Jäger fühlen sich gegängelt

Helmut Nickel, Vorsitzender der Jägervereinigung Oberhessen, befürchtet die »Demontage« der Hegegemeinschaften. Die Jäger sind sauer auf die Landespolitik.
Kreis Gießen . Die neue hessische Jagdverordnung (HJagdV) ist in Kraft getreten. Die Jäger sind verärgert und fühlen sich gegängelt. Sie befürchten, dass eine weitere Landesbehörde installiert und damit mehr Einfluss auf die Jagd genommen wird. Die Hegegemeinschaften vor Ort würden damit geschwächt.
Die Waidmänner- und -frauen sprechen sogar von »Entmachtung« dieser Gruppierungen. Vor diesem Hintergrund hatte die Jägervereinigung Oberhessen um den Grünberger Helmut Nickel den CDU-Landtagsabgeordneten Michael Ruhl, der als Sprecher für Forsten und Naturschutz agiert, kürzlich in die Gallusstadt eingeladen.
Vor der Veröffentlichung der neuen Jagdverordnung hatte es einen offenen Brief an Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) gegeben. Darin war beanstandet worden, dass der Grundentwurf »die Bindung des Jagdrechtes an Grund und Boden, die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes und das deutsche Reviersystem Schritt für Schritt demontiert« werde. Der von der Jägervereinigung Oberhessen formulierte Brief wurde von 15 weiteren Organisationen als Erstunterzeichner unterstützt.
Naturschutz mit mehr Gewicht
Der Verordnungs-Entwurf postuliere erstmals »die Hege und Bejagung des Feld- und Raubwildes unter Beachtung naturschutzfachlicher Belange.« Damit würden nicht mehr die Jagdausübungsberechtigten und Jagdrechtsinhaber über Hege und Bejagung entscheiden, sondern der behördliche Naturschutz übernehme in Hessen schrittweise die Hoheit über die jagdliche Nutzung und die Ausübung des Jagdrechts.
Vorsitzender Nickel (Grünberg) meinte, dass die CDU ihrem Koalitionspartner, den Grünen, Zugeständnisse mache, die so nicht hinnehmbar seien. »Vieles an Ärger hätte man vermeiden können, wenn wir frühzeitig eingebunden worden wären«, räumte der Landtagabgeordnete Ruhl ein und auch, dass es sich um einen Kompromiss zweier Koalitionspartner handele, »die bei Umweltfragen unterschiedliche Meinungen haben. Die Knackpunkte haben wir abräumen können wie die ganzjährige Schonzeit von Feldhase und Rebhuhn. Beim Feldhasen bleiben wir beim aktuellen Stand und beim Rebhuhn wird es eine kleine Verschärfung geben, aber die Jagdzeit bleibt. In der Praxis dürfte die Verschärfung keine große Veränderung erbringen. Wir haben eine leichte Verbesserung bei der Bejagung von Nilgänsen und Rabenkrähen. Auch die Schießleistung bei der Jagdprüfung wird zwar verschärft, doch nicht so stark wie es zunächst vorgesehen war«, skizzierte Ruhl die Änderungen.
Kritik gab es jedoch vor allem an der veränderten Stellung der Hegegemeinschaften, welche nach Auffassung der Jägervereinigung durch die neue JVO »entscheidend geschwächt wird«. Bestimme die aktuelle JVO, dass Hegegemeinschaften »zu bilden sind«, so wird dies in der neuen JVO dahingehend abgeschwächt, dass die Beteiligten Hegegemeinschaften bilden sollen.
»Es gibt keine Schwächung der Hegegemeinschaften. So lange es eine Vereinsstruktur ist, bleibt es bei der bisherigen Verbindlichkeit. Gleiches gilt auch für die Satzung. Ich kann einem privaten Verein keine bestimmte Satzung vorschreiben. Hegegemeinschaften sollen nicht ausgedünnt oder ausgehöhlt werden. Ich bin froh, dass das Paket jetzt so steht. Das Jagdgesetz wird bis zum Ende der Legislaturperiode nicht angepackt«, entgegnete ihm Ruhl. Die Jäger möchten allerdings nicht, dass die Hegegemeinschaften von der Unteren Jagdbehörde bestimmt werden. »Das wäre wie eine Zwangsmitgliedschaft«, stellte ein Jäger klar.
Eine Jägerin, Annemarie Schwintukowski, machte deutlich, dass es sich bei einer Hegegemeinschaft um einen privatrechtlichen Zusammenschluss handele und diese sich ihre Satzung selbst gebe. Dies sei auch so im Hessischen Jagdgesetz geregelt. »Es ist vorgegeben, wer Pflichtmitglied ist. Im Gesetz steht alles drin, weshalb brauchen wir einen Kompromiss? Mit der Mustersatzung versucht sich das Ministeriums eine Kompetenz anzumaßen, die dem Ministerium nicht zusteht«, betonte sie unter Beifall der zahlreichen Teilnehmer.
Im Hessischen Jagdgesetz seien die »geborenen« Mitglieder der Hegegemeinschaft im Einzelnen klar aufgeführt. Die Veränderung führe dazu, dass die Bejagung des Raub- und Federwildes »von naturschutzfachlichen Managementplänen abhängig gemacht wird. Dies wäre aber eine Abkehr von der Bindung des Jagdrechts an Grund und Boden und vom Reviersystem. Jagdrechtsinhaber und Jagdausübungsberechtigte würden die gemeinsame Verantwortung für die Wildlebensräume, für das Wild und seine Bejagung tragen.
»Das was herausgekommen ist, ist nicht das Optimale, aber aufgrund des Kompromisses wurden die gröbsten Schnitzer ausgemerzt«, unterstrich Ruhl und sprach davon, dass die Änderungen akzeptabel seien. Dem widersprach Nickel, der eine Aushöhlung des Jagdrechtes durch die Verordnung fürchtet. Dies könne keinesfalls hingenommen werden. Die Hegegemeinschaften als Basisorganisationen und der Landesjagdverband als landesweite Interessenvertretung würden weiter demontiert. »Begonnen hat diese Demontage schon mit der ersten JVO von 2016, die dem Jagdverband eine Reihe seiner traditionellen Aufgaben entzogen hat. Nun sind die Hegegemeinschaften an der Reihe. Dagegen wehren wir uns. Und sollte dies alles so wie angekündigt umgesetzt werden, werden wir dagegen klagen«, so Nickel.
Die Änderung der Jagdverordnung berücksichtige nun, dass Hegegemeinschaften Vereine sind und somit dem Privatrecht unterliegen würden, heißt es seitens der Unteren Jagdbehörde des Kreises. Die Hegegemeinschaften könnten an der Abschussplanung mitwirken, sie seien hierzu jedoch nicht verpflichtet. Ferner könnten sie bei festgestellten Notzeiten ein Fütterungskonzept erstellen.
Weitere fakultative Aufgaben seien zum Beispiel die Erstellung von Lebensraumgutachten, das Hinwirken auf die Durchführung revierübergreifender Jagden und die Mitwirkung am Wildmonitoring. Die neue Verordnung trage dem Zustand nun dahingehend Rechnung, dass die Hegegemeinschaften diese Aufgaben wahrnehmen können, nicht jedoch müssen.
Die Untere Jagdbehörde (UJB) schätzt jedenfalls die Expertise der Hegegemeinschaften vor Ort sehr und setzt auch weiterhin auf eine gute Zusammenarbeit, heißt es aus dem Kreishaus.
Bereits einmal gescheitert
Jagdgenossen und Jäger hatten im Vorjahr eine Niederlage vor Gericht hinnehmen müssen, nachdem Betroffene gegen die zuvor geltende Jagdverordnung vorgegangen waren. Der hessische Verwaltungsgerichtshof beanstandete die Normen nicht. Es ging hier um Beschränkung der Jagdzeiten für adulte Waschbären und Füchse, für Elstern und Rabenkrähen sowie gegen Einschränkungen für die Bejagung von Feldhasen. Die Einschränkungen des Jagdrechts seien aus Gründen des Tierschutzes gerechtfertigt, meinten die Richter.
Für Wildarten des Rot-, Dam- und Muffelwildes sieht das Bundesjagdgesetz die Bildung von Hegegemeinschaften vor. Sie sind ein freiwilliger Zusammenschluss und erhalten einen einheitlichen Wild-Abschussplan. Er ist im Einvernehmen mit den Jagdgenossenschaften, einem gesetzlichen Zusammenschluss der Flächeneigentümer im Jagdbezirk oder Inhabern von Eigenjagdbezirken aufzustellen. Mitglieder der Hegegemeinschaften sind Jäger und Vertreter des zuständigen Forstamtes wie auch die Jagdgenossen. Zudem können fachkundige Personen aufgenommen werden. Entsteht keine Hegegemeinschaft kann die Jagdbehörde diese Funktion von Amts wegen übernehmen. (ww)
