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Keine Erfolgschancen

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Von: Thomas Wißner

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Eine Transportkiste voller Akten, doch keine Aussicht auf Erfolg vor dem Verwaltungsgericht. Foto: Wißner © Wißner

Schon lange steht es, das Logistikzentrum auf der Langsdorfer Höhe, das in Lich zu Verwerfungen führte. Jetzt wurde der letzte Prozess um das Gewerbegebiet mit einer Klagerücknahme beendet.

Kreis Gießen (twi). Das Gewerbegebiet »Langsdorfer Höhe« hat die Licher gespalten und vor Ort neue Bündnisse hervorgerufen. Das Wayfair-Riesen-Logistikzentrum ist dennoch längst umgesetzt. Ein Nachspiel der »Unbeugsamen«, wie sie sich selbst bezeichnen, gab es jetzt vor dem Verwaltungsgericht. Trotz der vielen Akten, die in der Transportkiste zum Gericht getragen wurden, war gleich klar, dass das Verfahren keinerlei Chancen auf Erfolg hat. Das sah die Klägerin auch ein und zog ihre Klage zurück.

Die Licher Tierärztin Cornelia Konrad hatte gegen den Bebauungsplan im Bereich geklagt. Der vorsitzende Richter der ersten Kammer, Dr. Marvin Waldvogel, machte jedoch gleich deutlich, dass die Klage bereits unzulässig ist, denn es gebe keine Betroffenheit der Klägerin, die notwendig ist, damit das Gericht überhaupt genau prüft, ob eines ihrer Rechte verletzt ist.

»Wir sind die Unbeugsamen« hatte noch vor Beginn der Verhandlung der Rechtsbeistand der Tierärztin betont. Da die Bauaufsicht des Kreises die Baugenehmigung erteilt hatte, war sie Klagegegnerin im Verfahren.

Mit dem Satz »Ich nehme die Klage zurück« beendete nach 93 Minuten die Klägerin die Verhandlung, nachdem ihr Waldvogel mit Verweis auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom vergangenen Jahr erläuterte hatte: »Sie sind Teil der betroffenen Öffentlichkeit, das zieht Rechtsfolgen nach sich, aber sie haben keine eigenständige Klagebefugnis«.

Umweltverbände dürfen vor Gericht

Bürger könnten sich nicht auf Habitatsschutzvorschriften berufen. Selbst wenn alle fehlten, müsse dies eine Umweltvereinigung geltend machen. Der Bau des Logistikzentrums könne nicht gerügt werden, da es kein Recht eines Drittbetroffenen durch Verwaltungsverfahren gebe. »Sie können nur geltend machen, dass es zu laut oder unzumutbare Lichtverhältnisse oder der Abstand nicht stimme. Nur Normen, die ihrem Schutz dienen. Darauf allein kommt es an«, unterstrich der Richter. Nach einer kurzen Beratung zog Konrad die Klage zurück und meinte: »Ein Vorteil hat’s, man wird nicht dümmer. Ich glaube auch, dass so ein Logistikzentrum weit und breit hier nicht mehr gebaut wird«. Und ihr Rechtsbeistand, ebenfalls ein Licher, Jürgen Schellenberg, empfahl anderen: »Leute, macht es nicht selbst, wendet euch an eine Organisation«.

Zur Chronologie der Klage hatte Waldvogel angeführt, dass bereits im Juni 2020 und Mai 2021 die Erste Kammer einen gegen die Baugenehmigung gerichteten Eilantrag der Klägerin mit der Begründung abgelehnt hatte, dass diese nicht antragsbefugt sei. Die geltenden Lärm-Immissionsrichtwerte seien eingehalten. Im Übrigen berufe sich die Klägerin allein auf Normen, die nicht ihrem Schutz als Nachbarin dienten.

Im November 2018 hatten Lichs Stadtverordnete grünes Licht für die Langsdorfer Höhe gegeben. In der Bevölkerung regte sich Widerstand und es kam zu großen Protesten. Alle Versuche, den Bau auf juristischem Weg zu verhindern, scheiterten.

Es war dies nun der letzte noch im Zusammenhang mit dem Bau des Logistikzentrums stehende Prozess, in welchem die Klägerin im Wesentlichen das Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung ebenso wie Auswirkungen der Halle auf die Frischluftzufuhr und die Versickerung von Wasser sowie Lärm- und Lichteinwirkungen auf ihr Grundstück und die Tierwelt monierte.

»Vergewaltigung einer Landschaft«

»Es kann doch nicht sein, dass ein Bauantrag für ein Einfamilienhaus sechs Monate dauert und so ein Projekt bei der Bauaufsicht in drei Monaten durchgewunken wird«, beanstandete die Klägerin die aus ihrer Sicht erfolgte »Vergewaltigung der Langsdorfer Höhe«. Hier seien 20 Hektar komplett versiegelt worden, trotz Trinkwasserschutzgebiet. Es habe auf der Planungsebene Fehler gegeben. Das Parlament habe sich vom Investor über den Tisch ziehen lassen, und die Bauaufsicht hat hier versagt«, meinte Schellenberg.

Zum FFH-Gebiet, Natura2000 und auch das östlich angrenzende Vogelschutzgebiet Wetterau, zu alledem sei in der Begründung zum Bebauungsplan seitens der Baubehörde nichts zu finden gewesen, kritisierte der Klägerinvertreter. »Da hätte nie irgendetwas gebaut werden dürfen. Es geht um Naturschutz und wir in Lich sind die Betroffenen. Es wurde kein Umweltverträglichkeitsgutachten erstellt, obwohl es zwingend gesetzlich vorgeschrieben ist. Das ist nicht erfolgt«, so Schellenberg. »Es ist Unsinn«, dass kein Abstand zu Natura2000-Gebieten einzuhalten gewesen sei, allein aufgrund der Schutzziele.

Demgegenüber machte Rechtsanwalt Joachim Krumb als Vertreter der Eigentümer´ deutlich, dass ein vollständiger und einwandfreier Umweltbericht erstellt worden sei. Er räumte gegenüber der Klägerin ein, dass sie Lichtimmissionen ausgesetzt sei, allerdings stelle sich dann die Frage der Zumutbarkeit.

»Richtig, ihnen wird Erhebliches zugemutet. Allerdings kann ich das nicht nachvollziehen, wenn Leute im Industriegebiet ihre Wohnungen haben und dann darauf verweisen, sie wollen den Schutzstatus eines Wohngebietes erlangen«.

Als Vertreter des beklagten Landkreises verwies Sascha-Frank Loubal auf eine weitere Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs aus 2020, der die Beschwerde einer anderen Anwohnerin, deren Grundstück näher am Logistikzentrum liegt, ebenfalls wegen fehlender Antragsbefugnis zurückgewiesen hatte.

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Mit einer Klagerücknahme enden die Streitigkeiten um das Logistikzentrum »Langsdorfer Höhe«. Foto: Wißner © Wißner

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