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Grundsteuer: Ab Freitag wird es ernst

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In der BORIS-Datenbank sind durchschnittliche Bodenrichtwerte für alle hessischen Kommunen - hier zum Beispiel Großen-Buseck - hinterlegt. Doch die sagen noch nichts über die eigene Grundsteuerlast aus. Foto: Land Hessen © Land Hessen

Ab 2025 gilt die neue Grundsteuer. Doch schon dieses Jahr muss jeder Eigentümer eine Steuererklärung für die Neubewertung seines Hauses abgeben.

Kreis Gießen. (ib). Ab Freitag wird es ernst für fast jeden zweiten Hessen. 47,5 Prozent der Menschen in unserem Bundesland besitzen laut Statistischem Bundesamt Grundeigentum und dafür müssen sie Grundsteuern zahlen. Rund 35 Millionen Immobilien bescheren den deutschen Kommunen jedes Jahr fast 15 Milliarden Euro an Einnahmen. Allerdings werden diese Steuern derzeit höchst unterschiedlich festgelegt. In Westdeutschland stammt die letzte Bemessungsgrundlage aus dem Jahr 1964, und als in Ostdeutschland zum letzten Mal die Grundstücke fiskalisch geschätzt wurden, hieß der Kanzler noch Adolf und nicht Olaf.

Weil aber die Grundsteuer von Neubauten tagesaktuell festgelegt wird, wurde die Diskrepanz zwischen Alt- und Neubauten immer größer. Ein Beispiel aus Wettenberg: Während der Besitzer einer alten Hofreite mit einem 800 Quadratmeter großen Grundstück 60 Euro Grundsteuer im Jahr entrichten muss, werden für einen Neubau auf einem 600 Quadratmeter großen Grundstück 300 Euro fällig.

Strukturelle Ungerechtigkeit

Diese strukturelle und von Jahr zu Jahr wachsende Ungerechtigkeit hat schließlich das Bundesverfassungsgericht (BVG) auf den Plan gerufen. Im April 2018 verpflichtete es den Gesetzgeber, die Grundsteuer auf eine neue und damit auch gerechtere Grundlage zu stellen. Mit der Umsetzung dieses Urteils ließ sich der Gesetzgeber Zeit. Erst kurz vorm Ablauf der von Karlsruhe gesetzten Frist billigte der Bundesrat im November 2019 die Reform. Bevor dann die Bürger ins Spiel kommen, ließ man sich in Berlin und Wiesbaden noch einmal zweieinhalb Jahre Zeit.

Ganz so großzügig bemessen ist das Zeitbudget der rund drei Millionen hessischen Immobilienbesitzer nicht. Ab 1. Juli und spätestens bis zum 31. Oktober müssen sie in diesem Jahr eine zweite Steuererklärung einreichen.

Weil Hessen eine von der Bundesgesetzgebung abweichende Regelung beschlossen hat, müssen bei uns nicht ganz so viele Angaben wie in anderen Bundesländern gemacht werden. Gemeldet werden müssen

die Lage des Grundstücks in der Gemarkung sowie die Flur und das Flurstück

die Größe des Grundstücks (amtliche Fläche)

die Grundbuchblattnummer

der Miteigentumsanteil

die Wohnfläche von Gebäuden und

die Nutzungsfläche von Gebäuden, die nicht bewohnt werden.

Eine harte Nuss für manche älteren Eigentümer dürfte die Pflicht zur Abgabe einer elektronischen Steuererklärung sein. Dafür ist in erster Linie das kostenlose ELSTER-Verfahren vorgesehen. Wer dort noch nicht registriert ist, kann das unter www.elster.de nachholen. Allerdings dürfen auch Familienangehörige ihre eigene Registrierung bei ELSTER nutzen, um die Erklärung beispielsweise für die Eltern oder Großeltern abzugeben. Ausnahmen von der Pflicht zur elektronischen Abgabe sind nur möglich, wenn man glaubhaft machen kann, dass eine elektronische Abgabe nicht zumutbar sei.

Wenn alles funktioniert hat, bestätigt das Finanzamt den Grundeigentümern schriftlich den neuen Grundsteuermessbetrag. Ganz wichtig: Geld muss jetzt noch nicht bezahlt werden. Die neue Bewertungsgrundlage soll nämlich erstmals 2025 angewendet werden. Und erst dann wird sich für jeden Haus- oder Grundeigentümer die Gretchenfrage entscheiden: »Muss ich mehr oder weniger zahlen?« Die Faustregel »Altbau zahlt künftig mehr, Neubau weniger« ist viel zu grob, weil bei der Neuberechnung eben noch ganz andere Faktoren eine Rolle spielen. Und weil die neue Grundsteuer laut BVG für die Kommunen einkommensneutral sein soll, dürfte in einem Dorf mit zahlreichen Altbauten die steigende Steuer der einzelnen Grundstücke letztlich auch zu niedrigeren Hebesätzen für alle Bürger führen.

Bereits jetzt scheinen die Ämter und Behörden bei der Mammutaufgabe der Neubewertung sämtlicher Grundstücke hinter dem Zeitplan zu sein. Die Bitte des Anzeigers an das Finanzamt Gießen, für durchschnittliche Häuser und Grundstücke in verschiedenen Kreiskommunen einmal Musterberechnungen zu machen, konnte das Amt nicht nachkommen, weil die dazu notwendigen neue Bodenrichtwerte vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte noch nicht vorliegen würden.

Dauert alles länger?

Diese Aussage wird allerdings vom Geschäftsstellenleiter des Gutachterausschuss für Immobilienwerte für den Bereich des Landkreises Gießen, Tobias Rhiel, zurückgewiesen. Die aktuellen Bodenrichtwerte für die hessischen Gemeinden seien bereits am 21, April gesammelt von der Hauptgeschäftsstelle der Gutachterausschüsse in Wiesbaden an die einzelnen Finanzämter ausgegeben worden. Der letzte für eine Berechnung noch fehlende Wert - der durchschnittliche Bodenrichtwert für jede Kommune - sei am 13. Juni im Staatsanzeiger des Landes veröffentlicht worden. »Damit liegen alle Werte für eine Neuberechnung vor«, sagt Rhiel. Allerdings vermutet er einen anderen Grund für Verzögerungen. Intern müssten die Finanzämter ihre EDV-Systeme komplett umstellen. Dass einige Bundesländer wie zum Beispiel Hessen ihre eigenen Regelungen beschlossen hätten, mache diese Umstellung auch nicht gerade einfacher.

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Anmerkung: Der Bodenrichtwert ist ein durchschnittlicher Preis für eine Anzahl ähnlicher Grundstücke und kann für jedes Gebäude unter der Internetadresse www.boden richtwerte-boris.de eingesehen werden. Diese Durchschnittspreise dienen unter anderem dem Finanzamt bei der Steuerberechnung.

Obacht! Die in der BORIS-Datenbank abrufbaren Bodenrichtwertinformationen dürfen allerdings nicht von den Bürgern für die eigene Grundsteuererklärung verwendet werden.

Wer noch weitere Informationen braucht, findet diese auch im Internet unter: www.grundsteuer.hessen.de .

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