Die Recycling-Krippe aus Mali in Afrika wurde von jungen Metallbau-Lehrlingen aus Insektiziddosen gelötet. Deshalb die Fliegen- und Schabenmotive auf den Gewändern der Figuren. Christus als Lehrender in der Ganzjahreskrippe vor handgefertigten Kulissen aus dem 17. Jahrhundert (links oben). Die Krippe aus Tansania ist kreisförmig angelegt, die Figuren sind als sogenannte Makonde-Schnitzereien aus Jacarondaholz und Ebenholz gefertigt (links unten).
(Fotos: Schneider)
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WETTERAUKREIS - Ob im Kirschkern oder als wandfüllende spanische Landschaft mit Palastruine, ob modern oder um 1880 entstanden, ob aus recycelten Insektiziddosen, Zündkerzen, Ebenholz, Zelluloid oder Papier, ob von Handwerkern geschnitzt, gelasert und bemalt oder von Top-Designern entworfen – eines ist allen rund 250 Krippenszenen aus aller Welt gemeinsam, die Erica Kernstock seit den 80er-Jahren gesammelt hat: Sie verkünden die Weihnachtsbotschaft von der Menschwerdung Gottes. Eine Botschaft, die der gebürtigen Ulfaerin so wichtig ist, dass sie ihr inzwischen fast 40 Jahre ihres Lebens gewidmet hat. Dies verstärkt, seit ihr Mann und sie in Rente gegangen und aus Stuttgart zurück ins Familienanwesen nach Ulfa gezogen sind.
2004 eröffnete Kernstock ihr Oberhessisches Weihnachtskrippenmuseum, das seither Einzelpersonen und Gruppen, Vereine und Firmen, Politiker bis zur Kreisebene und natürlich die Medien anzieht. Am Freitag, 7. Dezember, wird die Sammlerin gegen 16 Uhr live in der Sendung „Hallo Hessen“ zu sehen sein.
„Ich bereue keinen einzigen Tag dieser Tätigkeit“, sagt Erica Kernstock strahlend, für die ihre selbst gewählte Aufgabe auch Berufung ist. „Sie hat mich mit Menschen in aller Welt in Kontakt gebracht, meine gesamte erweiterte Familie ist inzwischen mit dem ‚Krippenvirus‘ infiziert. Und ich schätze das Gespräch mit meinen vielen großen und kleinen Besuchern.“ Rund 700 sind es Jahr für Jahr, die die knapp 70-jährige insgesamt etwa acht Stunden pro Öffnungstag auf den Beinen halten.
Die Recycling-Krippe aus Mali in Afrika wurde von jungen Metallbau-Lehrlingen aus Insektiziddosen gelötet. Deshalb die Fliegen- und Schabenmotive auf den Gewändern der Figuren. Christus als Lehrender in der Ganzjahreskrippe vor handgefertigten Kulissen aus dem 17. Jahrhundert (links oben). Die Krippe aus Tansania ist kreisförmig angelegt, die Figuren sind als sogenannte Makonde-Schnitzereien aus Jacarondaholz und Ebenholz gefertigt (links unten). Fotos: Schneider
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Immer wieder macht Erica Kernstock die Erfahrung, dass Christi Geburt als Grund des Weihnachtsfestes nicht mehr präsent ist, von anderen wichtigen Teilen der Heilsgeschichte und des Kirchenjahres ganz zu schweigen. Warum dies so ist, und zwar quer durch alle Generationen und unabhängig von Religions- oder Konfirmandenunterricht, erscheint Erica Kernstock als echtes Rätsel. „Dabei kann man das alles anhand meiner Ganzjahreskrippe innerhalb weniger Minuten doch zumindest überblicksartig erklären“, sagt die engagierte Frau und lässt ihre Hand großzügig über eine Landschaft mit Kirchenfassaden aus dem 17. Jahrhundert schweifen, in die nicht nur die klassische Krippe, sondern das ganze Leben Jesu bis hin zu Kreuzigung und Auferstehung szenenhaft integriert sind. Selbst die aktuellen Bezüge zwischen der Weihnachtsgeschichte und den weltweiten Bewegungen von Flucht und Herbergssuche sind nicht ohne Weiteres bekannt. Immer wieder stößt die Museumsleiterin daher auf großes Staunen, ihre Erzählungen finden offene Ohren, nach der Führung sitzt man noch bei Wintertee und Glühwein im Zelt vor dem Haus zusammen oder stöbert im angeschlossenen Weihnachtsshop.
Alljährlich ab September wählt Erica Kernstock aus dem Fundus etwa 150 Krippen aus, die ihr Mann und sie übersichtlich und perfekt ausgeleuchtet in Szene setzen. Immer wieder gibt es Neuheiten und Raritäten, die dabei Premiere feiern oder nach langer Zeit wieder einmal aus ihrer sorgfältig angelegten Verpackung gelöst und präsentiert werden. Restauriert wird dabei nicht, Zeit ist eine Patina, die Kernstock akzeptiert, so wie sie als gläubige Christin überhaupt präsent und gleichzeitig sehr geübt im Loslassen erscheint. Die beiden Söhne leben weit entfernt, es gibt keine Enkelkinder, „so mögen einfach die Zeit und Gott selbst entscheiden, was aus meiner Sammlung einmal wird“, sagt sie lächelnd.
Öffentliche Gelder und Zuschüsse hat sie ohnehin nie erhalten, für sie ist mit den jährlichen Ausstellungen der Sinn und Zweck ihrer Krippen mehr als erfüllt. Sie lebt im Hier und Jetzt, nach überwundener schwerer Krankheit und einem Jahr Pause noch intensiver und dankbarer als zuvor. „Ein Ende der Ausstellungen ist für mich aktuell nicht in Sicht“, sagt die Sammlerin. „Allerdings schließen mein Mann und ich nach der diesjährigen Öffnungsphase den kleinen Weihnachtsshop im ehemaligen Kuhstall meiner Großeltern.“ Ein Blick durch den gemütlichen, beheizten Raum zeigt neben Krippen zum Mitnehmen auch Postkarten, Kerzen und originelle handgearbeitete Weihnachtsgeschenke, wie den Miniaturengel für die Hosentasche, den winzigen Tannenbaum und den mit noch viel kleineren Präsenten sowie einer Weihnachtsmaus gefüllten Nikolausstiefel. Liebevoll ausgewählte Kostbarkeiten, wie es sie im Oberhessischen Weihnachtskrippenmuseum zuhauf zu bewundern gibt. Doch der bürokratische Aufwand für den kleinen Laden war einfach zu hoch, sagt Erica Kernstock, daher die Geschäftsaufgabe mit Verkauf der letzten Stücke in diesem Jahr.
Ob sie weiß, wie viele Figuren ihre rund 250 Krippen beherbergen? „Es müssen insgesamt Tausende sein“, lacht Erica Kernstock, die mindestens ebenso viele Geschichten über Herkunft, Tracht, Gepäck, begleitende Tiere, Symbolik und Aufstellung der Figur im Kopf hat.
Wer einige der Krippenfiguren sehen will, ist noch bis Donnerstag, 20. Dezember, täglich, außer montags, von 14 bis 18 Uhr, willkommen. Gruppen über sechs Personen bittet Erica Kernstock um vorherige Anmeldung unter der Telefonnummer 06043/985257 oder per E-Mail an krippenmuseum-ulfa@t-online. Der Eintritt ist frei.