Der Faszination Kanadas erlegen

Jürgen Marschinke hat einen Nebenfluss des Yukon mit einem Paddelboot erkundet.
Buseck (vb). Bei seiner ersten Reise 1985 war Jürgen Marschinke noch »ganz normaler« Tourist. »Doch da habe ich das Kanada-Virus bekommen«, berichtet der Troher. Er wollte auch Dinge kennenlernen, die man nicht von der Straße aus sehen kann. Vier Jahre später war Marschinke erstmals auf dem Teslin unterwegs, einem Nebenfluss des Yukon. Vor kurzem hat er seine 27. Wildnistour hinter sich gebracht. Darüber ist der Film »Faszination Kanada« entstanden, der am heutigen Freitag ab 18 Uhr im Offenen Kanal zu sehen ist.
Die Dimensionen Kanadas zeigen sich an wenigen Zahlen. Es ist das zweitgrößte Land der Erde und besteht aus zehn Provinzen und drei Territorien - quasi 13 Bundesländern. Das Yukon-Territorium ist doppelt so groß wie die Bundesrepublik Deutschland und beherbergt dennoch nur 45 000 Menschen.
Mit seinem Sohn Sven und vier Freunden war der 75-Jährige in Kanus auf dem Fluss »Stewart« unterwegs, der in den Yukon mündet. Die Reise bewertet Marschinke rückblickend als »strapaziös«, und das trotz seiner Erfahrung, bereits viele Flüsse im Yukon-Territorium befahren zu haben. »Im vergangenen Winter hat es in dieser Region sehr stark geschneit und das Schmelzwasser sorgte für extremes Hochwasser. Die Frischwasserquellen waren unterhalb der Wasserlinie und wir mussten Wasser filtern und Regenwasser auffangen. Zudem war die Moskitoplage derart groß, weil in den Tümpeln auf den überschwemmten Inseln die Brutstätten ideal waren. Da viele Inseln unter Wasser standen, konnte man sich nicht an ihnen orientieren. So blieben nur markante Felsformationen zum Festlegen des eigenen Standortes.« 2018 war der Troher das letzte Mal in Kanada unterwegs und zwar auf den Spuren der Goldsucher. Der jetzigen Tour ging eine einjährige Planung voraus. Jörg Peters (Beuern), Manfred Ulmer (Trohe), Sven Marschinke (Trohe), Hans Peter Ewin (Schöffengrund) und Heiko Lederer (Hungen) bildeten zusammen mit Jürgen Marschinke die drei Teams in den Kanus.
Von Whitehorse, der Hauptstadt des Yukon-Territoriums, wurden die Freunde über den Klondike-Highway 400 Kilometer nach Stewart Crossing gebracht, wo die Straße den Fluss überquert. Hier gibt es eine Möglichkeit, in den Stewart-River zu kommen. Nach dem Beladen der Boote und einer kurzen Einweisung begann die erste Etappe. Das Hochwasser machte dem Team große Probleme. Die Orientierung auf den riesigen Flüssen war schwer und nur an den Felsformationen konnte die Position lokalisiert werden. Auch die enorme Hitze von 30 Grad war ungewöhnlich für diese Region.
Ebenso war die Ergänzung des Trinkwassers eine Herausforderung. Durch das Hochwasser waren die Quellen in den Felsen überspült und nicht zu nutzen. So musste das Wasser gefiltert und Regenwasser aufgefangen werden. Das Team war aber allen Anforderungen gewachsen, bilanziert Marschinke zufrieden.
Kleine Zwischenfälle gehörten zu diesem Abenteuer. In starker Strömung kenterte ein Boot und der Verlust von Schuhen musste verschmerzt werden. Das übrige Gerät war gut gesichert. Die Begegnung mit Bären und Elchen war die Belohnung für harte Paddeltage. Nach sechs Tagen und 220 Kilometern war der Zusammenfluss von Stewart und Yukon erreicht und die historische Vergangenheit des Flusses und des Goldrausches wurden lebendig. Das Ziel Dawson City mit gerade einmal 800 Einwohnern ließ die Zeit stillstehen. Dort gibt es nicht nur Holzbürgersteige, sondern auch das älteste Casino Kanadas. Der Aufenthalt war die verdiente Belohnung für die Mittelhessen.
Was ist die Faszination Kanadas? Marschinke muss nicht lange überlegen. »Größe, Weite, Einsamkeit«, antwortet er. Zudem gebe es dort einen »besonderen Menschenschlag«. Er berichtet von Begegnungen mit Eremiten, die per Hand Gold suchen, oder mit Familien von Ureinwohnern.
Der frühere Berufssoldat stellt sich das Team für jede Fahrt neu zusammen. Einige seien aber schon mehrfach dabei gewesen. Wie war dieses Mal das Altersspektrum? Der Jüngste war 45, Marschinke mit seinen 75 Jahren der Älteste. Frauen seien nie dabei. Derartige Reisen seien ihnen wegen der hygienischen Bedingungen nicht zuzumuten, meint er.
Nach der Reise ist vor der Reise: In zwei Jahren soll auf dem Chilkoot-Trail, einem historischen Handelspfad, gewandert werden.