Schüler der Gesamtschule Hungen unternehmen Studienfahrt nach Theresienstadt
Armin Trus, Geschichtslehrer an der Gesamtschule Hungen, organisierte für seinen Wahlpflichtkurs "Spurensuche" eine Studienfahrt ins tschechische Terezín, so der heutige Name Theresienstadts.
Von red
Die Schüler aus Hungen in Theresienstadt. Foto: Trus
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HUNGEN - "War Theresienstadt nun ein Ghetto oder ein Konzentrationslager?" Immer wieder wurde diese Frage von den Schülern gestellt. Das war kaum verwunderlich, ist doch in den Berichten ehemaliger Insassen einmal vom Konzentrationslager, ein anderes Mal vom Ghetto die Rede.
Sich über den Charakter des Lagers Klarheit zu schaffen, war aber nicht der Grund, wieso Armin Trus, Geschichtslehrer an der Gesamtschule Hungen, in diesem Jahr für seinen Wahlpflichtkurs "Spurensuche" eine Studienfahrt ins tschechische Terezín, so der heutige Name Theresienstadts, organisierte. Die Idee war aus seinem Unterricht heraus entstanden. Bei ihren Recherchen über das Schicksal der Hungener Juden während des Nationalsozialismus waren die Schüler ein ums andere Mal auf die knappe Formulierung "nach Theresienstadt deportiert und dort umgekommen" gestoßen. Und so reifte beim Lehrer die Idee mit seinen Schülern einmal nicht - wie in den Jahren zuvor - nach Auschwitz zu fahren, sondern eben nach Terezín. An der Studienfahrt nahmen 22 Schüler der Jahrgangsstufen 10 bis 13 teil.
Gemeinsam mit den beiden Gedenkstättenmitarbeitern Aleksandra Rutkowska und Leander Perz war zuvor ein umfangreiches Programm erstellt worden. So mussten sich die Schüler, kaum dass sie angekommen waren, in einer ersten Arbeitsphase wichtige Stationen nationalsozialistischer Herrschaft in Erinnerung rufen. Nach dem Abendessen erwartete sie der tschechische Spielfilm "Der letzte Schmetterling". Indem der Film zwar so manchen Aspekt des Alltagslebens im Ghetto näher beleuchtete, vieles aber offenließ, weckte er bei den jugendlichen Zuschauern das Bedürfnis nach Information.
Diese erhielten sie am nächsten Tag von den Mitarbeitern bei einem gemeinsamen Gang durch die Stadt: Theresienstadt wurde Ende des 18. Jahrhunderts als Festung errichtet. Berüchtigt wurde Theresienstadt, als die Nationalsozialisten aus der einstigen Garnisonsstadt im Laufe des Zweiten Weltkriegs ein einziges großes Gefängnis machten: Die sogenannte "Große Festung" fungierte dabei als Zwangssammellager für Juden, "Ghetto Theresienstadt" genannt, und die Kleine Festung als Polizeigefängnis der Gestapo. Insgesamt wurden zwischen November 1941 und April 1945 etwa 140 000 Menschen nach Theresienstadt deportiert. In Theresienstadt selbst starben über 35 000 Menschen, etwa 87 000 Menschen wurden nach Osten, zumeist nach Auschwitz, deportiert, von ihnen überlebten nur 3600. Die Mitarbeiter beließen es aber nicht bei Zahlenangaben; durch die Wiedergabe von Erinnerungsberichten entstanden Bilder von Menschen.
Eine Lehrstunde der besonderen Art erlebten die Schüler bei einem Gespräch mit der fast 90-jährigen Zeitzeugin Evelina Merová. Mit noch nicht ganz zwölf Jahren war sie im Juni 1942 mit ihren Eltern nach Theresienstadt gekommen. Sie berichtete uns von ihrem Leben im Ghetto, ihrem Kampf um tägliche Bildung - das Unterrichten war streng verboten - von ihren Freundinnen vom "Zimmer 28", aber auch von den zahlreichen Krankheiten und dem ständigen Hunger.
"Arbeit macht frei" - diese Worte stehen am Eingang zum ersten Hof des ehemaligen Polizeigefängnisses der Gestapo in der Kleinen Festung Theresienstadt, welche die Schüler besuchten. Nicht nur der zynische Spruch, auch die finsteren und beengten Räume für die Gefangenen sowie der markante Hinrichtungsort erinnerten an ein Konzentrationslager. Es dürften vor allem diese Bilder gewesen sein, die später einige Schüler vom eindrücklichsten Erlebnis der Fahrt sprechen ließen.