Neue Satzung sorgt für Ärger

Eltern und Tagespflegepersonen fordern vom Landkreis Änderungen an einer Satzung, die seit 1. März gültig ist.
Kreis Gießen (vb). Gut gemeint, aber nicht gut gemacht? Die rund 50 Tagespflegepersonen und Eltern mit Kindern, die am Donnerstagnachmittag ins Wißmarer Bürgerhaus gekommen waren, werden diese Frage wohl mit »Ja« beantworten. Sie üben Kritik an einer Satzung für Tagespflegepersonen, die zum 1. März in Kraft getreten ist. Der Kreistag hatte sie im Dezember ohne jegliche Diskussion einstimmig beschlossen. Die Betroffenen sehen verschiedene Mängel, die über die Frage der Bezahlung hinausgehen, und fordern vom Kreistag Änderungen. An den zuständigen hauptamtlichen Kreisbeigeordneten Frank Ide (Freie Wähler) wurden über 900 Unterschriften übergeben.
Sven Hofmann hatte die ganze Sache ins Rollen gebracht. Er ist Vater einer kleinen Tochter, die von einer Tagesmutter betreut wird. »Sie hat mir erzählt, dass sie wegen der Satzung zum 1. September aufhören wird«, berichtete Hofmann im Gespräch mit dem Anzeiger.
Da sich der Wißmarer seit zwölf Jahren als Gemeindevertreter engagiert, war er mit politischen Prozessen vertraut und recherchierte zu dem Thema. In der Folge vernetzte er sich mit knapp der Hälfte der rund 120 Tagesmütter und -väter im Kreis. Sie betreuen etwa 450 Kinder - circa ein Drittel aller unter Dreijährigen mit Betreuungsplatz
Kreis trägt Hauptteil der Kosten
Angesichts der langen Wartelisten in den Kommunen, die mit der Schaffung neuer Kindergartenplätze nicht hinterherkommen, ist dies ein wichtiges Angebot. Der Kreis ist als Träger der Jugendhilfe zuständig für die Kindertagespflege. Er übernimmt den Hauptteil der Kosten (knapp 370 000 Euro jährlich), einen kleineren Teil das Land.
Doch es gibt nicht nur immer weniger Bewerbungen für die Grundqualifizierung, sondern durch den demografischen Wandel gehen zunehmend erfahrene Tagespflegepersonen in den Ruhestand. Deren Zahl zu steigern und den Beruf attraktiver zu machen, war der Hintergrund der neuen Satzung. Doch die Betroffenen seien zu dem Thema nicht angehört worden, schilderte Hofmann. Erst nach dem Kreistagsbeschluss habe es einen Info-Abend gegeben.
In der neuen Satzung gibt es drei Stufen der Qualifikation. Problem sei dabei, dass die höchste Stufe nur jemand erreichen könne, der gleichzeitig eine Betreuung von Montag bis Freitag anbietet, schilderte der Wißmarer. Die meisten Tagespflegepersonen täten dies nicht und hätten dadurch finanzielle Einbußen.
Apropos Geld: Gefordert wird auch eine an die Inflation angepasste Anhebung der Vergütungssätze, denn »der Stundenlohn liegt unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns«, rechnete Hofmann vor. Der Kostenbeitrag der Eltern ist in der neuen Satzung nicht erhöht worden. Er liegt bei durchschnittlich 1,65 Euro pro Stunde. Der Landkreis erhöhte seinen Anteil auf Summen zwischen vier und 4,50 Euro. »Eine angemessene und wertschätzende Vergütung dieser wichtigen Aufgabe der Kindertagespflege sehen wir in der neuen Satzung nicht«, bilanzierte der Wettenberger. Seiner Meinung nach müsste das Land mehr unterstützen.
Viel Arbeit mit Dokumentation
Der Administrationsaufwand sei hingegen hoch. Für jedes Kind müssten jeden Tag An- und Abwesenheiten dokumentiert, von den Eltern abgezeichnet und an den Landkreis geschickt werden. Hofmann und seine Mitstreiter wünschen sich, dass der Landkreis eine Plattform für eine leichtere Dokumentation schafft.
Sein Anliegen habe er vorab an die Fraktionen im Kreistag geschickt, aber nur von SPD und der »Vraktion« Reaktionen bekommen. Die Unterschriften übergab Hofmann auf einem USB-Stick an den zuständigen Dezernenten Ide. Am Stick befanden sich zwei Schnuller und ein roter Faden als Symbol dafür, dass sich ein roter Faden durch den Änderungsprozess zieht.
Und dieser Prozess soll nach Meinung der Eltern und Tagespflegepersonen bereits bei der Kreistagssitzung am kommenden Montag beginnen. Erhofft wird, dass eine Fraktion das Thema mit einem Dringlichkeitsantrag aufgreift und es so zur Beratung in die Ausschüsse verwiesen werden kann.
Davon geht Kreistagsvorsitzender Claus Spandau (CDU) nicht aus. Man müsse das Thema in Ruhe diskutieren, vermutlich aber erst im Mai. Ide kündigte an, dass die Kritikpunkte von den Fachleuten in der Kreisverwaltung behandelt werden sollten. Dann werde er das weitere Vorgehen mit dem Ältestenrat besprechen.