Von Brehme bis Hummels: Kommunikationsexperte Murtaza Akbar widmet sich in seiner neuen Kolumne den Fußballern und ihrer Sprache
Unser Kolumnist Murtaza Akbar widmet sich in seiner neuen Sprachglosse den Fußballern und ihrem Vokabular - einst und heute.
Von Murtaza Akbar
Sprach-Optimist und Konterstürmer: Murtaza Akbar.
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
Haben Joachim Löw und Andreas Brehme eigentlich zur gleichen Zeit gespielt? Kennen Sie noch Andi Brehme in Aktion? Ich meine jetzt nicht seinen legendären Elfer zum 1:0 im Weltmeisterschaftsfinale gegen Argentinien. Nein, lassen Sie uns nicht von der WM sprechen. Ich meine seine legendären Interviews. "Ich sach mal: Das war ein geiles Spiel von uns." Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass er der Ich-sach-mal-Erfinder ist. Zumindest in der Fußballwelt. Und alle haben es übernommen. Da muss es einen geheimen Zirkel geben. Geht gar nicht anders. Da sprechen sich dann alle ab. Heute geht es in dem Zirkel wohl eher um andere Dinge wie Tattoos, Frisuren, obwohl nee, die wirkten schon damals gruppenkonform. Wenn ich an Rudi Völler, Pierre Littbarski oder Thomas Häßler denke. Ich muss mich korrigieren, es ist heute kein Zirkel mehr, sondern eine riesige WhatsApp-Gruppe mit allen Profifußballern. Ja, so wird es sein, ganz sicher.
*
Und in dieser WhatsApp-Gruppe stellen alle ihre Selfies und Videos rein. Die Profikicker stimmen sich hier ab. Über alles. Früher geschah das im geheimen Zirkel. Denn nachdem wir uns an das Ich-sach-mal gewöhnt hatten, wechselten die Spieler auf einmal zum "Ja gut, das war ein geiles Spiel von uns." Ich kann Ihnen sagen, manche Kicker von damals kriegen das Ja-gut-Syndrom gar nicht mehr raus. Niko Kovac zum Beispiel. Der in einer Über-Nacht-Aktion einfach so zum Bayern-München-Trainer wurde, sagt das heute noch zu Beginn jedes zweiten Interviews. Das kann nur daran liegen, dass Trainer keinen Zugang zu der aktuellen Fußballer-WhatsApp-Gruppe haben. Ich bin ja auch nicht in den Gruppen meiner Söhne drin. Die würden mir was erzählen.
*
Heute sind die Profikicker schlauer. Die haben sich nämlich auf was ganz Einfaches geeinigt. André Schürrle ist der Meister darin, quasi Weltmeister. Spielt der eigentlich noch? Jedes fünfte Wort in seinen Antworten ist "Ja". Echt. Einfach nur "Ja". Manchmal auch "Und ja." Damit wird jede Pause, jeder Atemzug überbrückt. Und praktischerweise auch jede vorherige Aussage direkt selbst bestätigt. Achten Sie mal darauf. Kein Fußballerinterview ohne mindestens fünfmal Ja. Pro Antwort wohlgemerkt. Nur Mats Hummels müssen Sie da rausnehmen. Der scheint nicht in der WhatsApp-Gruppe zu sein. Sowohl sprachlich als auch frisurenmäßig spielt der in einer anderen Liga. Hat er eigentlich Tattoos?
*
Nur, dass ich das an dieser Stelle erwähne. Ich schätze die fußballerischen Qualitäten dieser Herren sehr. Ich bin ja selbst ein leidenschaftlicher Kicker, ein echter Konterstürmer, praktisch der Schrecken der gegnerischen Abwehr. Interviews will nach den Spielen dennoch keiner von mir. Aber das verkrafte ich, bin ja Sprach-Optimist. Wahrscheinlich ganz gut so, wir Medienmenschen haben es ja nicht so mit dem Kritisiertwerden. Und am Ende werden noch "Dinge von den Medien hochsterilisiert". Da hat der gute Bruno Labbadia schon recht. Das musste einfach sein. Sie wissen ja, mit Fußballersprüchen und ihren Eigenheiten lassen sich ganze Zeitungen füllen.
*
In der Fußballwelt, das sollte nicht unerwähnt bleiben, gibt es auch richtige Sprach-Meister. Nehmen Sie Jürgen Klopp. Der eingeplackte Mainzer. Der ist wirklich immer so eloquent. Ob er vor Hunderten spricht oder im Zwiegespräch. Ich will dennoch ehrlich zu Ihnen sein. Noch lieber als ein Gespräch mit Jürgen Klopp ist mir ein wahrhaftiger Stadionbesuch. Neben dem Spiel der hochveranlagten Profikicker mag ich vor allem die polarisierenden Aussagen der Fans. Gute Kommunikation ist halt immer klar und konkret. Als Sprach-Optimist könnte ich bemängeln, dass die Wortwahl in Stadien oftmals, ja gut, ich sach mal, verbal schon mal unter die Gürtellinie geht. Und ja, ich gebe Ihnen deshalb die Empfehlung, Gesagtes in einem anderen Zusammenhang zu sehen. Dann kann's sogar richtig poetisch werden. Bestes Beispiel der Fan im Stadion zwei Reihen vor mir. "Mann, der kann's einfach nicht. Der soll lieber Blumen pflücken gehen, am besten Gänseblümchen."
Murtaza Akbar ist Trainer, Coach und Redner zum Thema Sprache und Kommunikation. Der gebürtige Frankfurter mit pakistanischen Wurzeln ist zudem Geschäftsführer der Agentur Wortwahl und Dozent an der Hochschule Darmstadt im Studiengang Onlinekommunikation.