»So etwas gab es in Gießen noch nicht«
Ein Paar Lederhandschuhe spielen in dem Indizienprozess eine große Rolle. Das Landgericht ließ jetzt von Händen der beiden Angeklagten Modelle anfertigen.
Hungen (bcz). »So etwas gab es in Gießen noch nicht. Das war auch für uns hier eine Premiere«, so kommentierte Oberstaatsanwalt Thomas Hauburger das Ergebnis des Gerichtstages in dem Indizienprozess um den Mordfall in Hungen. Zuvor waren Handmodelle der beiden Angeklagten begutachtet worden, leider mit keinem befriedigenden Ergebnis.
Lederhandschuhe
Seit knapp zwei Jahren müssen sich zwei Männer vor der Fünften großen Strafkammer des Landgerichts Gießen wegen Mordes verantworten. Sie werden beschuldigt, Daniel M., einen gemeinsamen Bekannten, im November 2016 in einer Hofreite in Hungen-Bellersheim erschossen und die Leiche beseitigt zu haben. Wer allerdings die tödlichen Schüsse abgegeben hat, das ist bis heute ungeklärt, denn beide Angeklagten beschuldigen sich gegenseitig, die Tat begangen zu haben. Da auch die Leiche des Getöteten bis heute fehlt, kann sich die Anklage lediglich auf Indizien stützen.
Eine entscheidende Rolle soll dabei ein Paar Lederhandschuhe spielen, das im Rahmen der Ermittlungen sichergestellt wurde.
Sie gehören dem älteren der beiden Angeklagten, aufbewahrt wurden sie jedoch von dem jüngeren. Mit diesen Beweisstücken hatte der Jüngere den anderen Angeklagten angeblich erpresst und sich damit sein Schweigen erkauft, bis dieser letztlich 2020 zur Polizei ging und der Fall ins Rollen kam. Schmauchspuren und die DNA des Älteren wurden an den Handschuhen sichergestellt, jedoch keine DNA-Spuren des Jüngeren. Für dieses Fehlen hatte der ältere, ein Mathematiklehrer aus Bruchköbel, an einem früheren Termin eine Erklärung parat: Der andere habe geschossen und damit man keine DNA-Spuren finden würde, habe er unter den Handschuhen Einmal-Handschuhe getragen.
Das Gericht wollte nun klären, wem die Handschuhe passen würden. Der jüngere, aus Bayern stammende Angeklagte hatte sich bereit erklärt, die Handschuhe anzuziehen, während sich der Mathematiklehrer verweigerte, da ihn dies zu sehr seelisch belasten würde. Daraufhin ließ das Gericht Modelle der Hände der Angeklagten anfertigen, um zu testen, wer die Handschuhe überhaupt tragen könnte.
Aufwendig
Aufwendig wurden die Hände mit einer Plastikmasse nachgeformt. Jedoch ließen sich die Modelle nicht so einfach in die Handschuhe stecken, wie die Vorsitzende Richterin Regine Enders-Kunze feststellen musste. Die Modelle waren nicht so biegbar wie es echte Hände sind, vor allem die Handteller erwiesen sich als eine festere Masse als in der Realität.
Auch die Oberfläche ist wesentlich rauer als dies bei echten Händen der Fall ist. Daher ist das Ergebnis nicht so eindeutig, wie erhofft.
Der jüngere Angeklagte ist bereit, die Handschuhe anzuziehen, auch mit Einmalhandschuhen, denn sein ehemaliger Freund hatte behauptet, dass er so die Tat begangen hätte. Dieser Versuch soll am nächsten Prozesstag unternommen werden.