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»Alte Post« schließt

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In der Beuerner Traditionsgaststätte gehen Ende Juni die Lichter aus. Seit 1854 wurde hier nicht nur Bier ausgeschenkt.

Buseck . Die Geschichte der Licher Privatbrauerei beginnt im Jahr 1854, als der Gastwirtssohn Johann Heinrich Jhring eine Dampfbierbrauerei gründet, um die elterliche Gaststätte mit Bier zu versorgen. Die Geschichte der »Alten Post« in Beuern begann im gleichen Jahr.

Damals eröffnete Kaspar Ranft unter dem Namen »Fünfhäuser Hof« eine Gaststätte, die in der Familientradition bis heute fortgeführt wird. Nach Carl Ludwig Ranft (1887 bis 1926) übernahmen Albert Ranft (1927 bis 1967) und Walter Ranft (1968 bis 1998) den Betrieb, der offiziell vor 25 Jahren an Sylvia Schäfer, geborene Ranft, überging. »Hier wurde in den über 160 Jahren immer nur Licher Bier ausgeschenkt«, sagt Schäfer. Doch nicht mehr lange, denn sie geht in ihren wohlverdienten, altersbedingten Ruhestand und mit ihr auch die Zapfanlage. Am 30. Juni schließt die »Alte Post«.

Die Beherbergung einer Postagentur von 1871 bis 1945 hatte 1969 zur Namensänderung geführt. Walter Ranft, als Post-Walter bekannt, wird den Schließungstag nicht mehr miterleben. Er verstarb Anfang des Jahres nur wenige Tage vor seinem 94. Geburtstag. Seinen Beruf als Schreiner - er hat es dabei bis zum Meister gebracht - hat er später als Bankdirektor zu seinem Hobby gemacht. Viele hochwertige Holzarbeiten in der Gaststätte und im Wohnhaus tragen seine Handschrift. Im Ruhestand hat er sich als Autor einiger Bücher einen Namen gemacht.

Sylvia Schäfer besuchte die Handelsschule (heute Kaufmännische Berufsfachschule). Anstatt den angestrebten Berufsweg zu gehen, ist sie nach der Geburt ihres Sohnes in den Familienbetrieb »so reingerutscht« und wurde vom Vater angestellt. »Das war zwar nicht unbedingt mein Ding, ließ sich aber mit der Kinderbetreuung (1984 kam noch eine Tochter zur Welt) gut vereinbaren«, erzählt Schäfer. Nach der Übernahme 1998 standen zunächst einmal einige Investitionen an. »Wir wurden überschüttet mit Auflagen von allen möglichen Ämtern«, erinnert sich die Wirtin.

Die Eigenbewirtschaftung der Vereine in der Willy-Czech-Halle und sonstigen Vereinsräumen habe schon »wehgetan«, aber bis 2010 lief der Betrieb gut. »Früher fanden samstags Disco-Abende statt und bei Live-Events wie etwa mit der Beuerner Band »Underlane« und dem legendären Fruchthof-Fasching war die Hütte voll. Wir haben viele Familien- und Firmenfeiern ausgerichtet«, berichtet Schäfer. Das Freizeitverhalten der jungen Leute hat sich gewandelt, es zieht sie in die Stadt. Die Dorfkneipe als Treffpunkt hat ausgedient. Ehemann Jürgen, der hauptberuflich als Polizist tätig war, unterstützt seine Frau im Büro und wo sonst noch Not am Mann ist. Beide loben die verständnisvollen Nachbarn: »Die haben alles mitgemacht, sich nie über Lärm beschwert.«

Die Öffnungszeiten wurden jeweils der Nachfrage angepasst. So wird für den langjährigen Stammtisch nach wie vor 14-tägig am Dienstagabend die Kneipe aufgemacht, donnerstags ist Schnitzeltag und im Saal probt der Männergesangverein »Polyhymnia-Liederkranz«, in dem »Post-Walter« seit 1945 aktiv war. Noch an Weihnachten hat er in der Kirche im Chor gesungen. Freitags ist weiterhin ab 18 Uhr geöffnet, samstags und sonntags sind Gäste nach Voranmeldung zu Feierlichkeiten, Versammlungen oder einfach nur zum Essen willkommen.

In der »Alten Post« wurde gespeist und gefeiert, getanzt und gesungen und ungezählte Jahreshauptversammlungen und Vorstandssitzungen von Ortsvereinen abgehalten. Mit dem Kauf der »Alten Sparkasse« durch die Gemeinde ist eine neue Begegnungsstätte entstanden, die künftig von den Vereinen als Ausweichmöglichkeit genutzt werden kann.

Die Eheleute Schäfer werden die Vermietung der Gästezimmer ebenfalls aufgeben. »Wenn jemand kommt und das in die Hand nehmen möchte, können wir gerne darüber reden.« Auch für eine Nachnutzung von Gaststätte und Saal - zu welchem Zweck auch immer - zeigen sie sich offen. Wenn alles geregelt ist, freuen sich die beiden darauf, zukünftig nicht nur schnell mal einen kurzen Urlaub einschieben zu können, sondern ganz entspannt ihre freie Zeit zu genießen.

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