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Bis das Eisen schmilzt

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Von: Klaus Kächler

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Bei 1500 Grad Celsius ist Eisen flüssig und kann - wie hier in Friedrichshütte - gegossen werden. Foto: privat © privat

Gießereien im Kreis besonders vom Preisschock betroffen. Die Auftragsbücher sind zwar voll, doch die steigenden Produktionskosten bereiten Sorgen.

Kreis Gießen . Es ist heiß in der Halle. Im Schmelztiegel brodelt flüssiges Metall. Bei 1500 Grad Celsius ist es soweit: Funkensprühend wird der rotglühende Strahl in die Formkästen gegossen. Das bedeutet höchste Konzentration für die Arbeiter in der Gießerei Friedrichshütte bei Ruppertsburg. Mit Routine und Know-how sorgen sie dafür, dass der Guss gelingt. Klar, dass hier in der Produktion besonders viel Energie benötigt wird.

Doch wie gehen heimische Gießereien mit dem Preisschock bei Strom und Rohstoffen um? Und was, wenn wirklich das Gas ausgeht?

»Wir benötigen rund zwei Millionen Kilowattstunden Strom im Jahr«, erläutert Armin Knötig, Geschäftsführer der Friedrichshütte GmbH. Die traditionsreiche Produktionsstätte gehört zur Roemheld-Gruppe und ist mit rund 30 Mitarbeitern eine der kleineren Eisengießereien in Deutschland.

Produziert werden hier unter anderem kernhaltige Gussteile für Nutzfahrzeuge, Gasarmaturen und Teile für den allgemeinen Maschinenbau. Durch ihre Flexibilität ist die Hütte bei Kunden sehr gefragt, denn Klein- und Mittelserien mit Stückgewichten von 0,1 bis zu 20 Kilogramm können in kürzester Zeit geliefert werden. Doch trotz großer Nachfrage, macht man sich auch hier Gedanken: »Die Auftragsbücher sind voll, aber es ist kaum möglich, die derzeit bereits um 25 bis 30 Prozent gestiegenen Produktionskosten an die Kunden weiterzugeben«, so Knötig. Außerdem laufe der Vertrag mit dem Stromversorger irgendwann aus und einen neuen längerfristigen Vertrag mit einem Anbieter abzuschließen sei im Moment unmöglich. »Es herrscht eben große Verunsicherung am Markt«, resümiert Knötig.

Gegründet wurde die Friedrichshütte 1707 durch Graf Friedrich Ernst zu Solms-Laubach unter Mithilfe des Hüttenfachmannes Friedrich Nicol Alberti. 1717 übertrug man die kaufmännische und technische Leitung des Werkes dem Hüttenverwalter Johann Wilhelm Buderus I, weshalb Friedrichshütte als Wiege des heutigen Buderus-Konzerns gilt. 1879 schließlich übernahm Adolph Römheld die Pacht des Gießereibetriebes.

An Nahwärme angeschlossen

Nur wenige Kilometer weiter befindet sich in der Kernstadt Laubach eine Produktionsstätte der Eisengießerei Fritz Winter GmbH & Co. KG. Wie der Leiter des Laubacher Werks, Henning Knipper, auf Anfrage erläutert, hat man hier pro Jahr einen Bedarf an Strom im niedrigen zweistelligen und Gas im einstelligen Millionen-Kilowattstunden-Bereich. Der Strom werde dabei im Wesentlichen für das Schmelzen der Einsatzstoffe verwendet, während das Gas in Trocken- und Heizprozessen zur Anwendung komme. Dazu sei man an das Nahwärme-Netz von Laubach angeschlossen. »Die Energiekosten sind im Vergleich zum Jahr 2021 um den Faktor acht bis zehn gestiegen«, schildert Knipper.

Einen gewissen Anteil der Energielieferungen habe das Werk mit derzeit rund 175 Mitarbeitern bereits im Vorfeld preislich abgesichert. Die derzeitige Volatilität an den Energiebörsen mache aber eine Abschätzung der zukünftigen Preisentwicklung schwierig bis nahezu unmöglich.

Für eine Gasmangellage und mögliche Strom-Blackouts im Winter müsse man sich jetzt rüsten.

Auch hier ist die Auftragslage aktuell sehr gut. »Wir erwirtschaften etwa 80 Prozent unseres Umsatzes durch den Export ins Ausland«, berichtet Knipper. Allerdings sei die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie in Deutschland massiv gefährdet. Er fürchtet, dass sich Kunden langfristig in Märkte mit niedrigen Herstellkosten und wesentlich geringeren Umweltauflagen orientieren könnten.

Im Gegensatz zu anderen energieintensiven Industriezweigen, die wegen hoher Kosten bereits ihre Produktion gedrosselt haben, sei dies in Laubach derzeit nicht vorgesehen. Aufgrund der sich ständig ändernden Rahmenbedingungen könne das allerdings nicht völlig ausgeschlossen werden.

Hohe Kosten machen Sorgen

Bei der Schunk Group in Heuchelheim sei zum jetzigen Zeitpunkt weder der dortige größte Produktionsstandort noch ein anderer von Gasknappheit betroffen, teilt Pressesprecher Dr. Neill Busse auf Nachfrage mit. Der weltweit agierende Technologiekonzern mit über 9000 Beschäftigten in 26 Ländern, der Hightech-Werkstoffe sowie Anlagen und Maschinen von Klimatechnik bis Optik herstellt und allein 2020 einen Umsatz von rund 1,2 Milliarden Euro erzielte, könne derzeit ohne Einschränkungen produzieren.

Wie das aber in den kommenden Monaten aussehen wird, »lässt sich kaum abschätzen, insbesondere was die Situation bei unseren Vorlieferanten betrifft«. Zudem würden die stark gestiegenen Energiepreise wegen langfristiger Verträge erst im kommenden Jahr »durchschlagen«, so Busse.

Was Energie betrifft, beklagt das Unternehmen jedoch »ohnehin schon hohe Kosten, höhere als bei unseren internationalen Wettbewerbern zum Beispiel in den USA oder Japan«, lässt der Sprecher wissen. Für 2023 rechne man mit einem weiteren Anstieg »um einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Das ist ein extremer Zuwachs auf der Kostenseite, der nicht einkalkuliert ist, das Unternehmen belastet und unserer Wettbewerbsfähigkeit schadet«. Daher erwartet Schunk gerade von der Politik, dass diese »eine stabile Versorgung mit bezahlbarer Energie sicherstellt, damit deutsche Industrieunternehmen auch weiterhin auf dem Weltmarkt mithalten können«, führt Busse aus.

Staatliche Finanzhilfen nehme Schunk im Übrigen nicht in Anspruch. Von den mehr als 9000 weltweit Beschäftigten sind 56 Prozent in Deutschland tätig, 33 Prozent des Konzernumsatzes wird hierzulande erwirtschaftet.

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Blick in die Eisengießerei Fritz Winter in Laubach. Foto: privat © privat

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