefallen, das "Alles gut", und zwar von 18 Frauen und 13 Männern, wobei zwei Rekordhalter darunter sind: Nadine allein mit 16 Mal "Alles gut" an zwei Tagen und Melanie mit 5 Mal in einer einzigen Stunde! Wenn diese beiden Damen länger in meiner Nähe gewesen wären, ja dann. Und wer ist bei Ihnen der Rekordhalter? Ich drücke Ihnen die Daumen für alles, was Sie vorhaben. Gehen Sie optimistisch an die Sache - und lassen Sie Nina Ruges Wunsch wahr werden.
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Murtaza Akbar ist Trainer, Coach und Redner zum Thema Sprache und Kommunikation. Der gebürtige Frankfurter mit pakistanischen Wurzeln ist zudem Geschäftsführer der Agentur Wortwahl und Dozent an der Hochschule Darmstadt im Studiengang Onlinekommunikation. An dieser Stelle wird sich der Sprach-Optimist künftig regelmäßig Gedanken über Entwicklungen, Auffälligkeiten, Charme und Anmut des Phänomens Deutsch machen.