Parlez vous français ?

Es wird im Kreis Gießen mit Französisch als Fach und den Partnerschaften in unser Nachbarland schwieriger.
Kreis Gießen (fod/klk/sow/vb). Aus Feinden wurden Freunde. Diese Wirkung hatte der Élysée-Vertrag, mit dem Bundeskanzler Adenauer und Frankreichs Präsident de Gaulle am 22. Januar 1963 die Zusammenarbeit von Deutsche und Franzosen vor 60 Jahren besiegelten. Der Vertrag legte den Grundstein für eine besondere Partnerschaft. Aber wie sieht deren Zukunft aus? Das Interesse, die Sprache des jeweils anderen Landes zu lernen, ist rückläufig. Der Anzeiger hat stichprobenartig Schulen nach ihren deutsch-französischen Aktivitäten befragt und wollte auch von Vertretern von Partnerschaftsvereinen wissen, wie sie die deutsch-französische Freundschaft einschätzen.
Norbert Schmidt ist Vorsitzender der Deutsch-französischen Gesellschaft in Wettenberg. Seit 51 Jahren besteht die Partnerschaft mit Sorgues. »Die Unterzeichnung des deutsch-französischen Vertrages war meines Erachtens kein singuläres Ereignis, sondern vielmehr Folge und Ausdruck einer ganzen Bewegung, eines inspirierenden, seit den 1950ern reifenden und nach Freiheit verlangenden Zeitgeistes. Uns, den damals jungen Menschen, öffnete sich - politisch wie kulturell, gewiss auch wirtschaftlich - ein heller Horizont, den alle Generationen zuvor so nicht gesehen hatten. Frankreich war nicht ›Erbfeind‹ (wie bei den Altvorderen), sondern Sehnsuchtsort. Der Elysée-Vertrag hat Wirkung erzielt. Was fehlt? Eine Neubelebung der deutsch-französischen Freundschaft. Es braucht ein Mehr an deutsch-französischer Konföderation, um die europäische Integration zu vertiefen.«
Heuchelheim
Seit 52 Jahren ist Gémenos die Partnergemeinde Heuchelheims. Bürgermeister Lars Burkhard Steinz ist auch Vorsitzender des Partnerschaftsvereins: »Mit dem Elysée-Vertrag ist der Schlussstein unter den französisch-deutschen Gegensatz gesetzt und gleichzeitig das Fundament für die deutsch-französische Freundschaft gelegt worden. Unsere beiden Nationen sind sich wieder ihrer gemeinsamen Wurzeln im Karolinger-Reich gewahr geworden. Durch die Städtepartnerschaft in Heuchelheim sind vielfach auch private Kontakte und Freundschaften entstanden, welche unser Leben bereichern.«
Wettenberg
Fahrten ins französischsprachige Ausland haben eine ebenso lange Tradition an der Gesamtschule Gleiberger Land wie der Französischunterricht selbst, betont Svenja Ferber. »Derzeit lernt ein Viertel unserer Schüler, die sich für eine zweite Fremdsprache entscheiden, Französisch.« Im vergangenen Herbst war eine große Schülergruppe bei der Feier zum 50-jährigen Bestehen der kommunalen Partnerschaft in Sorgues dabei. Aktuell laufen Planungen für eine regelmäßige Studienfahrt nach Paris.
Pohlheim
An der Adolf-Reichwein-Schule in Pohlheim hat die Corona-Pandemie bislang verhindert, dass ein neuer Schüleraustausch stattfinden konnte. Wie Schulleiterin Petra Brüll berichtete, gab es früher viele Jahre Schüleraustausch mit Frankreich, dann Studienfahrten. »Wir hatten gerade eine neue Schule in Nordfrankreich gefunden und die erste Gruppe sollte im März 2020 nach Pohlheim kommen«, berichtete sie. Dieser Kontakt sei bislang noch nicht wiederbelebt worden.
In Sachen Französisch-Unterricht hat die Schulleiterin den Eindruck, dass die Sprache »gerade wieder ein bisschen mehr gewählt wird«. Als Spanisch in den siebten Jahrgängen als zweite Fremdsprache eingeführt wurde, hätten sich viele Mädchen und Jungen dafür entschieden.
Derzeit schwanke die Teilnehmerzahl am Französischunterricht zwischen acht und 15.
Buseck
Auch an der Gesamtschule Busecker Tal hat die spanische Sprache derzeit die Nase vorn. »Aber wir sehen so langsam wieder eine kleine Wende«, sagte Katja Schäfer, Fachbereichsleiterin Französisch. Derzeit lernen 90 Kinder und Jugendliche die Sprache. Der aktuelle Kurs der Siebtklässler ist mit 25 Schülern gut besucht.
Bis 2018 bestand auch eine Schulpartnerschaft, die aber von französischer Seite aus aufgelöst wurde, da dort wenige Schüler Deutsch lernen wollten. »Jetzt sind wir auf der intensiven Suche nach einer neuen Partnerschaft, gerne auch mit Unterstützung der Gemeinde«, sagte Schäfer.
Linden
Valérie Winter ist Französisch-Fachsprecherin an der Anne-Frank-Schule Linden. Dort gibt es mit dem Collège Germinal in Biache-Saint-Vaast einen Austausch. Im März und Mai wird man sich gegenseitig in 34-köpfigen Gruppen besuchen. »Französisch spielt grundsätzlich eine wichtige Rolle. Von den 39 gymnasialen Siebtklässlern wählten 87 Prozent die Sprache des Nachbarlandes, im Jahr zuvor waren es nur 70 Prozent.«
Laubach
»Einen klassischen Schüleraustausch gibt es bei uns schon sehr lange nicht mehr«, berichtete Irina Reh, die Leiterin der Friedrich-Magnus-Gesamtschule in Laubach. Dies habe auch daran gelegen, dass die früheren Partner den Austausch nicht mehr finanziell stemmen wollten. Auf Initiative einer Französisch-Lehrerin kam nun ein neuer Kontakt zu einer Schule in Élancourt , der Laubacher Partnerstadt, zustande. Für Juni ist ein erstes Treffen geplant. Beim Interesse am Französisch-Unterricht hat die Schulleiterin in den vergangenen Jahren keine Veränderung wahrgenommen.
Lollar und Allendorf
Der Frankreich-Austausch von Lollar und Allendorf sei völlig losgelöst von den Aktivitäten der jeweiligen Partnerschaftsvereine, erklärte dem Anzeiger der Französischlehrer der CBES Lollar-Allendorf, Jens Hausner. In Lollar gab es früher noch eine Zusammenarbeit mit dem Partnerschaftsverein Lollar - Brassac-Les-Mines . Auch in Allendorf wurden Kontakte zu Nouvion sur Meuse geknüpft. Doch immer weniger junge Franzosen wollten Deutsch lernen. Mit Glück sei eine neue Partnerschule in Remoulins in Südfrankreich - direkt am Pont du Gard - gefunden worden. Seit 2010 finde der Austausch hier alle zwei Jahre statt.
Eine Schule aus Nouvion-sur-Meuse kehrte Allendorf den Rücken, weil man der Nachfrage der französischen Partner nach Austausch nicht nachkommen konnte. Die Franzosen hätten sich daraufhin eine größere deutsche Schule als Partner gesucht. Seitdem werde der Kontakt zu Remoulin für beide Standorte gepflegt.
»Dass die Schülerzahlen für Deutsch als Fremdsprache auf französischer Seite zugunsten von Spanisch sinken, können wir auch beobachten«, stellt Hausner fest. Leider sei in Sachen Austausch ein immer umfangreicher werdende Bürokratieaufwand auf französischer Seite zu beklagen.
Französische Deutschlehrer müssten aufgrund sinkender Nachfrage an verschiedenen Standorten ihre Stunden leisten, was Kooperation ebenfalls Austausch nicht gerade erleichtere.
Aktuell gebe es in Allendorf/Lda. zwischen sechs und 20 Französisch lernende Schüler. In Lollar spüre der Fachbereich Französisch die Konkurrenz zu Spanisch und Latein, allerdings gebe es elf bis 27 Teilnehmer, in der Oberstufe sogar 30.
Grünberg
Der Arbeitskreis Städtepartnerschaft Grünberg kann in diesem Jahr auf ein halbes Jahrhundert Kontakt zu den Freunden aus Condom in der Region Okzitanien zurückblicken. Dessen Vorsitzende Silke Abeiter-Löffert freut sich aktuell, dass anlässlich der deutsch-französischen Woche bereits zum 30. Mal die Theatergruppe »La Boîte à Jouer« das Kulturleben der Gallusstadt bereichert. Im Mai wolle man dann zum beliebten »Festival de Bandas« nach Condom« reisen.
Derzeit liefen auch die Planungen für ein Freundschafts-Camp mit Jugendlichen aus Condom, Grünberg und der polnischen Partnerstadt Mragowo. Schließlich gibt es noch eine Besuchsfahrt zur Feier »50 Jahre Jumelage« vom 30. August bis 3. September in Condom und einen Gegenbesuch der Franzosen zum Gallusmarkt. Die Freundschaft ist so eng, dass mittlerweile sogar drei deutsch-französische Hochzeiten gefeiert werden konnten. »Man muss aber auch sehen«, so die Vorsitzende, »dass junge Leute früher nicht so viele Möglichkeiten hatten, in andere Länder zu reisen.«
Auch die Schulen sind an dem regen Austausch beteiligt. »Anfang Februar erwarten wir Schüler des College St. Exupery bei uns und Mitte März fliegen unsere Schüler zum Austausch nach Condom«, berichtet Julia Wagner, Lehrerin für Französisch und Deutsch an der Theo-Koch-Gesamtschule in Grünberg. Doch auch die Jungen und Mädchen der Grundschule in Stangenrod besuchen regelmäßig die Partnergemeinde, pausierten damit aber in der Hochphase der Pandemie.
Lich
Auch an der Dietrich-Bonhoeffer-Schule in Lich können interessierte Schüler ihr zweiwöchiges Berufspraktikum in der Jahrgangsstufe neun auch in der Partnerstadt Dieulefit absolvieren. Die Fachleitung Französisch kann durch ihre guten Verbindungen zur Licher Partnergemeinde in der schönen Region Auvergne-Rhône-Alpes geeignete Praktikumsplätze vermitteln. Bereits 1974 war die »Jumelage« mit Dieulefit besiegelt worden.
Hungen
Seit 1988 bestand über viele Jahre hinweg ein reger Schüleraustausch der Gesamtschule Hungen mit der Schule der Partnergemeinde der Stadt Hungen, St. Bonnet de Mure , einem Ort im Südosten von Lyon. Mit der Pensionierung von Lehrern wurde der Schüleraustausch vor einigen Jahren beendet. Leider hat auch der Deutschunterricht in der zentralistisch geprägten Schulpolitik Frankreichs nicht mehr den Stellenwert wie früher«, stellt Dieter Hausotter, selbst ehemaliger Lehrer an der Schule und heutiger Vorsitzender des Partnerschaftsvereins Hungen-St.Bonnet de Mure, zudem fest. Allerdings würden auch die Schüler in Hungen nicht mehr so häufig Französisch als Fremdsprache wählen. Hoffnungen setzt Hausotter in ein Jugendcamp, bei dem sich im April Schüler aus St.Bonnet und Hungen in Paris treffen.