Einst Klinik, heute Seniorenheim

40 Jahre Haus besteht das Haus am grünen Weg in Lollar. Die Geschichte eines Seniorenheims im Wandel der Zeit.
Lollar . Viele Menschen in Lollar und auch in der Umgebung erinnern sich noch an die einstige Klinik Dr. Glock. 1953 erbaut war sie zwischen den Unikliniken Gießen und Marburg Anlaufstelle etwa für Arbeitsunfälle bei Buderus. Ein gebrochener Arm, der Blinddarm, der raus musste, aber auch Geburten - dafür ging man »zum Glock«. Heute ist an dieser Stelle das Seniorenheim »Haus am grünen Weg«. Als die Klinik 1983 aufgegeben wurde, entstand in ihren Räumen der Wohnpark Dr. Glock - ein Seniorenheim, betrieben von der Erbengemeinschaft. Vier Jahrzehnte liegen dazwischen, in denen sich nicht nur das Gebäude, sondern auch die Pflege an sich verändert hat.
Masorca Schmitt und Sylvia Venohr blicken im Gespräch mit dem Anzeiger zurück. Beide sind sozusagen »alte Hasen« in ihrem Beruf. Masorca Schmitt arbeitet seit 20 Jahren hier, hat schon ihre Ausbildung im »Haus am Grünen Weg« absolviert und leitet die Einrichtung seit 2016. Auf ein paar Jahre mehr kann Sylvia Venohr zurückblicken. Sie hat 1990 noch im »Wohnpark Dr. Glock« angefangen, war später 23 Jahre lang Pflegedienstleiterin. »Als ich angefangen habe, erinnerte noch vieles an das ehemalige Krankenhaus«, schmunzelt Venohr. Aus dem Wohnpark wurde 1992 das »Seniorenhaus Lollar«. Die Leitung oblag Dr. Winfried Hartmann-Zehnle und Marion Zehnle. 2001 wurde daraus die »Casa Reha« (Leitung Isolde Arbter-Metz), 2007 kam der große Anbau hinzu und 2016 übernahm die Korian-Gruppe das heutige »Haus am grünen Weg«, seither leitet Schmitt die Einrichtung.
89 Plätze gab es anfangs - drei Einzelzimmer, der Rest waren Doppelzimmer. Heute zählt das »Haus am Grünen Weg« 103 Einzelzimmer und 37 Doppelzimmer.
Aus dem Garten
»Zu Anfang gab es noch zum großen Teil die Selbstversorgung aus dem Garten.« Die Selbstversorgung gibt es so nicht mehr, gekocht wird aber nach wie vor im Haus. War früher Hausmannskosts angesagt, so spielen heute ernährungswissenschaftliche Aspekte eine wichtige Rolle
Die Hauswirtschafterin des ehemaligen Krankenhauses blieb, bis zu ihrem 80. Lebensjahr arbeitete Renate Teuner im Grünen Weg und verbrachte dann auch ihren Lebensabend hier. »Meine Mutter hat ebenfalls hier gearbeitet, bis sie 80 wurde«, erzählt Venohr Für die 63-Jährige ist ihr Arbeitsplatz über die Jahre zu einer Art zweites Zuhause geworden. Auch ihre beiden Kinder sind hier beschäftigt.
»Als ich den Beruf gelernt habe, hieß es noch, das kann jeder, das ist ein Frauenjob.« Sicher habe man sich neben der Pflege auch mit den Bewohnern unterhalten, sei mit ihnen raus gegangen. »Es ist viel erzählt worden. So hat man viel erfahren über die Menschen und konnte das in die Arbeit einfließen lassen.« Doch Alltagsbetreuer, Ergo- oder Arbeitstherapeuten - so wie heute - habe es nicht gegeben. »Die sind Gold wert«, wirft Schmitt mit Nachdruck ein. Sie selbst habe während ihrer Ausbildung noch die Zeit gehabt, mal mit den Bewohnern »Mensch ärger dich nicht« zu spielen, mit ihnen spazieren zu gehen. Zwei Jahre dauerte die Ausbildung damals, heute sind es drei Jahre. Nicht nur das, es ist eine generalistische Ausbildung und nach der Hälfte kann man entscheiden, ob man tatsächlich in die Altenpflege geht oder vielleicht lieber in einem Krankenhaus arbeiten möchte.
Schmitt erinnerte sich an ihre Ausbildungszeit: »Damals war man der Azubi in seiner Einrichtung und hat ganz normal Dienst geschoben.« Die 46-Jährige sieht einen gravierenden Unterschied.
Denn für einen ausbildenden Betrieb wie das Lollarer Seniorenheim kann das heißen, dass es sich jemand nach anderthalb Jahren schlichtweg anders überlegt. Vieles hat sich gewandelt, wurde früher noch auf dem Zettel abgehakt, was erledigt wurde, wird heute alles digital erfasst. »Es gibt deutlich mehr Bürokratie«, sind sich Schmitt und Venohr einig.
»Eisen und Föhnen«
Sylvia Venohr schmunzelt und erinnert an eine Methode, mit der man einst einem Dekubitus, also einer wund gelegenen Stelle, zu Leibe rückte. »Eisen und Föhnen«. Diese Form der Therapie wird heute nicht mehr praktiziert. Auch in der Sturzprophylaxe geht man neue Wege. »Bewohner, die sturzgefährdet sind, werden gefilmt, damit man vorbeugend arbeiten und dafür sorgen kann, dass Verletzungen so gering wie möglich bleiben«, erklärt Masorca Schmitt. Was es noch gibt, ist das aufblasbare Waschbecken für die Haarwäsche im Bett.
Was die Bewohner anbelangt, so gibt es zum einen die Tendenz, dass sie teilweise jünger werden. Die Heimleiterin nennt hier adipöse Menschen als Beispiel, aber auch solche, die in einer Behinderteneinrichtung gearbeitet haben, in Rente gehen und nach wie vor Pflegebedarf haben. »Für diese Menschen gibt es keine Häuser«, stellt Schmitt fest. »Und gerade jetzt kommen die geburtenstarken Jahregänge auf uns zu.«
In einem Seniorenheim könnten Menschen ab 65 Jahre aufgenommen werden. Es sei denn es gebe einen extra Versorgungsvertrag für jüngere Bedürftige. Auf der anderen Seite, so Venohr, blieben viele alte Menschen so lange wie möglich in ihren Häusern, »einfach, weil sie dran hängen«. Und: »Je später sie kommen, desto pflegebedürftiger sind sie.« Was die 63-Jährige bedauert, ist, dass Altersheime immer noch mit eine Art Stigma behaftet sind. Man solle doch bitte auch darüber sprechen, was alles geboten werde. Man erlebe im Haus vieles, das »Freude pur« sei. Und natürlich gebe es auch »Trauer pur«, wenn man einen Bewohner auf dem letzten Weg begleite.
»Pflege ist unersetzbar, die Familien, die Angehörigen können das heutzutage kaum noch schaffen«, stellt Schmitt fest. Wenn sie einen Appell an die Politik richten dürfte, würde sie sich wünschen, dass die Hürden für Menschen, die diesen Job Altenpflege wirklich machen wollten, abgebaut werden, man sich nicht nur an Schulnoten orientiert.
Das gelte nicht nur für die Ausbildung an sich, sondern auch für Pflegekräfte, die aus dem Ausland kommen. »Für die Altenpflege braucht es eine ganz besondere Empathie, denn man lebt mit den Bewohnern«, ergänzt Sylvia Venohr. Und daran hat sich auch in den vergangenen vier Jahrzehnten nichts geändert.
Das große Fest zum 40-jährigen Bestehen des Haus am grünen Weg wird am Samstag, 3. Juni, ab 15 Uhr gefeiert. Für musikalische Unterhaltung sorgt Bernhard Birkenfelder mit seiner Band (bis 20 Uhr).
