Statt zehn nur eine neue Bushaltestelle im Landkreis Gießen
Das beklagt Jan Fleischhauer vom ADFC im Fahrgastbeirat ebenso wie die mangelnde Aktivität der Kommunen in Sachen Barrierefreiheit.
Von rsc
Wenn eine Bahnstrecke wegen Bauarbeiten gesperrt ist und stattdessen Busse unterwegs sind, haben Fahrgäste, die ein Fahrrad mitnehmen wollen, ein Problem. Foto: Schäfer
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KREIS GIESSEN - Im Schienenersatzverkehr soll es die Regel sein, dass man Fahrräder mitnehmen kann. Eingesetzt werden sollen nur barrierefreie Niederflurbusse, deren Fahrt ausschließlich an den Bahnhaltepunkten beginnt und endet, an denen auch die Bahnhöfe und die Bussteige barrierefrei ausgebaut sind. Dies beschloss der Fahrgastbeirat von Stadt und Landkreis Gießen in seiner jüngsten Sitzung auf Antrag von Dr. Jan Fleischhauer vom Kreisverband des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC).
Ihm ist es ein Dorn im Auge, dass es im Schienenersatzverkehr deutliche Defizite bei der Mitnahme von Fahrrädern, der Barrierefreiheit sowie der Fahrgastinformation gebe. "Viele Fahrgäste sind auf den öffentlichen Personennahverkehr angewiesen und können bei Streckensperrungen nicht auf ihn verzichten." Für touristische Regionen sei es wichtig, dass die Fahrradmitnahme auch in den Ferien möglich sei, wenn insbesondere eingleisige Bahnstrecken gesperrt wären. "Da viele Bahnstrecken in den nächsten Jahren auch aufgrund der Einrichtung elektronischer Stellwerke modernisiert werden, besteht hoher Handlungsbedarf."
"Hat sich nicht bewährt"
Beschlossen wurde ein weiterer Antrag, in dem Fleischhauer vom Zweckverband Oberhessischer Verkehrsbetriebe (ZOV) wissen will, weshalb von den im Nahverkehrsplan 2014 empfohlenen zehn neuen Bushaltestellen bisher nur eine neu geschaffen worden sei - im Reiskirchener Ortsteil Burkhardsfelden die Haltestelle "Vogelhecke". "Es hat sich nicht bewährt, solches in einem Nahverkehrsplan hineinzuschreiben", argumentierte Gerhard Muth-Born, der Chefplaner des ZOV. "Das machen wir nicht mehr. Denn das ist immer wieder ein Kampf." Es müsse bei jeder Haltestelle umständlich geprüft werden, ob diese auch für alle Verkehrsteilnehmer sicher sei. "Dabei wollen wir im ländlichen Raum die maximale Distanz von 400 Metern für die Erreichbarkeit von Haltestellen möglichst einhalten."
Gemäß dem jüngst beschlossenen Nahverkehrsplan und den Vorgaben des Personenbeförderungsgesetzes müssen alle Bushaltestellen ab 2022 barrierefrei sein, sofern der Nahverkehrsplan keine Ausnahme vorsieht. Im gerade verabschiedeten Nahverkehrsplan würden lediglich für Außerorts- und AST-Haltestellen Ausnahmen definiert. Fleischhauer sieht diese Festlegung nicht überall erreicht. "Einige Kommunen wie Linden und Pohlheim haben im Nahverkehrsplan angekündigt, dass sie 2021 dieses Ziel erreichen werden." Andere Kommunen würden diese Gesetzesvorgabe nicht einhalten. In beispielsweise Fernwald und Laubach sei das Problem noch erkannt und es seien keine Investitionen in die Bushaltestellen geplant. "Allendorf/Lumda hält es nicht einmal für nötig, zu dem Thema zu antworten", kritisierte Fleischhauer.
Kreis soll Druck machen
Der Fahrgastbeirat solle den Landkreis Gießen bitten, in der Bürgermeisterdienstversammlung die Kommunen darüber zu informieren, dass bis 1. Januar 2022 eine umfassende Barrierefreiheit an allen Bushaltestellen sicherzustellen sei und als Aufsichtsbehörde - beispielsweise durch Nichtgenehmigung der Haushalte - dafür zu sorgen, dass die Kommunen ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommen. Uwe Happel, Stabsstellenleiter des Landkreises, bemerkte dazu, dass seine Behörde die Kommunen nicht anweisen könne, diese Maßnahmen durchzuführen.
Fleischhauer bemängelte außerdem, dass der Datenbestand des ZOV im Haltestellenmanagementsystem nicht aktuell sei, sodass derzeit zum Teil fehlerhafte Fahrplanauskünfte über die Haltestellenausstattung gegeben würden. Insbesondere betreffe dies die falsche oder fehlende Bordsteinhöhe der Bushaltestellen. "Auf Barrierefreiheit angewiesene Fahrgäste erhalten so weniger Fahrtmöglichkeiten angezeigt, als in der Realität vorhanden sind." Auf Anfrage habe der ZOV keinen Zeitpunkt nennen können, bis zu dem die Daten aktualisiert sein würden. Auch wiederholte ADFC-Hinweise bei der Anhörung zum Nahverkehrsplan hätten bisher nicht dazu geführt, die Daten zu aktualisieren.