Buseck erinnert an Reichspogromnacht vor 81 Jahren
GROSSEN-BUSECK - (ebp). Auf den Tag genau 81 Jahre ist es her, dass landauf landab im damaligen Deutschen Reich Synagogen gestürmt und verwüstet wurden - auch in Großen-Buseck. Die Synagoge am Anger wurde zwar nicht in Brand gesteckt, wie viele andere jüdische Gotteshäuser. Dies geschah aber wohl nur deshalb nicht, weil man ein Übergreifen des Feuers auf benachbarte Gebäude befürchtete.
Die Gemeinde Buseck hat bereits am gestrigen Freitagabend zusammen mit der Klasse 10 a der Gesamtschule Busecker Tal und zahlreichen Bürgern an die Reichspogromnacht 1938 erinnert.
"Es waren auch Bürger aus Buseck, die die Synagoge gestürmt haben. Und das ist das Erschreckende daran", sagte Bürgermeister Dirk Haas. In den vergangenen Jahren wurden in der Gemeinde 30 "Stolpersteine" für die Opfer des Nationalsozialismus verlegt. Bei den Recherchen habe man die Schicksale jüdischer Familien kennengelernt. Es sei wichtig, gerade heute an diese Menschen zu erinnern. Denn immer wieder würden Stimmen laut, wonach man das Erinnern an die Gräueltaten der Nationalsozialisten "doch endlich gut sein" lassen solle. Dem widersprach Haas vehement und verwies auf das Attentat von Halle: "Das war erneut ein Versuch, jüdisches Leben in Deutschland auszulöschen." Es sei daher wichtig, ein Zeichen zu setzen und zu warnen, "damit so etwas nicht noch einmal geschieht".
Auch an die Grünberger Schüler, die nach einem Besuch im Konzentrationslager Buchenwald antisemitische Lieder abgespielt oder gesungen hatten, erinnerte Haas. Es sei gut und wichtig, dass sich die Schüler der Gesamtschule Busecker Tal aktiv mit den Schicksalen der Busecker Juden auseinandergesetzt hätten und die fürchterlichen Taten der Nationalsozialisten so Namen bekämen: "Es waren unsere Mitbürger, die vertrieben und ermordet wurden." Eigentlich beende er seine Rede mit den Worten "Wehret den Anfängen!", sagte Haas. Manchmal habe er jedoch das Gefühl, "dass wir schon weiter sind, als bei den Anfängen".
Großen-Busecks Ortsvorsteher Erich Hof erinnerte anschließend an den Widerstandskämpfer Georg Elser. Dessen Bomben-Attentat auf Adolf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller jährte sich am gestrigen Freitag zum 80. Mal. Elsers "mutige Tat" habe in den ersten Jahrzehnten nach Kriegsende kaum Beachtung gefunden. Erst in den vergangenen Jahren habe Elser, der am 9. April 1945 im Konzentrationslager Dachau ermordet wurde, eine angemessene Wertschätzung erfahren. In Gießen etwa wurde eine Straße nach dem Kunstschreiner benannt. Zum Abschluss zitierte Hof den italienischen Schriftsteller Primo Levi, der den Holocaust überlebt hat: "Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen."
Im Anschluss an die Reden von Haas und Hof legten Schüler der Klasse 10 a 26 Steine auf dem 1988 errichteten Gedenkstein vor der ehemaligen Synagoge ab, die sie zuvor im Unterricht verziert hatten. Die Schüler folgten damit dem jüdischen Brauch, statt Blumen Steine auf Gräbern abzulegen. Klassenlehrerin Christine Horn sagte: "Jeder Stein steht für einen Menschen aus Buseck, der von hier aus deportiert wurde. Das sind Schicksale, die nicht vergessen werden sollten."
Nach dem Gedenken an der ehemaligen Synagoge ging es weiter in die Kaiserstraße, wo die Schüler gemeinsam mit einem Mitarbeiter des Bauhofs und Bürgermeister Haas eine Esche für das Leben pflanzten. Die Idee dazu hatten die Schüler, den Baum hat die Gemeinde bereitgestellt.
Von den 26 jüdischen Buseckern, an die am gestrigen Freitag erinnert wurde, hat nur eine Frau den Holocaust überlebt. "Es ist wichtig, dass die Schüler nicht die Augen vor der Vergangenheit verschließen", sagte Lehrerin Horn im Gespräch mit dieser Zeitung. Wenn die Opfer Gesichter bekämen, habe das für das Lernen einen anderen Effekt, als wenn man nur die Zahlen in Schulbüchern lese.
Das sieht auch ihre Schülerin Juliana Colvin so: "Es war sehr bedrückend, zu erfahren, wie es ihnen damals erging." Die Schülerin hatte den ersten Stein für Leopold Edelmuth abgelegt. Der Sohn von Berthold Edelmuth und dessen Ehefrau Berta lebte zeitweise in der Borngasse in Beuern. Am 30. September 1942 wurde er nach Polen deportiert und vermutlich nur kurze Zeit später ermordet. Da war er gerade einmal 35 Jahre alt.