Benefizkonzert für "Musik statt Straße" in Annerod
"Die Armut ist endlos", sagt Georgi Kalaidjiev über das Ghetto "Nadeshda" in seiner bulgarischen Heimatstadt Sliven. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Maria Hauschild hat der Geiger daher vor zehn Jahren das Projekt "Musik statt Straße" ins Leben gerufen.
Von Eva Pfeiffer
Georgi Kalaidjiev (links) und Rolf Klingmann freuen sich auf das Benefizkonzert für "Musik statt Straße". Foto: Pfeiffer
Jetzt teilen:
Jetzt teilen:
ANNEROD - "Die Armut ist endlos", sagt Georgi Kalaidjiev über das Ghetto "Nadeshda" in seiner bulgarischen Heimatstadt Sliven. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Maria Hauschild hat der Geiger daher vor zehn Jahren das Projekt "Musik statt Straße" ins Leben gerufen. Kinder, die in Armut und Hoffnungslosigkeit aufwachsen, erhalten hier nicht nur Essen und Nachhilfeunterricht, sondern lernen auch, Musikinstrumente zu spielen - und einige von ihnen haben sich dabei als so große Talente herausgestellt, dass sie bereits im Konservatorium in Burgas aufgenommen wurden, erzählt Kalaidjiev im Gespräch mit dem Anzeiger sichtbar stolz.
Finanziert wird das Projekt über Spenden. Gemeinsam mit dem "Multikulturellen Orchester" lädt Kalaidjiev daher regelmäßig zu Benefizkonzerten ein - so auch für den 8. März in die evangelische Kirche in Annerod. Ab 19.30 Uhr will das Orchester die Besucher mit internationaler Folkloremusik begeistern. Die Konfirmandin Lizan Auernigg wird für musikalische Klänge am Klavier sorgen und auch Martin und Manuela Gärtner haben sich angekündigt. Zudem sind Überraschungsgäste vorgesehen, Gespräche laufen derzeit noch. Der Eintritt ist frei, es wird um Spenden gebeten.
"Wir hoffen auf ein gutes Ergebnis", sagt Pfarrer i.R. Rolf Klingmann, der das Projekt seit Jahren unterstützt und mithilfe seiner gedruckten Faschingspredigten in den vergangenen Monaten (der Anzeiger berichtete) bereits mehr als 3000 Euro Spenden gesammelt hat. Mit dem Geld soll der für August geplante Besuch von 16 Kindern und Jugendlichen aus Sliven im Kreis Gießen mitfinanziert werden. Die Gäste werden in der Jugendherberge übernachten, mehrere Konzerte im Landkreis geben und auch Gera, der Partnerstadt von Sliven, einen Besuch abstatten.
Spenden im Anhänger
"Es gibt viele unterstützenswerte Projekte", so Klingmann. Durch Kalaidjievs regelmäßige Fahrten nach Sliven habe man aber den "allerdirektesten Draht" und könne sich sicher sein, dass das Geld an der richtigen Stelle ankomme. Mehrmals im Jahr fahren Kalaidjiev und Hauschild in ihrem VW Bus mit Anhänger über 2000 Kilometer in Richtung Bulgarien. Der Anhänger ist dabei stets voll beladen mit Sachspenden. "Unser Dachboden ist schon jetzt gefüllt für die nächste Fahrt", erzählt Kalaidjiev und lacht.
Angekommen in Sliven besucht der Geiger auch stets die Schulen, die die durch das Projekt geförderten Kinder besuchen und spricht mit den Direktoren über die Leistungen der Schüler. "Das positive Feedback, das wir dort bekommen, ist die beste Belohnung." Als eine Art "Gegenleistung" für die Unterstützung werden von den Kindern und Jugendlichen gute Schulnoten erwartet. Bleiben diese aus, kann das auch das Aus der Förderung bedeuten - denn das Interesse an dem Projekt ist groß. Weitere Kinder stehen bereits in der Warteschlange. Mehr als 250 Kinder habe man in den vergangenen zehn Jahren bereits gefördert, erzählt der langjährige Geiger des Stadttheaters Gießen. Talent alleine sei dabei aber nicht entscheidend, es komme auch auf die Motivation an.
Dass das Projekt funktioniert, liege vor allem an der Unterstützung aus Deutschland. Von hier kommen nicht nur Geldspenden, auch Instrumente können Kalaidjiev und Hauschild aus Annerod nach Rumänien transportieren. Dort laufe er meist gegen Mauern, wenn er sich um Unterstützung von offizieller Seite bemühe, erzählt der Geiger. Vor Jahren habe ihm der Bürgermeister vor Ort einen Raum für den Unterricht versprochen. Doch bekommen habe er ihn bis heute nicht, obwohl über das Projekt auch in rumänischen Medien berichtet wird. Die Kinder lernen daher nach wie vor in der umgebauten Garage, in der vor zehn Jahren alles begonnen hat. Mithilfe von Spendengeldern konnte über der Garage ein neuer Orchesterraum gebaut werden, der im vergangenen Jahr eingeweiht wurde.
Dass das Projekt überhaupt realisiert wurde, lag auch an Maria Hauschilds 2008 verstorbenem Vater. Einen Umschlag voller Geld hatte die Familie nach dessen Tod gefunden. Darauf zu lesen: "Für arme Kinder". Das Geld verteilten Kalaidjiev und Hauschild bei einer Reise nach Sliven an hungernde Kinder in den Straßen und in dem Armenghetto "Nadeshda".
Patriarchalisches Denken
Doch diese schnelle Hilfe füllte zwar die Mägen, war aber nicht nachhaltig - im Gegensatz zu "Musik statt Straße", wie Kalaidjiev betont. Die Kinder hätten nicht nur eine sichere Anlaufstelle, ihnen würden auch Perspektiven aufgezeigt. Was vor allem Kalaidjievs Lebensgefährtin freut: Auch Mädchen werden gefördert - und das, so der Geiger, sei in seiner patriarchalisch geprägten Heimat keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Bei den Eltern der Mädchen müsse man daher mitunter Überzeugungsarbeit leisten, damit der Nachwuchs überhaupt teilnehmen darf. Denn "auch die Musik ist meist den Männern vorbehalten."