Kein Wander-Kreistag mehr?
Kreis Gießen (twi). Was kostet eigentlich eine Kreistagssitzung? Darüber wurden kürzlich die Mitglieder des Finanzausschusses um Annette Bergen-Krause (SPD) aufgeklärt. Der Kreistag ist ein sogenanntes »Wanderparlament«, will heißen, tagt an unterschiedlichen Orten. Hierzu sollte ein Vergleich zu den Kosten an einem festen Standort gezogen werden.
Der Stabsstellenleiter der Kreisgremien, Thomas Euler, erklärte, dass ohne Personalkosten vor der Pandemiezeit durchschnittlich 9520 Euro einzukalkulieren waren. Aktuell werden wegen des Mehraufwandes für das Hygienekonzept 11 430 Euro fällig.
Nach der Pandemiezeit geht Euler angesichts allgemeiner Preissteigerungen von 10 000 Euro pro Kreistags-Sitzung aus. Im Falle einer Live-Übertragung im Internet, über die zurzeit diskutiert wird, würden die Kosten um geschätzte 2000 bis 3000 Euro steigen.
Die Arbeitszeit, die für die Vor- und Nachbereitung und für die eigentliche Kreistagssitzung anfällt, wurde nicht berücksichtigt.
Die Hauptarbeit im Zusammenhang mit einer Kreistagssitzung wird von einem Beamten mit Besoldungsgruppe A 13 geleistet. Hinzu kommen noch die Sitzungsassistenz, Tarifbeschäftigte für den Auf- und Abbau und während der Corona-Pandemiezeit auch noch ein Beschäftigter zur Einlasskontrolle. Diese Tätigkeiten müssten bei allen Sitzungen geleistet werden, egal ob »Wanderparlament« oder »fixer Sitzungsraum«.
Fester Ort oder weiter wechseln?
Ob ein fester Sitzungsort niedrigere Kosten verursacht? Ein fester Tagungsort hätte den Vorteil, dass dort Unterlagen und sonstiges Equipment vorab hingeschafft oder gelagert werden könnte. Es würden in diesem Fall Transportkosten von 40 Euro für An- und Abtransport zuzüglich Mehrwertsteuer entfallen, ebenso auch die Vorbesprechung mit Wirt und Hausmeister vor Ort.
Die Frage, ob Räumlichkeiten für eine dauerhafte Ausrichtung einer Kreistagssitzung bereits geprüft wurden, beantwortet Euler damit, dass es von 1960 bis 1969 einen festen Sitzungssaal in der Kreisverwaltung in der Ostanlage gab, in welchem gerade einmal 18 Sitzungen mit den seinerzeit 37 bis 40 Kreistagsabgeordneten stattfanden.
Auch in jener Zeit tagte der Kreistag in 25 Fällen außerhalb in den Städten und Gemeinden als »Wanderparlament«.
Aktuell sei die Zahl geeigneter Sitzungsstätten rar. Das beliebte Bürgerhaus in Lich werde saniert. Sitzungsstätten würden aber von den Bürgermeistern nicht mehr zur Verfügung gestellt, weil diese den Nutzungskonflikt mit örtlichen Vereinen scheuten wie etwa bei Nutzung der Stadthalle Linden. Zudem fühlten sich einige Wirte nicht in der Lage, eine Kreistagssitzung zu bewirten, wie im Bürgerhaus Rodheim-Bieber und der Mehrzweckhalle Krofdorf-Gleiberg. Die Sitzungsstätte in der Heuchelheimer Turnhalle könne nicht mehr genutzt werden, weil durch innerörtliche Bebauung zahlreiche Parkplätze entfallen sind.
In einigen Bürgerhäusern könne eine Sitzordnung so wie der Kreistag sie brauche, gar nicht umgesetzt werden, wie etwa im Bürgerhaus Lollar oder die Kommune richte sich nicht nach den Kreisvorgaben wie in Kleinlinden und Allendorf/Lda.
Viele früher genutzte Sitzungsstätten hätten keine Bewirtung mehr, wie etwa die Volkshalle in Watzenborn-Steinberg, das Bürgerhaus in Lang-Göns oder die Sport- und Kulturhalle in Laubach.
Drei Standorte besonders geeignet
»Es gibt keinen optimalen Sitzungsraum«, sagte Euler, denn folgende Kriterien müssten erfüllt sein: Ausreichend großer Sitzungsraum für das Plenum, ausreichende Anzahl an Fraktionssitzungsräumen, ausreichend Parkplätze und gute ÖPNV-Anbindung, gute Bewirtungsmöglichkeit und zudem sollte die Anmietung kostenlos oder günstig sein.
Am geeignetsten als Sitzungsstätte nannte Euler das Kulturzentrum »Am Schlosspark« in Großen-Buseck, die Stadthalle Hungen und die Gallushalle in Grünberg, die alle in der Vergangenheit kostenlos angemietet werden konnten.
Bei Kreistagssitzungen im Stadtverordnetensitzungssaal des Gießener Rathauses wurden seinerzeit optional Sitzungen des Kreistags (81 Abgeordneten-Plätze sowie Plätze für den Kreisausschuss) eingeplant. Diese Sitzungsstätte sei optimal, allerdings gebe es bei Sitzungen am frühen Nachmittag Parkplatzprobleme und ein Bewirtungsverbot im Sitzungssaal.
Plenarsaal am Kreishaus ideal
Ideal wäre daher ein Plenarsaal direkt vor Ort. Dann könnten vormittags bereits die Sitzungsunterlagen verteilt und die Nähe zur Kreisverwaltung genutzt werden.
Im Rahmen eines möglichen Erweiterungsbaus zwischen den Häusern C und D der Kreisverwaltung am Riversplatz sei ein Saalneubau geprüft, aber »als zu kostenintensiv« eingestuft worden.
Eine weitere denkbare Möglichkeit wäre die Anmietung der Riversbarracks-Sporthalle. Allerdings müsste dann die Kreisverwaltung das Sitzungsmobiliar beschaffen, welches laut aktueller Kostenerhebung rund 47 000 Euro betragen würde.
Den Bericht erhielten die Hauptausschuss-Mitglieder zur Kenntnis. Befassen soll sich damit auch der Ältestenrat.