Komplexes Betrugskonstrukt

Die Beamten des RP Mittelhessen und von Finanzämtern hatten früh den Verdacht, dass ihnen Scheinrechnungen vorgelegt wurden. Steuerberater im Kreis Gießen sind jetzt im Visier der Fahnder.
Kreis Gießen (ww/red). 3,3 Millionen Euro soll der Schaden betragen. Ämter verhinderten noch Schlimmeres, denn weitere 7,5 Millionen Euro an Überbrückungshilfen in Corona-Zeiten standen kurz vor der Auszahlung. Die Staatsanwaltschaft in Frankfurt machte jetzt auf einen bandenmäßigen Subventionsbetrug aufmerksam (der Anzeiger berichtete), in den drei Steuerberater im Kreis Gießen verwickelt sein sollen.
Umfangreiche Duchsuchungen
Es gab bereits in der ersten Hälfte des Jahre umfangreiche Durchsuchungen. Es stehen zudem 21 Firmen im Verdacht, Scheinrechnungen ausgestellt und an die Steuerberater weitergereicht zu haben, betonte der leitende Oberstaatsanwalt Georg Ungefuk auf Anfrage. Die Dienstleistungen wurden allerdings gar nicht erbracht. Die fingierten Rechnungen dienten dazu, Ausgaben nachzuweisen, um sich an Corona-Ausgleichzahlungen für Umsatzeinbrüche unberechtigt zu bereichern. Laut Recherchen des Hessischen Rundfunks hätten mehr als 70 Kleingewerbetreibende und Gastronomen in den Jahren 2020 und 2021 so Steuerzahler-Gelder eingestrichen. Immerhin gegen 21 Unternehmer, die die dubiosen Rechnungen ausgestellt haben sollen, wird im Raum Offenbach und Gießen ermittelt.
Aufgefallen war die Masche dem Regierungspräsidium in Gießen und Finanzämtern, die für die Überbrückungshilfen zuständig sind. Ihn gingen die Anträge von Steuerberatern zu, die gesetzlich zur Antragstellung für ihre Klientel zuständig sind. »Das Konstrukt ist durchaus komplex«, erklärte dann auch Ungefuk, da drei Gruppen beteiligt waren.
Die verdächtigten Steuerberater hätten die Koordination übernommen, die 22 Unternehmer die Rechnungen ausgestellt und die Antragstellenden an den Fördermitteln partizipiert. Das Ganze sei auch aus Schwarzarbeitskreisen bekannt. Hier beauftrage derjenige, der die Schwarzarbeit anbiete, ein Subunternehmen, das ihm Rechnungen für nie geleistete Arbeiten ausstelle, die dann beim Finanzamt eingereicht würden.
Unstimmigkeiten früh entdeckt
Der Anzeiger befragte auch das Regierungspräsidium Gießen, das die Anträge auf Überbrückungshilfen hessenweit bearbeitet, zum Fall. Hier halfen auch Kollegen von Finanzämtern bei der Prüfung. Es seien Unstimmigkeiten aufgefallen. »Das hatte zur Folge, dass mit einer genaueren Antragsprüfung begonnen und Belege angefordert wurden. Bei diesen Belegen ist den im Projekt eingesetzten Finanzbeamten aufgefallen, dass es sich gegebenenfalls um Scheinrechnungen handeln könnte. Es sind immer mehr auffällige Rechnungen gefunden worden. Deshalb haben wir Kontakt mit dem Hessischen Landeskriminalamt sowie der Generalstaatsanwaltschaft aufgenommen und es wurden Ermittlungen eingeleitet«, erklärt RP-Pressesprecher Oliver Keßler.
Gerade die Finanzbeamten hätten viel Erfahrung im Erkennen von Scheinrechnungen und auch eigene Ermittlungsmöglichkeiten.
Eigentlich schon von Anfang an seien Rechnungen auffällig gewesen. »Als wir die ersten gesehen hatten, tauchten diese in immer mehr Anträgen auf und immer bei den gleichen prüfenden Dritten«, betonte Keßler.
Auf Betrug in einem besonders schweren Fall können bis zu zehn Jahren Haft verhängt werden, mindestens jedoch sind es sechs Monate.