Adela Bravo Sauras in ihrer Inszenierung. Foto: Leitner
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GIESSEN - Die Tür geht auf und eine junge Frau, ganz in schwarz gekleidet, bietet eine kleine Tasse mit einer dunkelroten Flüssigkeit an. "Du wirst an jeder Schwelle abgeholt", spricht sie mit fester Stimme. Sie reicht den Anwesenden einzeln die Hand und führt sie in einen dunklen Raum. In der Mitte ist eine kleine Kammer aufgebaut, mit Türen an beiden Seiten, die mit Vorhängen verhängt sind. Eine Hand kommt zwischen den Vorhängen hervor und zieht die Besucher separat in die kleine Kammer hinein.
So beginnt die Inszenierung "My Hands. My mothers / Meine Hände. Die meiner Mutter" von Adela Bravo Sauras am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft.
Die spanische Künstlerin, Architektin und Regisseurin Adela Bravo Sauras setzt sich hierbei mit dem Tod ihrer Mutter auseinander, wobei die zentrale Frage lautet: Was bleibt von jemandem übrig? Das Stück arbeitet mit persönlichen Gegenständen, die in 23 Kisten von Madrid nach Deutschland gekommen sind und die Frage aufwerfen, inwiefern es möglich ist, Erinnerungen zu transportieren.
Und genau diese Gegenstände befinden sich auch in dem kleinen Raum: Schuhe, Schmuck, Briefe, Vasen, Tücher, Kleidung und verschiedene Papiere, darunter auch der Personalausweis und die Sterbeurkunde von Bravo Sauras Mutter. Anschließend werden die Besucher wieder aus der kleinen Kammer hinaus und an verschiedene Tische im Raum geführt.
Dort werden Vasen aus Ton und Steinskulpturen aufgebaut, darunter auch ein Totenschädel mit einem Nadelkissen obenauf und einer Sonnenbrille auf der Nase. Wohl genau so, wie es bei Adela Bravo Sauras Mutter zuhause aufgestellt war. Aber auch Gerüche und Geschmack spielen bei der Inszenierung eine große Rolle. So wird neben Baguette mit einem herb-scharfen Aufstrich auch eine spanische Bohnensuppe serviert, ganz nach Mutters Rezept. Besonders der Geschmack von hausgemachten Speisen bringt die Erinnerungen an die Kindheit zurück.
Während die Regisseurin weitere Gegenstände holt, um diese um die Anwesenden zu drapieren, erklärt eine weitere Darstellerin einige Details aus dem Leben der Mutter: "Weißt du noch, wie dir bei der Chemotherapie alle Haare ausgefallen sind? Ich habe dir zwei Echthaarperücken aus Thailand besorgt und zum Spaß haben wir sie beide aufgesetzt und sind damit in ein Restaurant gegangen!" Die Zuschauer sehen bei den vielen Tüchern und Schals die verschiedenen Formen und Farben, für die Darstellerin bedeuten sie Erinnerungen an ihre strickende Mutter und ihre eigene Kindheit. So gelingt es Adela Bravo Sauras spielend, eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu schlagen und hierbei von liebenswerten Eigenschaften, aber auch schlechten Angewohnheiten ihrer Mutter zu erzählen. Für das Publikum ist es besonders interessant zu sehen, was nach dem Tod vom Leben übrig bleibt: In diesem Fall sind es die nach Deutschland verschifften Kisten, die Bravo Sauras für alle Anwesenden geöffnet hat, um daraus eine eindringliche Inszenierung rund um das Thema Leben und Tod zu kreieren.