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Angeklagter: Der Teufel spricht zu mir

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Biebertal (bcz). Der 24-jährige Somalier hört Stimmen, oftmals drei verschiedene: Ein Teufel, eine Stimme der Familie und eine, die ihn auslacht. Deswegen war und ist er regelmäßig in psychiatrischer Behandlung im Gießener Universitätsklinikum. Während eines psychotischen Schubes soll er 2022 zwei Personen mit einem Messer angegriffen haben. Dafür muss er sich seit Montag vor der neunten großen Strafkammer des Landgerichts Gießen verantworten.

In diesem Sicherungsverfahren geht es nicht um eine Verurteilung, sondern um die Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik, da von ihm sonst weitere Gewalttaten drohen.

Zwei Taten wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor: Am Abend des 7. März 2022 habe er einen anderen Mann unterhalb der linken Schulter mit einem Messer eine 1,5 Zentimeter tiefe Stichwunde zugefügt und am 15. August 2022 soll er ein kleines Küchenmesser in Richtung seines Bruders geworfen haben. Dieses habe ihn am Mund und an einem Schneidezahn verletzt.

Acht Mal zuvor Patient gewesen

Die Polizei nahm den Somalier mit und brachte ihn zur Psychiatrie des Uniklinikums. Dort kann man ihn bestens, denn mindestens acht Mal war er dort bereits als Patient gewesen. Mittlerweile ist er in der psychiatrischen Klinik in Haina untergebracht.

In der Schilderung des Beschuldigten klingen die Vorgänge ein wenig anders und sie werden nicht unbedingt klarer oder eindeutiger. Die Messerattacke auf einen Bekannten hatte eine Vorgeschichte, die der Beschuldigte dem Gericht aus seiner Sicht schilderte: An diesem Tag habe er ein Gramm Kokain dabeigehabt. Unter einer Brücke in der Nähe des Oswaldsgartens habe ihm sein Bekannter ein halbes Gramm Kokain abgenommen und dieses konsumiert. Bezahlen wollte er es ihm zuhause in Heuchelheim, was er jedoch nicht tat. Daraufhin seien beide wieder in Richtung Gießen gelaufen und hätten sich dabei auch immer wieder geprügelt. Schließlich sei er mit dem Bus nach Biebertal nach Hause gefahren. Am Abend hätte der Bekannte ihn angerufen und gesagt, dass er das Geld hätte und nun zu ihm kommen würde. Er habe er sich nur gegen den anderen, älteren Mann wehren wollen und deshalb mit dem Küchenmesser zugestochen. Das Opfer wurde am Rücken getroffen.

Das Gericht wollte von dem Somalier wissen, warum er den anderen Mann ins Haus ließ, wenn er doch Angst vor ihm hatte. Diese Frage konnte er nicht beantworten.

Faustschlag gegen den Bruder

Der zweite Vorfall ereignete sich am 15. August 2022. Der Angeklagte gab zu, seinen Bruder verletzt zu haben, jedoch nicht mit dem Messer, sondern durch einen Faustschlag, weil sein Bruder und ein Bekannter ihn als »Junkie« bezeichnet hätten. »Ich bin doch kein Junkie. Ein Junkie ist jemand, der Drogen nimmt und keine Wohnung hat«, definierte der 24-Jährige den Begriff. Allerdings gab er zu, seit 2020 ab und zu Kokain, Haschisch oder Alkohol genommen zu haben, obwohl er wusste, dass ihm dies nicht guttat.

Beide Geschädigte sagte nicht vor Gericht aus. Der Bekannte, den er mit dem Messer getroffen hatte, erschien trotz Vorladung nicht und sein Bruder machte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch.

Der 24-Jährige ist 2013 ist mit seiner Mutter aus Somalia über Italien nach Deutschland geflüchtet und ist mittlerweile als Asylbewerber anerkannt. Er hat noch weitere sieben Geschwister, die aber nicht alle in Deutschland leben. In Somalia hat er die Schule bis zur neunten Klasse besucht. In Gießen war er auf der Wirtschaftsschule am Oswaldsgarten, bis 2017 bei ihm die Krankheit ausbrach. Immer wieder betonte der Angeklagte, dass er an Paranoia leide, das habe ihm ein Arzt einmal gesagt. Er berichtete, dass er Stimmen höre, die ihm das eine oder andere sagen oder raten würden. Immer wieder würde der Teufel mit ihm sprechen, nicht jedoch während des gestrigen Prozesstages. »Der Teufel hat heute keinen Zugang zu mir.«

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