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Genau passend zur Fünften Jahreszeit

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Von: Thomas Schmitz-Albohn

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Die Elfen, dargestellt vom Kinder- und Jugendchor, umringen die schlafende Tytania. Foto: Jan Bosch © Jan Bosch

Die Inszenierung von Benjamin Brittens »Sommernachtstraum« im Stadttheater Gießen versprüht zwar keine Magie, begeistert aber mit komödiantischer Spiellust.

Gießen. Hat man je einen Zauberwald gesehen, der so wenig märchenhaften Zauber besaß, so wenig sinnliche Atmosphäre ausstrahlte wie in Magdalena Fuchsbergers Inszenierung der Shakespeare-Oper »Ein Sommernachtstraum« von Benjamin Britten im Stadttheater? Drei Stunden lang blickt man in einen Raum, der eher an einen leeren Tanzsaal oder ein ausgeräumtes Warenlager denken lässt als an einen magischen Ort, an dem geheimnisvolle, unerklärliche Dinge vor sich gehen. Von Magie und Tiefgang ist an diesem Abend eh nichts zu spüren, dafür dominieren Frohsinn, komödiantische Spiellust, Klamauk - also alles genau passend für die Fünfte Jahreszeit.

Dem Premierenpublikum im voll besetzten Haus hat’s gefallen. Mehr als das: Außer sich vor Freude überschütteten die Besucher am Samstagabend alle an der Produktion Beteiligten minutenlang mit Applaus. Der Jubel wollte kein Ende nehmen. Und das völlig zu Recht, denn sowohl das verkleinerte Philharmonische Orchester als auch die Gesangssolisten, die Chorsänger sowie der Kinder- und Jugendchor glänzen in diesem »Sommernachtstraum« mit guten bis herausragenden Leistungen.

Kein verwunschener Zauberwald

Es leuchtet ein, dass die österreichische Gastregisseurin und die mit ihr zusammenarbeitende Kostüm- und Bühnenbildnerin Monika Biegler zu Brittens spröder, betont nüchterner Musik keinen verwunschenen, romantisch verklärten Zauberwald zeigen wollen. Sie gehen dagegen von der fast nackten Bühne der Shakespearezeit aus, die schnelle Verwandlungen ermöglicht und der Fantasie des Zuschauers freien Lauf lässt. So finden sich die Zuschauer in dem bereits erwähnten leeren hohen Raum wieder, der von einem Schnürvorhang umschlossen ist und in den hin und wieder eine Discokugel ein paar Lichttupfer streut. Hierher hat sich offenbar der menschengroße Hase aus dem Stück »Mein Freund Harvey« verirrt, denn der hat hier eigentlich nichts verloren. Der Dämon Puck, der allerlei Verwirrungen stiftet, tritt aber nicht auf. »Er ist überall und nirgends«, wie die Regisseurin verraten hat. So äußert sich sein Erscheinen mal in einem Windstoß, mal in herabschwebenden Seifenblasen oder Blitzen, mal in Stimmen aus dem Off. Der Page, den sowohl Tytania als auch Oberon für sich beanspruchen und deswegen in Streit geraten, lässt sich auch nicht sehen. In ihren Glitzeranzügen wecken Oberon und Tytania Erinnerungen an vergangene Disco-Zeiten. Die Elfen gleichen adrett gekleidetem Hotelpersonal, und die vier Liebenden tragen Unisex-Look. In ihren mintgrünen Hosenanzügen und mit ihren langen roten Haaren sehen sie aus wie vier Katja-Ebstein-Kopien.

Benjamin Brittens Musik fließt meist wie ein unaufgeregter, ereignisarmer Klangstrom dahin. Man merkt ihr das gewollt Moderne, Neutönerische der 50er Jahre an, das heute allerdings ziemlich altbacken wirkt. Und dann diese Längen! Hier unternimmt Generalmusikdirektor Andreas Schüller am Dirigentenpult alles, damit es auf Dauer nicht ermüdet, gibt Impulse, setzt Spannungsbögen, und das feinfühlig musizierende Orchester lässt mit Harfe, Celesta und Streicherglissandi die Elfenwelt entstehen oder ruft mit tiefen Holzbläsern und parodistischen Elementen die spaßigen Handwerker auf den Plan.

Voller Saft und Kraft

»Was sind die Menschen doch für Narren!« - dieser Ausspruch Pucks ist der Schlüssel zu Magdalena Fuchsbergers Inszenierung, in der das Närrische, das Verrückte und Überdrehte nach und nach die Oberhand gewinnt. Nachdem das Geschehen zunächst nur so dahingeplätschert ist, kommt mit dem Auftritt der Handwerkertruppe allmählich buntes Leben ins Spiel. An erster Stelle ist da Grga Peroš als Bottom zu nennen, der nicht nur mit seinem agilen Bariton einen ganzen Kerl voller Saft und Kraft darzustellen vermag, sondern auch als zotteliger Esel mit nacktem Oberkörper und baumelndem Gemächt den Erzkomödianten von der Leine lässt und damit im Publikum für große Erheiterung sorgt. Als tumber Ritter Pyramus ist er einfach urkomisch im Zusammenspiel mit Edward Lee als Thisby. Zur munteren Truppe gehören ferner Clarke Ruth (Quince), Tim-Lukas Reuter (Snug), Shaw Mlynek (Snout) und Tomi Wendt (Starveling). In der Shakespeare’schen Sommernacht verlieren und finden sich die Menschen und wissen kaum, wie ihnen geschieht. Stimmlich allesamt auf der Höhe zeigen Julia Araújo als Helena, Jana Markovic als Hermia, Johannes Strauß als Lysander und Nikolaus Nitzsche als Demetrius, wie ihre Figuren in einem Schwebezustand zwischen Traum und Wirklichkeit zum Spielball geheimer Sehnsüchte und verborgener Wünsche werden. Countertenor Meili Li verleiht Oberon, dem König der Elfenwelt, souverän Gestalt, und Annika Gerhards an seiner Seite ist als Tytania eine jederzeit ebenbürtige Partnerin. Sora Winkler (Hyppolyta) und Leo Lang (Theseus) komplettieren die Riege der Gesangsdarsteller.

Weitere Vorstellungen am 19. Februar, 21. Mai und 18. Juni jeweils um 18 Uhr, 25. Februar, 9. März und 13. Mai jeweils um 19.30 Uhr.

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