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Iraker muss über acht Jahre in Haft

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Ein Iraker wurde wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht in Gießen zu über acht Jahren Haft verurteilt. Das Opfer war seine eigene Frau. Symbolfoto: Czernek © Barbara Czernek

Nach einer Messerattacke im Auto muss ein Iraker wegen versuchten Totschlags für über acht Jahre ins Gefängnis. Seine Frau war das Opfer.

Kreis Gießen (bcz). «In diesem Fall haben alle verloren: Die Kinder sind schwer traumatisiert, die Mutter wurde schwer verletzt, der Vater sitzt im Gefängnis und die Familie ist zerbrochen.« Dieses traurige Fazit zog die Vorsitzende Richterin Regine Enders-Kunze, nachdem die siebte große Strafkammer des Landgerichts Gießen den Angeklagten zu acht Jahren und drei Monaten Haft wegen versuchten Totschlags in Verbindung mit schwerer Körperverletzung verurteilt hatte. Damit schloss sich das Gericht nicht dem Staatsanwalt an, der eine Verurteilung wegen versuchten Mordes erwirken wollte.

Eheprobleme lösen Raserei aus

Ein Iraker und seine Ehefrau hatten schwere Eheprobleme. Eine Trennung stand bevor. Das gipfelte nach Feststellung des Gerichts im Juli 2021 während einer Autofahrt in einer emotionalen Raserei. Der 34-Jährige stieß während der Fahrt im Auto mehrmals mit dem Messer zu. Seine Frau konnte sich nur mit einem beherzten Sprung aus dem Auto retten und landete im Straßengraben nahe Staufenberg-Treis.

Eine Autofahrerin, die den Vorfall mitbekam, leistete Erste Hilfe und rettete der damals 29-jährigen Frau höchstwahrscheinlich das Leben. Deren Stichverletzungen waren sehr tief und damit lebensbedrohlich gewesen. Mit einer Notoperation im Krankenhaus wurde ihr Leben gerettet. Das Geschehen hatte damals die zweijährige Tochter auf dem Rücksitz miterlebt.

Der Täter setzte sich danach mit seinen insgesamt drei Kindern ins Ausland ab und konnte erst Wochen später an der bulgarischen Grenze festgenommen werden.

Nach langwierigen bürokratischen Hürden konnten auch die Kinder aus Bulgarien zu ihrer Mutter zurückkehren, bei der sie seitdem leben.

Der Messerattacke war ein Streit zwischen den Eheleuten im Auto vorangegangen, der immer mehr eskalierte.

Eine solche Tat hat immer auch eine Vorgeschichte, die im Rahmen der Verhandlungstage ausgiebig erörtert wurde. Das Opfer heiratete den späteren Täter 2007 mit gerade einmal 14 Jahren. Rückblickend sprach sie vor Gericht von einer Zwangsehe. 2014 entschied sich das Ehepaar samt seiner beiden Kinder, sich auf den Weg in Richtung Westen zu machen. Als Grund für seine Auswanderung nannte der Angeklagte am gestrigen Verhandlungstag, dass seine Schwester, die mittlerweile in den USA lebt, für das amerikanische Militär arbeiten würde und er Angst vor Repressalien gehabt habe. In Deutschland kam das jüngste Kind zur Welt.

Gewalt in der Familie

Die Ehe war immer wieder von Gewalt geprägt, teilweise musste auch das Jugendamt einwirken. Einige Wochen vor der Tat trennte sich die Frau endgültig von ihrem Mann. Die jüngste Kind blieb bei ihr und sie absolvierte einen Kosmetikerinnenkurs. In dieser Zeit passte ihr heutiger Ex-Mann auf die Kinder in seiner Wohnung auf. An jenem verhängnisvollen Freitag im Juli des Vorjahres sollte er ihr die jüngste Tochter abends zurück bringen. Er kam, jedoch ohne die Tochter. Daher fuhren sie gemeinsam zu der Wohnung des Angeklagten.

Dort soll es noch zu einem nicht einvernehmlichen Beischlaf zwischen Beiden gekommen sein, der jedoch kein weiterer Bestandteil des Verfahrens mehr war. Das Geschehen ließ sich nicht mehr so eindeutig nachweisen. Das Verfahren wurde daher im gestrigen Urteil eingestellt. Als sie später gemeinsam mit der Tochter im Auto saßen, entbrannte jedenfalls ein bitterer Streit, in dessen Verlauf der Mann zustach. Der Schilderung des Opfers, das als Nebenklägerin auftrat, schloss sich das Gericht an. Anhand dieser Fakten hatte Staatsanwalt Klaus Bender den Tatbestand des versuchten Mords in Zusammenhang mit gefährlicher Körperverletzung als erwiesen angesehen und eine zehnjährige Freiheitsstrafe gefordert. Die Kammer bliebt dann unter diesem Strafmaß

Ehemann spricht von Notwehr

In der Version des Angeklagten hatte sich zuvor das Tatgeschehen noch deutlich anders angehört. Er behauptete, dass ihn seine Frau mit dem Messer während der Fahrt angegriffen habe. Er habe sich lediglich gewehrt, so seien die Verletzungen zustande gekommen. Sein Verteidiger Alexander Hauer stellte daher zwei Anträge. Wenn das Gericht der Schilderung der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin folgen würde, dann beantrage er eine Freiheitsstrafe von vier Jahren.

Wenn das Gericht jedoch der Version des Angeklagten Glauben schenken würde, plädiere er auf Freispruch, da sein Mandant sich dem Angriff durch Notwehr entzogen habe. Dieser Version schenkte die Kammer jedoch keinen Glauben, da es zu viele Unstimmigkeiten dazu gab.

Keine Heimtücke angenommen

Allerdings fehlte der Kammer notwendige Mordmerkmale wie Heimtücke und Arglosigkeit, weshalb sie die Tat als Totschlag bewertete und das Strafmaß um 19 Monate verringerte.

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