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Niemand will die Kreisstraße 394

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Von: Volker Böhm

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Dieses Bild einer Schlaglochstrecke wird bald der Vergangenheit angehören. Die Kreisstraße 394 wird aktuell auch im Abschnitt zwischen Krofdorf-Gleiberg und dem Abzweig zur Schmelzmühle saniert. Archivfoto: Friese © Red

Der Landkreis verhandelt mit Lollar und Wettenberg über eine Übertragung der Straße durch den Krofdorfer Forst. Viele Detailfragen sind zu klären.

Kreis Gießen . Den Titel »Schlechteste Straße im Landkreis Gießen« wird die Kreisstraße (K) 394 zwischen Krofdorf-Gleiberg und Salzböden in wenigen Wochen abgeben müssen. Mitte April soll, wenn alles planmäßig verläuft, die Sanierung beendet werden. Nur: Was passiert dann mit der Straße, die der Kreis nicht mehr haben will und die Lollar und Wettenberg als Gemeindestraße übernehmen sollen? Auch das zweite Gespräch am gestrigen Dienstag zwischen dem Ersten Kreisbeigeordneten Christopher Lipp (CDU) und den Bürgermeistern Jan-Erik Dort (Lollar) und Marc Nees (Wettenberg) brachte nicht den Durchbruch. Nächster Versuch: Ende April.

Auch wenn alle Beteiligten das »sehr gute und konstruktive Gespräch« auf »sehr hohem Niveau« loben, ist noch einiges zu klären. Das beginnt schon beim Grundsätzlichen: Ist die K 394 tatsächlich von ihrer straßenrechtlichen Bedeutung keine Kreisstraße mehr? Und haben die Kommunen tatsächlich keine andere Wahl, als sie zu übernehmen - entweder freiwillig oder nach einem Abstufungsverfahren beim Land?

Für Lipp ist die Sache eindeutig und man habe sich von den Experten von Hessen Mobil beraten lassen. Das Hessische Straßengesetz definiert Kreisstraße wie folgt: »Kreisstraßen sind Straßen, die vorwiegend dem Verkehr zwischen benachbarten Kreisen und kreisfreien Städten, dem überörtlichen Verkehr innerhalb eines Kreises oder dem unentbehrlichen Anschluss von Gemeinden oder räumlich getrennten Ortsteilen an überörtliche Verkehrswege dienen oder zu dienen bestimmt sind.«

Die Bürgermeister sind hingegen nicht scharf auf eine weitere Straße in ihrer Zuständigkeit. Nees nannte im Gespräch mit dem Anzeiger, dass »über den dicken Daumen gerechnet« 100 000 Euro jährlich an Unterhaltungskosten anfielen - inklusive Winterdienst, Rückstellungen für größere Schäden oder Bankettensanierung. Der Kreis finde diese Schätzung zu hoch und wolle eigene Zahlen nennen, berichtete der Bürgermeister. Im Raum stehe die Überlegung, dass sich der Kreis an den Unterhaltungskosten beteilige.

Brücke von 1751

Ähnliche Sorgen hat auch Jan-Erik Dort. Bei ihm geht es um zwei Brücken, für die Lollar dann zuständig wäre. Eine davon ist Baujahr 1751. »Die waren damals sicher sehr gewissenhaft, aber eine Brücke von 2023 wäre mir lieber.« Er sei es den Bürgern schuldig, das Thema gründlich zu betrachten. Nicht, dass in ein paar Jahren eine neue Brücke erforderlich sei.

Der Bürgermeister wies außerdem darauf hin, dass sich Lollar und Wettenberg nach einer Übernahme der Straße darüber einigen müssten, wie zum Beispiel der Winterdienst von Salzböden zur Schmelzmühle organisiert wird, denn nur 1,2 der 2,2 Kilometer liegen auf Lollarer Gemarkung. Der Rest gehört, wie auch die lange Strecke durch den Krofdorfer Forst, zu Wettenberg. »Sowas musste noch nie geklärt werden«, meinte Dort.

Für Irritationen bei den Bürgermeistern hatte zuletzt ein Antrag der FDP-Kreistagsfraktion gesorgt, die komplette K 394 in eine »unechte Fahrradstraße« umzuwandeln. Das bedeutet, dass Kraftfahrzeuge und Fahrräder auf der Strecke gleichberechtigt sind. Der Landkreis testet aktuell eine »unechte Fahrradstraße« zwischen Daubringen und Lollar. Die FDP weist in ihrem Antrag darauf hin, dass eine Nutzungsmöglichkeit für Forst- und Frachtverkehr gewährleistet sein müsse. Die Bürgermeister hatten den Antrag aber so verstanden, dass die Status-Frage der K 394 rechtlich offen sei.

Das war aber im Bauausschuss des Kreistages nichts Thema. »Wir wollen Tempo in die Entscheidung bringen«, betonte Vanessa Rücker in der Antragsbegründung. Eine »unechte Fahrradstraße« sei zwar nicht der favorisierte Vorschlag, »aber an uns wird es nicht scheitern«. Die Bürger erwarteten eine Entscheidung und ein »Ende der Ping-Pong-Spiele«. Wegen der noch laufenden Gespräche wurde der Antrag zunächst zurückgestellt.

Lipp wies gestern darauf hin, dass der Antrag so nicht umgesetzt werden könne. Straßenrechtlich sei eine Fahrradstraße auf einer Kreisstraße nicht möglich, lediglich ein zeitlich begrenzter Verkehrsversuch. Den Bürgermeistern ist es wichtig, dass nicht der Kreistag über den künftigen Status einer Straße entscheidet, die dann in Zuständigkeit der Kommunen ist. Der Erste Kreisbeigeordnete betonte mit Blick auf die künftigen Unterhaltungskosten, dass im Vertrag ja Dinge zugunsten der Kommunen geregelt werden könnten. Er hofft auf eine baldige Einigung.

An der Strecke liegt ein Wertholzplatz, den Bürgermeister Nees als »Riesenthema« bezeichnete. Die schweren Holztransporter sind maßgeblich verantwortlich für den schlechten Zustand der Strecke, doch über eine Verlagerung des Platzes wolle Hessen Forst nicht mit sich reden lassen.

Und noch ein Aspekt: Mit der Übertragung einer Kreisstraße an Kommunen entsteht ein Präzedenzfall. 186 Kilometer Straßen gehören dem Landkreis. Der würde gerne noch mehr Strecken abgeben. Deshalb soll Hessen Mobil prüfen, ob die Straßen noch den Kriterien des Gesetzes entsprechen.

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