»Pax Mundi« wartet aufs All

Die Weltraum-AG der Dietrich-Bonhoeffer-Schule in Lich bekam von Landrätin Anita Schneider eine Spende des Energiekonzerns Ovag von 4000 Euro überreicht. Wie geht es mit dem Projekt nun weiter?
Lich . Für die Menschen war die Reise ins Weltall ein uralter Traum, der erstmals vor 62 Jahren für den russischen Kosmonauten Juri Gagarin in Erfüllung ging. Ähnlich mögen sich derzeit wohl die Schüler der Weltraum AG von der Dietrich-Bonhoeffer-Schule (DBS) in Lich fühlen. Ihr atemberaubendes, europaweit einzigartiges Projekt, »ein eigener Satellit im Weltraum«, biegt gerade auf die Zielgerade ein.
Noch in diesem Jahr wird der zehn mal zehn Zentimeter kleine Cubesat Marke Eigenbau mit einer NASA-Rakete in den Weltraum abheben und dann, während er in etwa 500 Kilometer Höhe die Erde umrundet, Daten zum Grundwasserspiegel sammeln und untersuchen, wie krank machende Bakterien auf die Bedingungen im Weltall reagieren.
550 Gramm wiegt der Cubesat und kann 200 Gramm Nutzlast transportieren. Die Schüler wissen, es kann noch viel schiefgehen, die Trägerrakete kann beim Start explodieren, die winzigen Instrumente können mit fatalen Folgen ausfallen, der Cubesat könnte den Weltraumbedingungen nicht standhalten oder er sendet keine Daten. Aber wenn alles glatt läuft, werden die Daten zum Schluss zusammen mit der Uni Hamburg ausgewertet - die Schüler schnuppern damit zum ersten Mal im Leben den süßen Duft der Wissenschaft.
Hellauf begeistert
Betritt man den Klassenraum fällt sofort eine große silberne Metallkiste mit Solarelementen ins Auge, ein Modellnachbau des Cubesat, an dem die Schüler Aussehen und Funktionen anschaulich und begreifbar nachvollziehen können. Einige Kisten mit Kleinteilen stehen herum, denn an zwei Prototypen wurde schon mal der Zusammenbau geübt. Der »echte«, in Einzelteile zerlegte Satellit hat das Qualifying bei der NASA mit Bravour überstanden und ist gerade wieder aus den USA in der DBS eingetroffen.
Zwei Schüler mit Gummihandschuhen und Reinraum-Hauben zum Schutz vor Verunreinigungen machen sich vorsichtig ans Auspacken, während der betreuende Lehrer Bernhard Krenig stolz und überglücklich den NASA-Vertrag in Händen hält, mit dabei in diesem denkwürdigen Augenblick Landrätin Anita Schneider.
Sie hatte durch einen Artikel im Anzeiger von dem Projekt erfahren und war sofort hellauf begeistert »Das ist doch unmöglich, wie wollen die das nur schaffen«, erzählt Schneider von ihren ersten Gedanken, und Krenig wirft immer noch ungläubig ein: »Da ruft Frau Schneider doch einfach in der Schule an, fragt, wie sie helfen kann. So was habe ich noch nie erlebt.« Das Weltraum-Projekt ist teuer, kostet in etwa so viel wie ein Mittelklassewagen, was natürlich jedes Schulbudget sprengt. Ja, und nun hatte Schneider eine Spende über 4000 Euro des Energieversorgers Ovag mit im Gepäck und stellte fest: »Es ist wichtig, Schüler möglichst früh für Naturwissenschaften zu begeistern. An diesem Weltraum-Projekt wird sogar klassenübergreifend von Stufe 5 bis 10 gemeinsam gearbeitet und etwas geradezu Unglaubliches realisiert, das einfach unterstützt werden muss.«
Die Schüler hätten dabei so viel gelernt, angefangen von unzähligen Telefonaten, Spenden einwerben, Anträge schreiben bis hin zu Solartechnik, Satellitenbau, Raketenantrieb, Mikroelektronik, aber auch Physik, Chemie sowie Biologie, das würde sogar mancher Wissenschaftler nicht so gut hinbekommen.
Die Schüler zeigen sich euphorisch und der zehnjährige Lio erzählt: »Ich bin neu hier an der Schule. Als ich von der Weltraum AG erfuhr, dachte ich nur ›oh, nice‹.« Sogar gegen den ausdrücklichen Willen seiner Mutter stieg er sofort mit ein und aus seinen Augen leuchtet die pure Begeisterung. Den kleinen Satelliten haben die Schüler »Pax mundi« (Weltfrieden) getauft und werden ihn zum Schluss mit ihrem grün-blauen Weltkugel-Logo schmücken. Nun aber muss der Cubesat erst mal zusammengebaut und getestet werden, was nach Schätzungen von Krenig etwa acht bis zwölf Wochen in Anspruch nehmen wird, wobei der Biebertaler Elektrotechnik-Ingenieur und Amateurfunker Winfried Senger tatkräftig Hilfestellung geben wird.
»Die Baupläne liegen in der Cloud, für uns alle ist das Kommende absolutes Neuland«, lächelt Krenig und blickt hoffnungsvoll in die Zukunft. »Einen genauen Starttermin gibt es bisher noch nicht. Erschwerend kommt die Wetterabhängigkeit hinzu, bei Nebel, starkem Wind oder Feuchtigkeit wird selbst ein versprochener Start abgesagt und verschoben.«
Wenn es irgend möglich ist, wird Lehrer Krenig zum Raketenstart ins Kennedy-Space-Center nach Florida reisen, während die Schüler das Schauspiel an einer Riesenleinwand in heimischen Gefilden verfolgen können.
