Es klingt verlockend, was Bürgermeister Dietmar Kromm den Reiskirchenern auf einem Handzettel in Aussicht stellt. Es gibt nur einen Haken: Der Flyer ist gefälscht.
Von Eva Pfeiffer
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REISKIRCHEN - Die Ortsteile vom Autoverkehr entlasten, eine bessere Bahnanbindung, Radwege ausbauen und dafür auch noch Fördermittel bekommen - es klingt verlockend, was Bürgermeister Dietmar Kromm den Reiskirchenern auf einem Handzettel in Aussicht stellt. Es gibt nur einen Haken: Der Flyer ist gefälscht. "Ich habe das Ganze weder autorisiert, noch hatte ich Kenntnis davon", betont der Rathauschef im Gespräch mit dem Anzeiger.
Am vergangenen Wochenende war der Flyer an mehreren Stellen in der Gemeinde aufgetaucht, wurde unter anderem in Bersrod und Burkhardsfelden in Briefkästen geworfen. "Mein neues Versprechen: Endlich eine deutliche Entlastung der B49" prangt auf der Vorderseite neben einem Portrait des Bürgermeisters. Gleichzeitig wird auf die kommende Bürgermeisterwahl am 28. Oktober hingewiesen und um Unterstützung gebeten.
Der Ernsthaftigkeit eines Bürgermeisterwahlkampfes seien derartige "Fake-Flyer" nicht angemessen, findet Kromm. Zwar rücke ihn der Inhalt nicht in ein schlechtes Licht, der Wähler werde jedoch getäuscht. "Es werden Versprechen genannt, die ich angeblich machen würde. Das stimmt so nicht", kritisiert Kromm.
Zu diesen Versprechen gehören die Stärkung der Vogelsbergbahn, ein neuer Haltepunkt im Ortsteil Lindenstruth, ein neues Überholgleis, damit alle Ortsteile der Gemeinde von jedem Zug bedient werden können sowie mehr Radwege zwischen den Ortsteilen. Mit einem gut ausgebauten Radwegenetz habe man in anderen Kommunen "fast die Hälfte des Verkehrs auf Zweiräder verlagern" können - etwas, das man auch in Reiskirchen versuchen solle, so der Flyer weiter. Der Ausbau von Radwegenetzen und öffentlichem Personennahverkehr sei "schneller und billiger" realisierbar, als die Nordumgehung.
Auch die Einführung des kostenfreien Nahverkehrs wird ins Gespräch gebracht. Er habe bei seinem letzten Sommerurlaub gesehen, wie gut das in anderen Ländern funktioniere, legt der Flyer-Verfasser dem Rathauschef in den Mund. Für zusätzliche Authenzität soll ein Foto sorgen, das Kromm angeblich in Frankreich aufgenommen habe. Das, so Kromm, sei aber ebenso falsch, wie die erwähnte "Fortbildung für Bürgermeister" oder die angebliche Zusammenarbeit mit Buseck und Grünberg, um den Autoverkehr zu reduzieren.
Wie viele Flyer verteilt wurden und wer dahinter steckt, ist nicht bekannt. Der Bürgermeister will darüber auch nicht spekulieren, hat aber bereits Anzeige gegen Unbekannt gestellt. "Ich finde es nicht gut, wenn jemand meine Unterschrift und mein Foto für einen 'Fake-Flyer' verwendet."
Ende Januar waren in Gießen ähnliche Flyer aufgetaucht, die Bus und Bahn "zum Nulltarif" versprachen und das Ganze mit Foto und Unterschrift von Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz und Logos unter anderem von den Stadtwerken Gießen und der Justus-Liebig-Universität unterstützten.
Damals wie heute dürfte so manchem Leser des Flyers die Projektwerkstatt Saasen um Schwarzfahr-Aktivist Jörg Bergstedt in den Sinn kommen. Der zeigte sich auf Anfrage des Anzeigers amüsiert von der Aktion: "Es scheint in Mode zu kommen, solche Flyer zu verteilen. Politische Veränderungen brauchen kreative Aktionen."
Ziel der Ökoaktivisten ist es, dass mehr Menschen vom Auto auf Bus, Bahn und Fahrrad umsteigen. Das dafür erarbeitete Konzept für die "Verkehrswende im Wiesecktal" ist in vielen Punkten deckungsgleich mit dem Text des Flugblattes. Die Projektwerkstatt habe mit allen drei Bürgermeisterkandidaten über ihr Verkehrswendekonzept gesprochen. Die Unterhaltungen seien allesamt "sehr nett" gewesen, erinnert sich Bergstedt. Doch egal wer am 28. Oktober gewählt werde: "Wenn kein Druck gemacht wird, wird sich die Politik nicht bewegen."