»Mulch ist die Methode der Zukunft«

Der Busecker Sonnenhof nimmt an einem dreijährigem Feldversuch der Universität Gießen teil.
Buseck . Das Öko-Projekt »Gemüseanbau mit naturnahen Mulchsystemen« der Justus-Liebig-Universität Gießen gibt Hoffnung für die gebeutelten Landwirte und Gemüsebauern. Der Klimawandel mit zunehmend extremen Hitzewellen, trockenen Sommern gepaart mit heftigen Gewittern und Starkregenereignissen inklusive Überschwemmungen setzt Pflanzen aber auch Böden enorm zu, schmälert die Erträge oder vernichtet sie gar komplett. Neue Konzepte und Ideen müssen her.
Schon unsere Großeltern wussten um die positiven Effekte von Mulch im Gemüsebeet und setzten geschreddertes Grüngut im Garten ein. Ob das Mulchen auch das Potenzial hat, den Gemüseanbau in großem Stil zu revolutionieren, untersucht Doktorand Bryan Dix vom Institut für ökologischen Landbau der Uni Gießen in einem dreijährigen Feldversuch zusammen mit fünf Praxisbetrieben, dem Pappelhof in der Wetterau, Solawi Sonnenhof in Braunfels, Hof Obersteinberg in Pohlheim, Sonnenhof in Buseck und Andreas Stroh in Wißmar sowie einer institutseigenen Referenzfläche ohne Mulch. Stimmen die Thesen »Kein Bewässern mehr nötig«, »Kein Unkraut mehr auf den Feldern« - der Landwirt muss nur noch pflanzen und dann zur Ernte wieder kommen oder ist das nur ein frommer Wunschtraum? Ja, Mulchdecken halten Samenunkräuter ohne Herbizide oder aufwendige Bodenbearbeitung in Schach, richten aber nichts gegen Wurzelunkräuter wie Disteln oder Ampfer aus, die einfach durch den Mulch hindurchwachsen. Ja, der Wasserhaushalt des Bodens wird verbessert und das Wasser wird aufgrund einer reduzierten Verdunstung im Boden gehalten, die Erosion wird verringert und die Humusbildung gefördert, was letztendlich die Nährstoffe für Pflanzen besser verfügbar macht. Außerdem führt die Schicht zu einer langsameren Bodenerwärmung und wirkt Schädlingen entgegen. Das klingt traumhaft, aber es gibt auch eine dunkle Seite. Für die Mulchschicht wird Ende September eine Mischung aus Stickstoff sammelnden Leguminosen wie Grünschnittroggen, Wintererbse oder Zottelwicke gesät , die bis Mitte Mai bis zu einer Höhe von rund zwei Metern heranwachsen darf. Da hierfür ungefähr die dreifache Fläche der Gemüseanbaufläche benötigt wird, fällt der normale zusätzliche Nutzen über den Winter wie etwa der Anbau von Viehfutter weg. Da sich der Mulch mit seinen verschieden großen Pflanzenteilen verhakt und eine aneinanderhängende Schicht bildet, muss man ihn zum Einpflanzen der Gemüsesetzlinge aufschneiden. Das geht entweder in mühsamer Handarbeit oder man nutzt dazu die rund 70 000 Euro teure Pflanzmaschine Mulch Tec-Planter, entwickelt von Johannes Storch vom Bio-Gemüsehof Dickendorf.
Handarbeit
Auf dem 2500 Quadratmeter großen Acker direkt vor dem Sonnenhof fällt dieser Tage eine rund neun Zentimeter dicke grüne Schicht ins Auge und eine riesige, rote Maschine besetzt mit zwei bis drei Leuten inklusive etlicher Kisten junger Setzlinge gibt Rätsel auf. Die Schicht entpuppt sich bei näherem Hinsehen als gehäckselter Mulch und die Maschine, ein gemieteter Mulch Tec-Planter, bringt Hokkaidokürbis-, Weißkohl- und Sellerie-Pflänzchen abhängig von der Gemüsesorte in Einer- oder Dreier-Reihen in die Erde. Dazu zertrennt ein elektronisches Schneidwerk mit 8 kW die Mulchschicht, eine Pflanzschar öffnet die Erde und aus einem Düngerkasten fällt die Unterfußdüngung ins Loch. Währenddessen bestücken die oben sitzenden Landwirte die Revolver-Scheibe mit ihren acht quadratförmigen Schlitzen mit den zarten Pflänzchen, die dann von der Maschine in die Erde gesetzt werden, bevor die Andruckrollen die Furche wieder schließen - alles genauestens überwacht von Bryan Dix, der anmerkt »Mit dem in den ersten beiden Jahren gepflanzten Zuckermais hatten die Bauern Absatzprobleme, da er sich gekühlt nur drei Tage hält und es hier keine Kühlkostfirmen gibt. Jetzt verwenden wir stattdessen Knollensellerie«. Übrigens ist Anzahl der benötigten Leute auf der Maschine abhängig von der Gemüsesorte, bei Kürbissen langen zwei, bei anderen Sorten sind mindestens drei erforderlich.
Jürgen Scheld, Bio-Landwirt und Eigentümer des Sonnenhofs, hat außer der Uni-Versuchsfläche noch weitere Äcker für den Gemüseanbau vorgesehen. »Weil die Maschine schon mal da war, haben wir außerdem noch Rosenkohl, Wirsing, Gurke, Zucchini, Chinakohl, Kohlrabi, Salat, Flower Sprouts und Palmkohl auf rund 0,4 Hektar versuchsweise angepflanzt«. In einer kleinen Garage hat er in der Zwischenzeit einen Hofladen eingerichtet und will dort sein erntefrisches Biogemüse an den Mann oder die Frau bringen. Seine Erfahrungen mit dem Mulch: »Im ersten dürren Jahr 2020 waren die Erträge überraschend gut im Vergleich zum ungemulchten Kontrollfeld, nur bei den Kürbissen, die von spanischen Nacktschnecken aufgefressen wurden, gab es einen Totalausfall. Es folgte das nasse 2021, wo der Mulch sich in den schlammigen Boden gedrückt hat und das Unkraut dann ungehemmt sprießen konnte. Wir hatten deshalb eine Menge Arbeit mit Unkraut auszupfen, aber die Erträge konnten sich sehen lassen. In diesem Jahr sieht es dagegen mau aus, da die jungen Pflänzchen mit sieben Zentimeter zu klein für die neun Zentimeter dicke Mulchschicht waren. Einen Großteil haben wir jetzt händisch frei gemacht. Tja und dann kam die Frostnacht, mit Wärme am Boden unter dem Mulch und eisiger Kälte obendrüber an den zarten Blättern, was den Pflanzen den Rest gegeben hat. Wir hoffen, die erholen sich wieder.« Planen in der Landwirtschaft ist heute genauso wie in früheren Jahren immer noch ein Risiko, Natur bleibt eben Natur.
Doktorand Dix dagegen zieht eine klar positive Bilanz. »Mit dem Mulch haben die Hokkaidokürbisse 39 Prozent mehr Ertrag als auf der Kontrollfläche, auch der Weißkohl zeigte signifikant höhere Erträge und der Sellerie ging sozusagen durch die Decke, einfach nur toll. Das Ganze hat ohne Bewässerung geklappt, wir haben eine signifikant höhere Bodenfeuchtigkeit beobachtet, während bei Sommerhitze auf dem Kontrollfeld gar nichts überlebte«. Eine ungewöhnliche Erkenntnis: Es gab weniger Schädlinge und obwohl beispielsweise der Weißkohl Eier und Raupen des Kohlweißlings aufwies, kam es zu keinerlei Fraßschäden. »Den Erdfloh haben wir sogar überhaupt nicht gesehen.«
Dix ist überzeugt: »Mulch ist die Methode der Zukunft, sie wird den Gemüsebau revolutionieren«. Lassen wir uns also von den Ergebnissen im nächsten Jahr, wenn das Projekt beendet ist, überraschen.

