Lebendige Erinnerungskultur

Stolpersteine für vier jüdische Familien sind am Freitag in Lich feierlich enthüllt worden.
Lich . »Erinnerungskultur lebt davon, dass Menschen sie mit Leben füllen. Deshalb freue ich mich, dass heute so viele gekommen sind, um an die Schicksale der jüdischen Familien zu erinnern, die einst in diesen Häusern gewohnt haben, bevor sie vertrieben und ermordet wurden«, so Bürgermeister Dr. Julien Neubert in seiner kurzen Ansprache.
Zuvor hatte Ulla Limberger von der Arbeitsgemeinschaft (AG) Stolpersteine die zahlreichen Gäste anlässlich der Enthüllung der im Boden verlegten Messingtafeln in der Bahnhofstraße begrüßt. Sie erinnerte daran, dass den Juden in Lich schon Monate vor der reichsweiten Pogromnacht das Leben schwer gemacht und viel Leid angetan wurde.
Die acht Stolpersteine sollten bereits Mitte Dezember vergangenen Jahres von dem Aktionskünstler Gunter Demnig vor vier Häusern in der Bahnhofstraße und in der Heinrich-Neeb-Straße verlegt werden. Wegen starken Frostes musste der Termin jedoch abgesagt werden. Mitarbeiter des städtischen Bauhofs hatten daraufhin kurz vor Weihnachten die Erinnerungssteine verlegt, die nun feierlich enthüllt wurden.
Die Steine sollen an die Familien Joseph Oppenheimer, Julius Katz, Max Chambré und Siegmund Chambré erinnern, die in Lich wohnten und arbeiteten. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden sie ausgegrenzt und verfolgt. Clara Chambré wurde deportiert und in Auschwitz ermordet, alle anderen konnten ihr Leben nur durch Flucht ins Ausland retten. Schülerinnen und Schüler der Dietrich-Bonhoeffer-Schule (DBS) trugen Texte zu den Familien vor und legten weiße Rosen nieder. Gemeinsam wurden Lieder gesungen und der Menschen gedacht, deren Nachkommen vieleicht heute noch Nachbarn und Freunde hätten sein können. Bürgermeister Neubert dankte ausdrücklich den Mitgliedern der AG Stolpersteine für ihr Engagement. Besonders die Tatsache, dass man den Kontakt zu den Nachfahren suche und dadurch schon zahlreiche Besuche zustande gekommen seien, hob das Stadtoberhaupt hervor. »Dass uns Menschen mit dieser Geschichte die Hand reichen, ehrt uns ganz besonders«, so Neubert in seiner Ansprache.
Das Projekt Stolpersteine wurde 2018 gestartet. Insgesamt sollen in den nächsten Jahren 120 kleine Messingtafeln an die früheren jüdischen Licher Bürger erinnern. Damit will man an zahlreiche Aktivitäten zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in Lich anknüpfen. 1988 hatte der Magistrat nach antisemitischen Parolen an der Kirche in Eberstadt die weiterführende Schule in Lich beauftragt, den Zeitraum 1933 bis 1945 in Lich zu erforschen. Daraus entstand eine vielgelobte Dokumentation.
In der Folge wurden auch die Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung gegründet und die Bezalel-Synagoge zu einem Konzert- und Begegnungszentrum ausgebaut.