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Ära an Willi-Ziegler-Schule geht zu Ende

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Von: Rose-Rita Schäfer

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Mit ihrem Abschied endet in Villingen eine Ära: Ortrud Lohrey. Foto: Schäfer © Schäfer

Nach 27 Jahren als Klassenlehrerin und fast 14 Jahren als Schulleiterin geht Ortrud Lohrey in den wohlverdienten Ruhestand.

Hungen (rrs). Für die Willi-Ziegler-Schule in Villingen geht eine Ära zu Ende. Am Dienstag verabschiedete sich Ortrud Lohrey nach 27 Jahren als Klassenlehrerin und fast 14 Jahren als Schulleiterin in den wohlverdienten Ruhestand.

Bürgermeister Rainer Wengorsch, die Ortsvorsteher von Villingen sowie Nonnenroth, Pfarrerin Dr. Tina Bellmann, aber auch die Schulleiter der umliegenden Schulen, Schulelternbeiräte, Vereinsvertreter und das gesamte Kollegium waren zu der kleinen Abschiedsfeier gekommen. Im Klassenzimmer an der Tafel stand in bunter Kreide »Danke liebe Ortrud« und an einem kleinen Baum daneben hingen rote Papp-Äpfel mit den Namen der Schüler, darunter viele Geschenk wie an Weihnachten.

»Mein letzter Schultag - es ist ein bisschen unfassbar für mich«, beschreibt Lorey wehmütig ihre Gefühle. Fast ihr ganzes Leben hat sie in dieser Schule verbracht.

Schon ihr Vater war hier Lehrer und sie hat ihn als kleines Kind oft in die Schule begleitet. Älter geworden hat sie in diesen Räumen selbst Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt, nur um nach Abitur, Studium und Referendariat wieder an den Ort ihrer Kindheit zurückzukehren. Jetzt aber schließt sie zum letzten Mal die Tür ab, sagt ade zu Kindern und Kollegen, zu ihrem über alles geliebten Lehrerdasein, ja sogar zum alten Schulgebäude und startet in einen neuen unbekannten Lebensabschnitt, der sich Ruhestand nennt.

Tränen in den Augen

»Die Schule war für mich immer eine Herzensangelegenheit und gerade die Dorfschule mit ihrem engen Miteinander gibt Kindern so viel Positives mit ins Leben«, blickt sie mit Tränen in den Augen zurück. Der Abschied wiegt sichtlich schwer.

Eva Maria Hußmann, schulfachliche Aufsicht beim staatlichen Schulamt Gießen, überreichte die Ruhestandsurkunde und gab einen kurzen Überblick über Loreys Leben. »Ruhestand wörtlich genommen bedeutet ruhig stehen bleiben, aber das ist für einen zielstrebigen Menschen wie Lorey undenkbar. Immer hat sie mit klarem Willen ihre Pläne umgesetzt. Nach dem Abitur am Gymnasium Hungen hat sie von 1977 bis 1980 ihr Studium für das Lehramt an Grundschulen mit den Fächern evangelische Theologie, Mathematik und Sport an der Uni Gießen absolviert, gleich anschließend folgte das zweijährige Referendariat an der Theodor-Heuss-Schule in Laubach, das sie mit Auszeichnung abschloss.« Schon verheiratet, kamen drei Söhne kurz hintereinander auf die Welt und die junge Mutter begab sich auf Stellensuche, damals zu Zeiten der Lehrerschwemme ein schwieriges Unterfangen. Es gab höchstens befristete Angebote mit reduzierter Arbeitszeit, erst 1988 ergatterte sie schließlich eine Planstelle mit voller Stundenzahl im Vogelsbergkreis. Nieder- und Oberohmen war ihr Wirkungskreis. Als sich 1995 die Chance bot, griff sie zu, bat um Versetzung und wechselte nach Villingen, womit sich ihre Lebenskreis schließt.

Traumjob

Neben ihrem Lehrerdasein bildete sie ab 2006 am Studienseminar Gießen im Rahmen eines Lehrauftrags Lehramtsstudenten aus. Die Uni-Tätigkeit gab sie dann aber 2009 mit ihrer Berufung zur Schulleiterin notgedrungen auf. Auch als Schulleiterin war sie die ganzen Jahre über immer auch Klassenlehrerin, das war ihr wichtig. »Für alles, was wir heute hier sehen, hat Lorey ihre ganze Kraft eingesetzt.

Jetzt im Ruhestand hat sie Zeit für Neues, ihr Leben ist nicht mehr vom 45-Minuten-Takt geprägt, sie kann selbst bestimmen, ihre Zeit frei einteilen - sie kann still stehen aber auch einen Waldspaziergang machen, wann immer sie will«, schloss Hußmann. Zum Abschied präsentierte Lorey Fotos aus vergangenen Tagen aber auch neueren Datums. Den Anfang machte ein Einschulungsfoto von 1939, wo noch acht Jahrgänge, immer zwei Jahrgänge zusammen, in Villingen unterrichtet wurden. Zur halbjährigen Beurteilung gab es Zeugnishefte. Die Schulbänke waren fest installiert, der Schulhof noch nicht asphaltiert, aber die Bäume standen schon.

Die Jungs hatten Werk- und die Mädchen Handarbeitsunterricht und der Hausmeister spielte mit Freunden auf dem Schulhof Skat. In den 30ern hat hier Schulnamensgeber Willi Ziegler, der spätere Direktor des Senckenberg-Forschungsinstituts in Frankfurt, die Schulbank gedrückt. Jahre später, mit der Taufe der Schule auf seinen Namen, konnten sich die Klassen über kostenlose Besuche inklusive Führung in zweijährigem Rhythmus im Senckenberg Museum freuen.

Heute hat die Schule 85 Schüler verteilt auf vier Klassen, um die sich sechs Lehrkräfte, zwei Schulassistentinnen und eine Sozialpädagogin kümmern. Es gibt eine Nachmittagsbetreuung und die Kooperation mit Vereinen ist sehr eng. Die Landfrauen organisieren einen Ernährungsführerschein und bieten Handarbeitsunterricht mit Häkeln und Stricken an. Hier entstand Loreys Lieblingsfoto, eine fast 90-jährige Landfrau, die einem kleinen Drittklässler das Stricken beibringt. Der Schulhof ist nun asphaltiert und mit etlichen Bewegungsgeräten ausgestattet. Sonderaktionen, Sommerfeste , Waldritterspiele oder Bäume im Bürgerwald Nonnenroth pflanzen, gehören zum Schulalltag. »So eine Dorfschule verbindet die Generationen und vermittelt den Kindern ein Stück Geborgenheit«, lächelt Lorey in Erinnerung an die glückliche Zeit in ihrem Traumjob.

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Eva Maria Hußmann, schulfachliche Aufsicht beim staatlichen Schulamt Gießen (r.) überreichte Ortrud Lohrey die Ruhestandsurkunde Foto: Schäfer © Schäfer

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