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Selbst gemacht schmeckt am besten

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Ein richtiges Schmuckstück ist das komplett sanierte Climbacher Backhaus in der Hauptstraße. Karin und Herbert Hartmann sind die einzigen, die hier noch Brot backen. Foto: Heller © Heller

100 Jahre Backhaus in Climbach werden am Wochenende mit einem großes Fest gefeiert.

Allendorf . Genauere Unterlagen zum Bau des Climbacher Backhauses in der Hauptstraße 9 gibt es wohl keine mehr. Es wurde 1922 jedenfalls eingeweiht. Soviel ist gewiss und daher fällt das diesjährige Backhausfest zum 100-jährigen Bestehen etwas üppiger aus.

Am Samstag, 10. September, und Sonntag, 11. September, steht das Fachwerkhäuschen im Mittelpunkt. Sogar Landrätin Anita Schneider wird diesen Anlass mit einem Grußwort würdigen. Ein Festzelt, aufzustellen in der sodann abgesperrten Hauptstraße, ist schon bestellt. Es laden ein der Ortsbeirat Climbach, die Climbacher Wald Fußballer und die Sportgemeinschaft Climbach.

Der Mann, der über die Geschichte des Backhauses noch am ehesten etwas weiß, Herbert Hartmann, wohnt in der nahen Forststraße, ist ein geborener Climbacher. Seine Ehefrau Karin stammt aus Gießen. Zusammen mit Sohn Roland sind sie die einzige Familie im Dorf, die noch selber Brot bäckt.

350 Grad

Schaut man sich den Brennraum an, scheint es nicht auf den ersten Blick schlüssig, dass hier 40 bis 45 Drei-Pfund-Laibe hinein passen. Bei 350 Grad benötigt der Teig eine Stunde bis 75 Minuten. Wem das zu vage ist, der beherzigt den Tipp des Fachmanns. Hartmann: »Führt man eine Rog-genähre dreimal sanft über den Boden und diese verfärbt sich nur goldbraun, ist die Temperatur ideal und der Teig kann eingeschoben werden«.

Hartmanns haben extra eine Gefriertruhe nur für das Brot angeschafft und auch eine Teigknetmaschine. Bei 40 Laiben hört nämlich der Spaß auf. Selbst gebackenes Brot wolle jeder essen, aber niemand die Arbeit dahinter auf sich nehmen, bedauern sie. Vom Anrichten des Sauerteigs bis zum fertigen Brot vergingen zwei Tage mit Arbeit. Alleine das Buchenreisig für die Glut müsse zwei Jahre lang trocken lagern. Dafür sollte man zuhause einen Raum haben. Die Sache sei zudem staubig (Mehl). Gerade bei den Häuslebauern fehle freilich der geeignete Raum. Gleichwohl sind es ja ausgesprochen die jungen Leute, die wieder zurück zur Natur wollen.

In den 1950er und 1960er Jahren habe der Schornstein fast ständig gequalmt, so Hartmann. Der Andrang sei groß gewesen. Die Leute hätten die Vergabe der Backzeiten unter sich ausmachen müssen. Zuständig dafür sei die Kirchendienerin gewesen. Sie habe die Schlüsselgewalt gehabt. Nach dem 12-Uhr-Mittagsläuten der Kirchenglocke sei die Reihenfolge ausgelost worden. »In Climbach sagten wir dazu ›ausgespielt‹«, verrät Hartmann. In ihrer Schürze hatte die Kirchendienerin Lose mit Ziffern. Die Interessenten griffen zu und die Reihenfolge war geklärt.

Wer zuerst backen dufte, musste auch das meiste Holz organisieren und damit den Ofen anheizen. Die leicht gewölbte Brennkammer ist derart niedrig, dass der Laie unwillkürlich denkt, nach der gut einen Stunde Garzeit sei alles schwarz verbrannt.

Bis Anfang der 1970er Jahre sei vorzugsweise im Herbst Kuchen gebacken worden: Zwetschenkuchen, Apfelkuchen und Riwwelkuchen, Schmierschelkuchen sowieso und zum Heiraten der Hochzeitskuchen.

Ofentechnik

In den 1990er Jahren sei die Ofentechnik ausgetauscht und das Dach neu gedeckt worden, weiß der Fachmann. Die Firma Carlé habe damals Ausstellungsziegel gestiftet. Ebenfalls in den 1990ern habe man das mit dem Backhaus zusammen- hängende Wiegehäuschen abgerissen und an seiner Stelle eine Toilettenanlage für beide Geschlechter errichtet. Im August 2021 habe Sohn Roland zwei Wochen Urlaub genommen und zusammen mit Leon Wissner und ihm das Backhaus renoviert, so Hartmann. Roland Hartmann ist gelernter Zimmermann und handwerklich universal begabt. Schadhafte Balken wurden ersetzt, die Balken stiftete Firma Bingel aus der Kernstadt, und die Gefache ausgebessert. Überall wurden die Originalfarben und Zierstriche aufgetragen. Reparaturen würden allesamt immer in Eigenregie ausgeführt. Das Backhaus ist voll funktionstüchtig, Starkstromanschluss und ein Waschbecken vorhanden.. Was noch fehlt, sind Backwillige, die die viele Arbeit nicht scheuen.

Das Festprogramm

Samstag, 10. September: Ab 11 Uhr, selbst gemachter Schmierschelkuchen und Gegrilltes. Nachmittags großes Kuchenbuffet. Kinderprogramm mit Hüpfburg und Kinderschminken. Sonntag, 11. September: Ab 9.30 Uhr Festgottesdienst in der Kirche nebenan. Ab 11 Uhr Frühschoppen mit der Zwei-Mann-Kapelle »Gaudi-Power« im Zelt. Dazu gibt es Haxen aus dem Backhaus und Wildbratwurst. Da nur 100 Haxen verkauft werden, bitte vorbestellen unter 0176-48006536 (WhatsApp oder SMS). Nachmittags sind selbst gemachte Waffeln im Angebot. Für Grußworte hat Ortsvorsteher Gernot Schäfer Bürgermeister Thomas Benz und die Landrätin Anita Schneider bestellt. An beiden Tagen läuft, je nach Wetter im Freien oder in der Kirche, auf einer Leinwand ein Dauervideo. Hartmut Winkler, Abteilungsleiter der Fotogruppe im Kulturring Allendorf/Lumda, zeigt Bilder der 750-Jahr-Feier von 1987, das historische Backhaus inbegriffen.

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