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Neue Richtlinien für Lumdatalbahn

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Abendstimmung an den Schienen bei Daubringen: Geht es nach den Befürwortern der Reaktivierung, fährt hier bald wieder die Lumdatalbahn. Archivfoto: Kerstin Romana Lotz © Red

Für die mögliche Reaktivierung der Lumdatalbahn gibt es neue Richtlinien. Auch Daseinsvorsorge und Klimaschutz spielen eine Rolle.

Kreis Gießen . (dge). Nicht allein finanzielle Aspekte, sondern auch der Nutzen für den ländlichen Raum an sich soll nun in die Entscheidung über die Reaktivierung der Lumdatalbahn einbezogen werden. Wie kommt das? Vor Kurzem hat das Bundesverkehrsministerium die neuen Richtlinien vorgelegt. Hinter dem Begriff »Standardisierte Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen im öffentlichen Personennahverkehr, Version 2016+« verbergen sich unter anderem sogenannte weiche Faktoren, die - abseits der reinen Kosten-Nutzen-Rechnung - zu einer Bewertung herangezogen werden sollen. Die Lumdatalbahn war eins der Projekte, die für Testrechnungen für die neuen Richtlinien sozusagen Pate standen.

Ein Stichwort fällt ins Auge: »Daseinsvorsorge« wird bereits in den einleitenden Vorbemerkungen erwähnt. Darunter fällt auch der öffentliche Personennahverkehr, kurz ÖPNV. Weiterhin heißt es, dass die Erreichbarkeit zentraler Orte im Sinne der Daseinsvorsorge einen Wert an sich darstelle, unabhängig von der tatsächlichen Nutzung. »Der ÖPNV trägt dazu bei, dass diese Erreichbarkeit nicht auf Personengruppen beschränkt ist, die über einen Pkw verfügen«, stellt man in Berlin fest. Auch der Klimaschutz findet in den neuen Richtlinien Niederschlag. Gerade im ländlichen Raum habe der ÖPNV indes Lücken. Eine dieser Lücken will der Verein Lumdatalbahn schon seit vielen Jahren mit der Reaktivierung der Strecke Lollar-Londorf schließen.

Erleichterung

Was sagen die Beteiligten nun angesichts der neuen Richtlinien? Immerhin steht eine Bundesförderung von 90 Prozent bei vom Land geschätzten Kosten von rund 26 Millionen Euro im Raum. Allgemein werde von den neuen Richtlinien eine Erleichterung von Investitionen in den Schienenverkehr, gerade auch im ländlichen Raum, erwartet, erklärte Manfred Lotz, Vorsitzender des Vereins Lumdatalbahn, im Gespräch mit dem Anzeiger.

Aus Richtung des Bundesverkehrsministeriums gelte jetzt für die Lumdatalbahn der Satz »Grüner wird’s nicht«. Nun seien wieder die Akteure beim Land, beim Landkreis Gießen und beim Rhein-Main-Verkehrsverbund am Zuge. Die Planungen für die neue Lumdatalbahn könnten und müssten umgehend vorangebracht werden. »Der Bedarf für neuen Güterverkehr am RHI-Werk in Mainzlar bietet die Chance auf eine noch positivere Gesamtrechnung pro Lumdatalbahn. Der Planungsprozess wird aber auch ein Stück weit komplexer, denn der Güterverkehr benötigt eigene Weichen und Signalanlagen«, meint Lotz.

Das hessische Wirtschaftsministerium prüft zurzeit die Wiederinbetriebnahme der Strecke von Lollar bis Mainzlar. Ziel ist die kurzfristige Aufnahme des Güterverkehrs, damit dem Unternehmen RHI Magnesita der Weiterbetrieb des Werks in Mainzlar über das Jahresende 2022 hinaus attraktiv gemacht werden kann (der Anzeiger berichtete). Beides - Lumdatalbahn und RHI - müsse man im Zusammenhang sehen, betonte Manfred Lotz. Zum Prozedere erklärte er, dass die bereits vorliegenden Zahlen ergänzt und dabei die neuen Aspekte in die Berechnung eingepflegt würden. Daran arbeite das Land gerade.

Landrätin Anita Schneider (SPD) begrüßt das neue Bewertungsverfahren sehr, »weil das bisher gängige ›standardisierte Verfahren‹ solche Reaktivierungen mit Großprojekten zum Beispiel im Rhein-Main- Gebiet verglichen hat.« Dabei lägen hier andere Voraussetzungen vor. Nun müsse die Reaktivierung mit dem neuen Verfahren bewertet werden. »Positiv kann sich auch das Anliegen eines Unternehmens (RHI-Magnesita, Anmerkung der Redaktion) auswirken, seine gesamte Logistik auf die Schiene zu verlegen.« Eine positive Prüfung dieses Vorhabens könne auch der Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojekts Lumdatalbahn zugutekommen, stimmt Schneider mit Lotz überein.

Auch Hessens Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne) begrüße die neue Regelung, heißt es aus Wiesbaden. Bereits im Januar 2021 hatte das Land die Reaktivierung der Lumdatalbahn zur Förderung in Berlin angemeldet. »Das Land meldet die Vorhaben an, die von den ÖPNV-Aufgabenträgern als Vorhaben genannt werden«, berichtete Pressesprecherin Franziska Richter. Vorhabenträger seien Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Diese führten die Planung durch und beantragten - sobald das Vorhaben Baureife erreicht - die Fördergelder für die bauliche Realisierung des Vorhabens. »Die Zuweisung von Geldern des Bundes setzt folglich voraus, dass die Planung des Vorhabens abgeschlossen ist und Baurecht vorliegt.«

Nicht abgeschlossen

Bei der Lumdatalbahn hingegen sei die Planung noch nicht abgeschlossen, sodass die Voraussetzungen für eine Beantragung von Bundesmitteln und deren Zuweisung im konkreten Fall noch nicht vorliegen. Im Falle einer Zusage der 90 Prozent Bundesförderung stocke das Land »diesen Fördersatz im Wege einer Komplementärfinanzierung weiter auf. Der dann noch verbleibende Kostenanteil sowie die nicht zuwendungsfähigen Kosten entfallen auf das Eisen-bahninfrastrukturunterneh- men«. Die konkreten Kosten für ein Vorhaben könnten erst belastbar berechnet werden, wenn die Baurechtsplanung weitgehend abgeschlossen ist. Dies ist wie beschrieben noch nicht der Fall.

Hessen wolle Vorreiter bei der Verkehrswende werden und die Mobilität klimafreundlicher machen. Dazugehöre unter anderem der Ausbau der Schieneninfrastruktur. »Sowohl den Menschen im ländlichen Raum als auch in den Ballungsräumen sollen attraktive Angebote im umweltfreundlichen ÖPNV gemacht werden können«, beschrieb die Pressesprecherin als Ziel. Seit Jahren bemühe sich die Landesregierung daher intensiv um die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken. Ein gutes Beispiel sei die Reaktivierung der Kurhessenbahn, an der sich das Land mit weit über 20 Millionen Euro beteiligt habe. Neben der Lumdatalbahn gebe es noch weitere Vorhaben wie die Reaktivierung der Horlofftalbahn. Bei weiteren Strecken seien Voruntersuchungen oder Machbarkeitsstudien in Bearbeitung.

Richter weiter: »Da es sich bei Reaktivierungsvorhaben aber nicht - wie man meinen könnte - um reine Wiederinbetriebnahmen handelt, sondern für die Realisierung eines attraktiven Verkehrsangebots zum Beispiel die Geschwindigkeiten, die auf einer Strecke gefahren werden sollen, erhöht werden müssen, müssen Trassenverläufe und gegebenenfalls Bauwerke geändert werden, oder beispielsweise Kreuzungsbahnhöfe oder andere Infrastrukturmaßnahmen zusätzlich realisiert werden.« Folglich erforderten auch Reaktivierungsvorhaben umfangreiche bauliche Maßnahmen, sodass die Planungsprozesse Zeit beanspruchten.

Felix Döring (SPD), Bundestagsabgeordneter aus Gießen, zeigt sich zuversichtlich: »Die Weichen für die nächsten Schritte bei der Reaktivierung der Lumdatalbahn sind endlich gestellt. Er hoffe, »dass die Reaktivierung jetzt schnell weiter voranschreitet«, erklärte Döring.

Ob und wann die Lumdatalbahn nun wieder Fahrt aufnimmt, kann indes zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand voraussagen. Immerhin: »Ich bin froh, dass das jetzt in einem durchgezogen wird und sehe dem Ganzen ruhig und gelassen entgegen«, berichtete der Vereinsvorsitzende Manfred Lotz.

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