Ein Leben für Laborbeagle

Die 80-jährige Gisela Wertich aus Cleeberg vermittelt seit vielen Jahren Laborbeagle. Jetzt feiert sie den 80. Geburtstag.
Langgöns . »Laborbeagle suchen ein Zuhause! Haben Sie noch ein Plätzchen frei?« Mit dieser Frage wirbt Gisela Wertich aus Cleeberg seit vielen Jahren, um Laborhunde aus Tierversuchen in liebevolle Hände zu vermitteln. Für ihr großes Engagement bekam die Tierfreundin 2008 den Hessischen Tierschutzpreis des Hessischen Ministeriums für Umwelt, ländlichen Raum und Verbraucherschutz verliehen. Heute feiert die langjährige Vorsitzende und heutige Vizevorsitzende des Vereins »Laborbeaglehilfe«, die auch regionale Ansprechpartnerin ist, ihren 80. Geburtstag.
Am 21. April 1943 in Saarlouis geboren, lebte die Kauffrau, die zuletzt mit einem Büro- und Schreibservice selbstständig war, viele Jahre mit ihrem Mann in Frankfurt. Seit 1990 ist Cleeberg ihre Heimat. Ihr Mann verstarb 2008. Bereits seit den 1980er Jahren engagiert sie sich für den Tierschutz. »1984 bekam ich meinen ersten Beagle, den habe ich als Welpen aus schlechter Haltung für viel Geld freigekauft, Bonny hat mich 14 Jahre begleitet«, erinnert sich die sympathische Tierfreundin an ihre erste Begegnung mit dieser Hunderasse.
Meutehunde für Experimente
»Wenn für Tierversuche Hunde benötigt werden, sind es in der Regel Beagle, denn sie sind ausgesprochen freundlich, zugleich sehr robust und können als Meutehunde gut im Rudel leben.« So stieß Gisela Wertich zur »Laborbeaglehilfe«.
Ihr erster Laborbeagle war Sarah, »die war sieben Jahre, als sie abgegeben wurde«. Dann kam Ida mit neun Jahren und anschließend Noelle. »Ich habe meine Beagle immer nacheinander angeschafft, es ist aber auch kein Problem, mehrere Beagle gleichzeitig zu halten«, erklärt die Vermittlerin.
Nach Noelle übernahm die Cleebergerin zwei bereits ältere Beagle aus dem Tierheim in Butzbach. »Tinka und Gipsy waren zwei richtig nette Hunde«, erinnert sie sich, den beiden war jedoch nur rund ein Jahr bei Gisela Wertich beschieden, erst verstarb Tinka an Herzversagen, ein halbes Jahr später Gibsy an Nierenversagen.
»Danach wollte ich eigentlich keinen Hund mehr, auch aus Altersgründen.« Als Laborbeagle Meta als neunjährige Hündin dann vermittelt werden sollte, wurde Gisela Wertich nochmal einmal schwach. Seit vier Jahren bereichert die Hündin nun ihr Leben.
Was sind eigentlich Laborbeagle? »Immer wieder stelle ich fest, dass viele Menschen überhaupt nicht wissen, was ein Laborbeagle ist, sie haben noch nie davon gehört.« Deshalb ist dem Verein, der 2007 gegründet wurde, deutschlandweit und darüber hinaus agiert und aktuell rund 160 Mitglieder hat, Aufklärungsarbeit ganz wichtig.
Rund 2800 Tiere vermittelt
Bis heute hat der Verein rund 2800 ehemalige Laborhunde in geeignete Familien vermittelt. »Unsere Arbeit ist völlig legal und seriös«, betont Gisela Wertich. »Einige Labore und Forschungsinstitute haben sich bereit erklärt, gesunde Hunde nach Abschluss der Versuchsreihen über Tierschutzorganisationen abzugeben, denn dann sind die Hunde für diese Unternehmen nicht mehr brauchbar.« Das ist der Zeitpunkt, an dem Gisela Wertich und weitere Teammitglieder der »Laborbeaglehilfe«, aktiv werden: »Wir holen Tiere in ganz Deutschland ab und vermitteln sie in liebevolle Familien, mit der Zielsetzung, dass sie eine Chance bekommen, ein zweites, schöneres Leben zu verbringen. Es sei allerdings immer wieder eine Gratwanderung, in Kooperation und ohne Konfrontation mit den Unternehmen zu agieren«, weiß sie und erklärt, dass der Verein sehr daran interessiert sei, das Vertrauensverhältnis zu den kooperierenden Firmen nicht zu zerstören: »Es hat sich in deutschen Labors auch schon vieles verbessert, aber solange der Gesetzgeber Tierversuche erlaubt, wird das Thema aktuell bleiben.« Die meisten Laborhunde sind gesund und zwischen ein und acht Jahren alt, wenn sie freigegeben werden. »Man muss sie in ihr neues Leben begleiten, sie kennen und können nicht viel, wenn sie das Labor verlassen, oft sind sie ängstlich und nicht stubenrein«, sagt Wertich. Auch benötigen sie als Jagdhunde viel Auslauf: »Sie sind nichts für Stubenhocker.«
Aber zum Glück sei es zum Lernen nie zu spät und die Erfahrungen zeigten, dass auch ältere Tiere sehr wohl in der Lage seien, sich nach kurzer Zeit zu ganz normalen Hunden zu entwickeln.
Pflegestellen gesucht
Der Verein sucht immer zeitlich begrenzte Pflegestellen, in denen die Tiere bis zur Vermittlung untergebracht werden. Denn die Hunde müssen erst behutsam und geduldig an ein normales Alltagsleben herangeführt werden. Sie müssen erst lernen, an der Leine zu gehen. Kosten wie Steuern und Versicherung und nach Absprache Tierarzthonorare werden vom Verein übernommen, ggf. auch Futterkosten.
Auch Patenschaften sind erwünscht, die Paten überweisen monatlich eine beliebige Summe für einen bestimmten Hund. Sie bekommen eine Urkunde und regelmäßig Informationen über ihren Schützling. »Auf diese Weise übernehmen Sie Verantwortung für ein Tier und ermöglichen ihm für die letzten Jahre einen warmen, fürsorglichen Platz, auch wenn Sie es selbst nicht bei sich aufnehmen können.«
Was sind Laborhunde und warum sind die meisten Laborhunde Beagle?
Wertich: Laborhunde sind Hunde, die zu Versuchszwecken in Laboren leben. An ihnen werden Medikamente und Chemikalien getestet. Beagle sind als Versuchshunde besonders beliebt, weil sie freundlich und robust sind und gut in Gruppen gehalten werden können.
Was haben diese Hunde in den Labors erlebt?
Wertich: Was genau an den Hunden erforscht wurde, erfahren auch wir nicht. Die Haltung der Tiere ähnelt der in Tierheimen. Das Pflegepersonal ist gut qualifiziert und freundlich zu den Hunden.
Wie alt sind die Tiere in der Regel, wenn sie von den Laboren entlassen werden?
Wertich: Hier gibt es erhebliche Unterschiede. Manche Hunde bekommen wir schon als Welpen mit zehn Wochen, der älteste Hund, den wir vermittelt haben, war zwölf Jahre alt. Die überwiegende Mehrheit der Hunde ist zum Zeitpunkt der Entlassung unter vier Jahre.
Durch welche Eigenschaften charakterisieren sich ein Beagle im Allgemeinen und ein Laborbeagle im Besonderen?
Wertich: Das wichtigste Merkmal des Beagle ist, dass er ein Jagdhund ist. Die lustigen Gesichter mit dem ewig hungrigen Ausdruck sollten nicht darüber hinwegtäuschen. Viele Beagle können lebenslänglich nicht von der Leine gelassen werden. Beagle sind lauffreudig und müssen auch kopfmäßig beschäftigt werden. Einen Beagle zu halten, ist ein zeitintensives Hobby und es ist wichtig, dass die Interessenten sich im Vorfeld darüber im Klaren sind.
Das alles gilt auch für Hunde, die aus dem Labor kommen. Am Anfang sind sie meistens schreckhaft und scheu und müssen behutsam an ihren neuen Alltag gewöhnt werden. Das heißt aber nicht, dass sie in Watte gepackt werden müssen. Die Hunde, die die erste Zeit ihres Lebens in sehr reizarmer Umgebung verbracht haben und nichts kennen und können, lernen gerne und schnell, auch wenn sie dem Welpen- und Junghundalter bereits entwachsen sind.
Muss man besonderen »Hundeverstand« haben, wenn man einen Laborbeagle ins Haus nimmt? Sind die Tiere auch für Familien geeignet?
Wertich: Erfahrung mit Jagdhunden ist sicher nicht von Nachteil, wird aber auch nicht zwingend vorausgesetzt. Wichtiger ist die Bereitschaft, mit dem Hund zu lernen. Wir empfehlen dringend den Besuch einer guten Hundeschule. Es spricht nichts gegen die Kombination von Kindern und Beagle, die Kinder sollten aber bereits im Schulalter sein und die Bedürfnisse eines Hundes (er-)kennen und respektieren.
Was erwartet die Besitzer bei ihrem neuen Hausgenossen? Muss man befürchten, dass die Tiere möglicherweise krank sind?
Wertich: Nein, die Hunde werden vor ihrer Entlassung untersucht und für gesund befunden.
Welche Tipps geben Sie Interessenten?
Wertich: Für ein harmonisches Miteinander mit einem Beagle-Hund braucht man Konsequenz und eine große Portion Humor. Beagle sind zwar nicht grundsätzlich unerziehbar, Kadavergehorsam sollte aber eher nicht erwartet werden.
(imr)