Kreisbauernverband kritisiert: Zuviel Ackerland wird zu Bauland
Vertreter des Kreisbauernverbandes kritisieren, dass zuviel Ackerland in Baugebiete umgewandelt wird. Ihre Forderung: "Der Landverbrauch muss politisch reguliert werden."
Von vb
Dieses Motiv kann man überall im Landkreis entdecken, in diesem Fall war der Landwirt zwischen Rödgen und Großen-Buseck mit der Ernte beschäftigt. Foto: Friese
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KREIS GIESSEN - An Themen mangelt es nicht an diesem Donnerstagmittag im Garten der Familie Sames in Lützellinden. Es geht um die Ernte, aber das ist nicht überraschend, schließlich hat der Kreisbauernverband zum traditionellen "Erntegespräch" eingeladen. Erfolg oder Misserfolg bei der Ernte haben auch immer viel mit dem Wetter zu tun, womit ein weiteres Thema ausgemacht ist. Doch den Vertretern des Kreisbauernverbandes brennt vor allem der Landverbrauch unter den Nägeln, also die Tatsache, dass landwirtschaftliche Flächen in Bau- oder Gewerbegebiete umgewandelt werden. Aus Sicht der Bauern negative Beispiele gibt es ausreichend: Man muss nicht nach Frankfurt und die geplanten Baugebiete an der A 5 schauen, sondern zum Beispiel nach Berstadt und das Rewe-Logistikzentrum, das Gewerbegebiet "Langsdorfer Höhe" oder das viel diskutierte Factory Outlet Center bei Garbenteich. "Der Landverbrauch muss politisch reguliert werden", fordert Vorsitzender Manfred Paul.
Vom Garten aus kann man das Lützellindener Gewerbegebiet sehen, denn das grenzt an die Flächen, die Michael Sames bewirtschaftet. Raps, Zuckerrüben, Mais, Weizen, Wintergerste, wenig Roggen und ein paar Hektar Hafer baut er an, doch von 185 Hektar gehören ihm nur 20. Der überwiegende Teil ist gepachtet, zum Teil auch von der Stadt Gießen, die bei privaten Flächen häufig das Vorkaufsrecht habe. "Oftmals betreiben die Eigentümer oder die Erben keine Landwirtschaft mehr und dann wird gerne verkauft", beschreibt Hartmut Lang, der stellvertretende Vorsitzende des Kreisbauernverbandes. Paul verweist auf Leerstände in den Ortskernen und "teilweise tote Straßenzüge. Und dann gibt es noch die Hürden durch den Denkmalschutz. Da muss umgedacht werden. Klar ist das eine Riesenaufgabe."
Der Hessische Bauernverband hat sich bei diesem Thema mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz verbündet. Die Landesregierung wird aufgefordert, dass der Flächenverbrauch bis 2020 auf einen Hektar pro Tag reduziert werden soll. Zwischen 1999 und 2011 seien es fünf Hektar pro Tag gewesen. Unter anderem wird gefordert, brachliegende Gewerbeflächen auch für Wohnzwecke zu nutzen, Parkplätze in Gewerbegebäude wie Einkaufsmärkte zu integrieren oder Geschosswohnungsbau in Wohngebieten als Standard anzustreben.
"Der größte Feind der Artenvielfalt ist der Landverbrauch", meint Hans-Martin Sames, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes. Um die Artenvielfalt zu schützen, werden vielerorts Blühstreifen angelegt. Dabei sind auch die Bauern sehr aktiv. Im Bereich des Kreisbauerverbandes seien dieses Jahr 1400 Kilogramm Saatgut ausgegeben worden, um 1,4 Millionen Quadratmeter Blühflächen anzulegen. 2017 seien es 350 Kilo Saatgut gewesen. "Die Landwirtschaft wird den Flächenverbrauch oder die Steinwüsten, die sich Bürger in den Vorgärten anlegen, nicht ausgleichen können", konstatiert Paul. Markus Sames ergänzt: "Alle müssen Verantwortung übernehmen."
Momentan werden aber keine Blühstreifen angelegt, sondern die Ernte eingebracht. Markus Sames hat seine Wintergerste bereits gedroschen, jetzt ist der Raps an der Reihe, dann folgt der Weizen. Er berichtet von bis zu 35 Prozent Einbußen bei der Wintergerste, überwiegend wegen eines Gewitters mit Hagel Ende Mai. Lang bilanziert einen normalen Witterungsverlauf bis Mai, aber durch diesen Monat und die aktuelle Hitze seien die Böden "regelrecht ausgetrocknet". Der Villinger Paul berichtet aus dem Hungener Umfeld, dass die Nässe bei der Aussaat dem Raps nicht gutgetan habe. Der Weizen leide am meisten unter der Trockenheit. Aber die Vertreter der Landwirte wissen, dass Jammern nichts nützt. "Wir hatten jetzt zwei gute Jahre bei Mais oder Zuckerrüben, aber die Natur gleicht das alles wieder aus", meint der Vorsitzende.
Weitere Themen an diesem Mittag: Die Preise für die Erzeugnisse der Landwirte nennt Paul "katastrophal". So könnten Betriebe nicht wirtschaften, schließlich müsse auch investiert werden. Einig ist man sich auch darüber, dass die zunehmende Bürokratie Betriebe kaputtmache.
Die vier Gesprächspartner bitten abschließend noch die Bürger um Verständnis, denn die Bilder von fahrenden Mähdreschern sowie die Staubentwicklung auf trockenen Äckern sind momentan allgegenwärtig. "Wir müssen uns nach der Witterung richten. Und wenn die Ernte reif ist und Regen angekündigt wird, dann müssen wir fahren, auch wenn es Sonntag ist", betont Lang.