Das Gelände des Kohortenkastells "Alteburg-Arnsburg" ist nur in Teilen ausgegraben. Anschauen kann man es sich jetzt trotzdem - dank Bodenradar und 3D-Modell.
Von rrs
So sieht es aus, das neue 3D-Aluminiumsandguss-Geländemodell vom römischen Kohortenkastell "Alteburg-Arnsburg" zwischen Kloster Arnsburg und Muschenheim. Foto: Rose-Rita Schäfer
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LICH - Was nur wenige wissen: Lich ist eine Weltkulturerbe-Stadt. Zwischen dem Kloster Arnsburg und Muschenheim liegt auf einer Hochfläche 15 Meter über der Mündung des Welsbach das nördlichste römische Kohortenkastell "Alteburg-Arnsburg", das seit 2005 als Abschnitt des Obergermanisch-Raetischen Limes zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Es wurde um das Jahr 90 unter Kaiser Domitian als Holz-Erde-Kastell errichtet und in der Mitte des zweiten Jahrhunderts als Steinkastell mit rechteckigem Grundriss - circa 185 Meter lang und 161 Meter breit - ausgebaut. Die Besatzung für die 2,9 Hektar waren nacheinander drei unterschiedliche teilweise berittene Kohorten von je 500 Mann Stärke. Legionäre waren nicht stationiert, sondern Hilfstruppen aus Aquitanien (Südwest-Frankreich) und Dalmatien, die später durch Männer aus den heimischen Provinzen ergänzt wurden. Besetzt blieb das Kastell bis zum Fall des Limes um das Jahr 260.
Am Samstagmorgen wurde in einer kleinen Feierstunde mit etlichen Honoratioren und rund 30 interessierten Bürgern auf dem Kastellgelände das neue 3D-Aluminiumsandguss-Geländemodell, geschaffen von der Firma Tural in Wiesbaden, eingeweiht. Wichtige Vorarbeiten wie die archäologische Expertise, die Interpretation der Geophysik und ein digitales 3D-Rohmodell stammen von Florian Hermann.
Das Modell zeigt das mit seinen 2,9 Hektar fast an die Saalburg heranreichende Kohorten-Kastell "Alteburg-Arnsburg", das zugehörige Vicus (Lagerdorf), die beiden Badehäuser, das Amphitheater und das riesige Gräberfeld an der Römerstraße in Richtung Münzenberg.
Bodenradar
Das Gelände wurde nur in Teilen ausgegraben und vor allem über geophysikalische Prospektion (Bodenradar) erschlossen. Um den 3500 bis 4000 Besuchern jährlich, die auf dem "Kulturhistorischen Wanderweg Muschenheim" am Kastell vorbei kommen, einen besseren Gesamteindruck von den ehemaligen Dimensionen des Kastells zu vermitteln, hatte Roland Jockel von der Limes-Stiftung Lich die Idee für das Geländemodell. Die Umsetzung zog sich volle vier Jahre hin und schlug mit 27 400 Euro für die Prospektion - finanziert und bereit gestellt von den Mitgliedern der Archäologischen Gesellschaft Hessen - und rund 20 000 Euro für das Gießen der Platte - getragen von der Bürgerstiftung Mittelhessen - zu Buche.
Klaus Arnold, Vorstandsvorsitzender der Bürgerstiftung Mittelhessen, warf einen Blick auf die finanzielle Situation, Dr. Kai Mückenberger, Bezirksarchäologe beim Landesamt für Denkmalpflege in Wiesbaden zeigte sich beeindruckt vom Engagement der Bürger und lobte den ehrenamtlichen Einsatz. Bürgermeister Dr. Julien Neubert dankte den Limes-Freunden für ihre Arbeit und Muschenheims Ortsvorsteher Josef Benner zeigte sich stolz angesichts der vielen Besucher des Kastells. Aber der Vormittag gehörte ganz eindeutig dem Licher "Urgestein", Römer-Kenner und Limes-Führer Ernst-Otto Finger, Mitglied der Archäologischen Gesellschaft Hessen und ehrenamtlicher Mitarbeiter des Landesamtes für Denkmalpflege. Er widmete sich detailreich und gespickt mit einigen Witzen der römischen Geschichte in der Umgebung von Lich.
Schon vor dem Limes-Bau hatten die Römer die Wetterau erobert und so fanden sich durch Luftbilder rund 400 Meter nördlich des heutigen Kastells Gräben von drei großen Erdlagern, die vermutlich schon vor Christi Geburt errichtet wurden. Nach der verlorenen Schlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 nach Christus wurden die Römer zunächst hinter den Rhein zurückgedrängt, um dann etwa 83-90 in die Wetterau zurückzukehren, den Limes und bei Lich ein Holz-Erde-Kastell zu errichten. Im zweiten Jahrhundert wurden die Umfassungsmauern und einige Innenbauten wie Stabsgebäude, Kommandanten-Wohnhaus und Speicher in Stein ausgeführt. Im Verlauf der Kastellmauer ließen sich insgesamt vier Tore und 14 Türme belegen. Die Tore waren wie damals üblich jeweils mit zwei Türmen gesichert. Das Kastell schützte einen wichtigen Zugang aus der Provinz Obergermanien in die germanischen Siedlungsgebiete im Norden. Durch die Lage auf der Hochfläche konnten große Abschnitte des rund 1.5 Kilometer entfernten Limes gut eingesehen werden.
Das Vicus war fast vollständig von einer Stadtmauer umgeben, was nicht der normalen römischen Bauweise entspricht und somit einmalig ist. Hier wohnte die 500 Mann starke, teils berittene Besatzung mit ihren Familien inklusive bis zu 160 Pferden. Es gab Gaststätten, Handwerksbetriebe und Händler boten ihre Waren feil. Das Lager wurde von vier Hauptstraßen durchzogen und auf den Luftbildern sind Fundamente von Tempeln und Heiligtümern zu erkennen. Südöstlich vom Kastell wurde ein Amphitheater mit rund 31 Meter Durchmesser gefunden und in der Nähe des Südtores lag eine Therme. Eine Badeanlage gab es bei allen Kastellen, sie stellte das Zentrum der soldatischen Freizeitgestaltung dar, denn Hygiene war für die eng zusammengepferchten Soldaten wichtig. Es gab heiße sowie kalte Becken, ein Schwitzbad und auch ein Ruheraum durfte nicht fehlen. Das alles wurde mit Unterboden- und Wandheizung "ganz modern" beheizt. Hinter dem Südtor des Vicus finden sich ausgedehnte Gräberfelder.
Direkt an das Kastell angrenzend wurde eine Villa Rustica (Landgut) entdeckt, die wohl die Versorgung der Besatzung sicherstellte. Die Lage ist einmalig, da normalerweise rund um die Kastelle extra Freiflächen für etwaige Kampfhandlungen angelegt wurden.
Weiter hervorzuheben ist das durch Luftbilder gefundene Kleinkastell "Arnsburger Wald" an den Arnsburger Teichen und das bereits 1883 entdeckte Kleinkastell "Langsdorf". Die für römische Befestigungen unübliche Doppelpalisade, zwischen der Wetter bei Lich und der Horloff bei Hungen, gibt den Archäologen weiterhin Rätsel auf. Am Limesknick am Kolnhäuser Kopf in der Nähe vom Golfsplatz können die Mauern eines römischen Wachturms bestaunt werden. Den von einem Privatmann mit rund 70 000 Euro wieder aufgebauten Limes-Aussichtsturm "Am Wingert" in der Gemarkung Muschenheim können Besucher sogar besteigen und werden oben angekommen mit einem einmaligen Rundumblick auf die Wetterau inklusive Münzenburg belohnt.
Boden als "Wundertüte"
Der Boden bei Muschenheim ist nach wie vor eine "Wundertüte" mit vielen unentdeckten Geheimnissen. Noch immer wird mit gesonderter Erlaubnis des Amtes für Denkmalpflege im Boden nach Artefakten gebuddelt. So kam im Gräberfeld erst kürzlich durch Zufall das Grab einer hochgestellten Persönlichkeit, vielleicht vom Centurio des Kastells, wieder ans Tageslicht.
Römer-Kenner Finger bedauerte zum Schluss der Veranstaltung, dass Lich sein römisches Erbe "verschläft" und nicht angemessen touristisch nutzt. Gar zu gerne möchte er Lich als Weltkulterbe-Stadt wachrütteln und vermehrt Besucher zu den römischen Vermächtnissen locken.