Die Beute: »Lächerliche 603 Euro«
Kreis Gießen (bcz). Sechs Jahre und drei Monate Haft forderte Staatsanwalt Alexander Hahn für den türkischstämmigen Angeklagten, der gemeinsam mit zwei weiteren Bekannten am 4. Februar 2017 ein Spielcasino in Linden überfallen und ausgeraubt hatte. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Alexander Hauer, hielt hingegen eine Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten für tat- und schuldangemessen.
Gerne hätte der Staatsanwalt aus dieser Tat einen minderschweren Fall gemacht, doch das Gesetz sieht für schweren Raub eine Mindeststrafe von fünf Jahren vor.
Die Tatumstände ließen Hahn hierfür keinen Spielraum. An jenem Abend waren der Angeklagte und sein Freund zusammen zu einem Weiteren gefahren. Man trank und rauchte zwei Joints. Die beiden anderen hatten ihn regelrecht zu dem Überfall überredet. Die drei fuhren in die Nähe der Spielhalle, dort maskierten und bewaffneten sie sich.
Der heute 34-Jährige zog sich eine Sturmhaube über, nahm ein 30 Zentimeter langes Samurai-Schwert und bedrohte damit einen Angestellten, in dem er mit dem Schwert vor ihm hin- und her fuchtelte. Zudem trat er ihm noch in die Seite. »Sie verwendeten ein schweres Werkzeug und damit bleibt es ein schwerer Raub«. Da half wenig, dass der Angeklagte ein vollständiges Geständnis ablegte und sich von seiner Tat auch entsprechend distanzierte. Die Ernsthaftigkeit seiner Reue glaubte ihm der Staatsanwalt auch. »Und wofür das alles? Die Beute waren lächerliche 603 Euro und dafür wurden drei Menschen zu Opfern«, führte Hahn weiter aus.
Daher müsse man bei der Strafzumessung auch die Folgen berücksichtigen. Alle drei würden noch immer unter den Folgen leiden. »Das war keine Kleinigkeit«. Auch ist er dem Gericht kein Unbekannter. In seinem Strafregister sind acht Eintragungen und sechs Verurteilungen verzeichnet, wenngleich nicht in diesem Bereich. So er wurde unter anderem schon wegen Betrugs und Unfallflucht verurteilt. Auch dass er sich zunächst der Verurteilung durch Flucht entzogen habe, müsse man bei der Urteilsfindung entsprechend berücksichtigen, erläuterte Hahn.
Sein Verteidiger Rechtsanwalt Hauer lege die positiven Seiten seines Mandanten in die Waagschale. Er habe sich gestellt, seine Taten vollumfänglich zugegeben und echte Reue gezeigt. Die beiden anderen Mittäter wurden bereits 2019 rechtskräftig zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten außer dieser Tat im Februar 2017 noch weitere Raubzüge verübt. Sie wurden zu Haftstrafen von knapp zehn Jahren verurteilt. Der türkischstämmige Angeklagte saß ursprünglich mit diesen beiden auf der Anklagebank, er flüchtete jedoch in die Türkei, lebte dort drei Jahre, bis er 2022 freiwillig zurückkehrte und sich stellte. »Er hat seinen Fehler erkannt und dagegen gesteuert«, sagte sein Anwalt dazu.
Die beiden anderen Täter sollten am Donnerstag vor Gericht aussagen. Jedoch weigerte sich der eine dies zu tun, trotz des Hinweises des Gerichts, dass er kein Aussageverweigerungsrecht habe, meinte er nur: »Ich mache hier vor Gericht keine weiteren Angaben«. Auch als das Gericht ihm eine Ordnungsstrafe in Höhe von 500 Euro beziehungsweise zehn Tage Ordnungshaft androhte und ihn auf weitere, negative Folgen hinwies, wurde er nicht gesprächiger, so dass ihm das Gericht diese Strafe verhängte. Sein Kommentar dazu: Das ist mir egal. Ich sage nichts«. Der zweite Täter, der ebenfalls gerade seine Strafe verbüßt, war zwar etwas gesprächiger, jedoch hatte auch er erstaunliche Erinnerungslücken zum Tathergang. Seine Begründung war, dass es schon so lange her sei und er sich kaum mehr daran erinnern könne.
Das Urteil folgt am kommenden Donnerstag.