Schlammschlacht in der AfD
Der Gießener Bundestagsabgeordnete Uwe Schulz soll eine Parteifreundin verbal und körperlich angegangen haben. Dafür kassiert er eine Abmahnung des Bundesvorstands.
Kreis Gießen. Uwe Schulz ist ein Politiker, der eher selten im Rampenlicht steht, dafür aber umso einflussreicher im Hintergrund Strippen zieht. Als Sprecher des mitgliederstärksten AfD-Kreisverbands hat er großen Einfluss auf den Landesverband seiner Partei. Auf Platz drei der Landesliste zog er vor einem Jahr zum zweiten Mal in den Deutschen Bundestag ein. Umso unangenehmer dürften ihm daher jetzt Schlagzeilen wie »AfD-Mann attackiert Vizechefin« im »Focus« oder »Stern« sein. Tatsache ist: Der starke Mann der Gießener AfD wurde vom Bundesvorstand seiner Partei offiziell abgemahnt wegen eines »Verstoßes gegen die Ordnung« seiner Partei.
Konkret soll Schulz beim AfD-Landesparteitag am 16. Oktober in der Gießener Kongresshalle der stellvertretenden Bundessprecherin seiner Partei, Mariana Harder-Kühnel, »zunächst absichtlich einen Stoß mit der Schulter« verpasst und sich ihr mehrmals »mit aggressiver und einschüchternder Körperhaltung« genähert haben. Zudem soll Schulz die Parteifreundin als »scheiß Narzisstin« und »letzten Dreck« bezeichnet haben.
Vorwürfe dementiert
Schulz selbst bestreitet auf Anfrage jeglichen Körperkontakt mit Harder-Kühnel in der Kongresshalle und will dafür auch mittlerweile fünf Zeugen gefunden haben. Sein Rechtsanwalt habe bereits Strafanzeige gegen Harder-Kühnel gestellt.
Laut Schulz hat es lediglich eine verbale Auseinandersetzung zwischen ihm und Harder-Kühnel gegeben. Er habe ihr gesagt, sie sei eine Narzisstin, die sich einen Scheiß um die Parteiarbeit kümmere. Besonders verärgert habe ihn an diesem Tag, dass sich die Vize Bundessprecherin auf das Gruppenbild der Landtagskandidaten gedrängt habe.
Mariana Harder-Kühnel hatte 2018 dreimal vergeblich für den Posten einer Bundestagsvizepräsidentin kandidiert. Schlagzeilen machte sie auch mit einem Selfie, das sie gemeinsam mit dem damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz zeigt.
Es sei in der Partei kein Geheimnis, dass ihrer beider Verhältnis nicht das beste sei, sagt Schulz. Angesichts der Schwere der jetzt gegen ihn erhobenen Vorwürfe wundere ihn, warum ihn Harder-Kühnel nicht selbst angezeigt habe. »Die Frau ist schließlich Volljuristin.«
Zumindest gegenüber seiner Partei, die ihn am 22. November zu einer Stellungnahme aufgefordert hatte, konnte Schulz die Vorwürfe nicht entkräften. Die offizielle Abmahnung gegen ihn wurde am 8. Dezember ausgesprochen, weil der Bundesvorstand die von Schulz´ Anwalt eingereichte Stellungnahme »lediglich als Schutzbehauptung« bewertet und Schulz parteiintern nicht zum ersten Mal aufgefallen sei.
So soll er in der Vergangenheit Harder-Kühnel bereits schon einmal als »Schlampe, die noch nie was gearbeitet hat« bezeichnet haben und einen anderen Parteifreund als »Querulanten und falschen Fuffziger«. Eine Parteifreundin aus dem Landkreis Gießen soll er als »Krebsgeschwür der Partei« bezeichnet haben (was jene auf Anzeiger-Nachfrage bestätigte) und die Verleumdungsklage eines anderen Parteimitglieds habe er durch die freiwillige Zahlung von 1500 Euro abgewendet.
»Nach alledem sind an dem Ihnen vorgeworfenen Sachverhalt keine vernünftigen Zweifel mehr möglich«, schreibt der Bundesgeschäftsführer Hans-Holger Malcomeß an Schulz und weiter: »Als Reaktion auf Ihr Verhalten ist eine Abmahnung erforderlich, aber auch ausreichend.« Gemäß der Bundessatzung der AfD ist eine Abmahnung die mildeste Ordnungsmaßnahme gegen unbotmäßige Parteimitglieder. Ihr könnten der Verlust der Parteiämter und das Verbot der Kandidatur für ein Parteiamt bis zu einer Höchstdauer von zwei Jahren folgen.
»Dreist« oder »Drecksau«?
Schulz räumt die außergerichtlich beigelegte Anzeige eines ehemaligen Mitarbeiters des Bundestagsbüros von Harder-Kühnel ein. Die »Verleumdung« habe darin bestanden, dass er irrtümlicherweise gesagt habe, dieser sei von einem Parteiamt zurückgetreten. In Wirklichkeit sei der Mann aber nicht mehr zur Wahl angetreten. »Das war ein sachlicher Fehler, keine Verleumdung.«
Schulz kritisiert, dass die dem AfD-Bundesvorstand zugespielte Liste seiner angeblichen Vergehen »selektiv, tendenziös und auch falsch« sei. So wird ihm vorgeworfen, den früheren Anzeiger-Redakteur Thorsten Thomas in einer internen Mail als »Drecksau« bezeichnet zu haben. Schulz schickte darauf einen Screenshot dieser Mail. Über einem AfD-kritischen Kommentar von Thomas hat Schulz geschrieben: »Inhaltlich liegt er ja nicht falsch, seine Wortwahl ist jedoch dreist.« Das Wort »Drecksau« findet sich in der Betreffzeile der Ketten-Mail, die mehrfach von AfD-Mitgliedern weitergeleitet worden ist. Wer hat sie gestartet und das Wort in die Betreffzeile geschrieben? Daran könne er sich jetzt auf die Schnelle nicht erinnern, sagt Schulz.