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»Von der Schweiz lernen«

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Verein Lumdatalbahn richtet Fahrgasttag im Kulturbahnhof Lollar aus. Ein Resümee lautet: Reaktivierungen von Bahnstrecken sind möglich.

Kreis Gießen (voh). »Wir müssen von der Schweiz lernen, die lässt unpünktliche deutsche Züge stehen«, sagte Manfred Lotz im Kulturbahnhof Lollar. Als Gastgeber hatte dort der Verein Lumdatalbahn den Mittelhessischen Fahrgasttag zum Thema Reaktivierungen im Bahnverkehr ausgerichtet. Vereinsvorsitzender Lotz begrüßte Vertreter von Initiativen, Verbänden und Vereinen aus Mittel-, Nord- und Osthessen. Das Regierungspräsidium Gießen hatte den regionalen Schienencoach Jonas Goebel vom Dezernat für Regionalplanung und Bauleitplanung geschickt, der Landkreis Gießen den Hauptamtlichen Beigeordneten Christian Zuckermann, der Landkreis Marburg-Biedenkopf den Ersten Beigeordneten Marian Zachow.

Der erste Fahrgasttag war gleichsam ein erster Schritt für das gemeinsame Ziel: Das Pilotprojekt Nahverkehr mit einer Mittelhessischen City-Bahn im Einzugsbereich Limburg-Fulda und Homberg-Wabern-Friedberg. Später könnte eine RegioTram hinzu kommen. Die Schiene würde intermodal vernetzt mit Bus und Park & Ride-Angeboten. Es kämen neue Haltepunkte hinzu und eine dichtere Taktfolge. Lotz machte deutlich, »es geht um ehrenamtliche Leute. Wir arbeiten für die Politik«. Heute könnten die Redner ihren Kummer los werden. Übereinstimmend berichteten jene von Schwierigkeiten mit der Kommunalpolitik, den Verwaltungen der Rathäuser und Landkreise.

Stephan Kannwischer, Sprecher der AG Horlofftalbahn, erklärte den »Druck auf die Politik« zum strategischen Allheilmittel bis heute. Bezogen auf den Öffentlichen Nahverkehr nannte er das Vorgehen der hessischen Politik »zu langsam, unambitioniert und schläfrig«. Derweil kümmerten sich Vereine und Initiativen um Reaktivierungen, sagte Lotz. Das angestoßene Ziel zu erreichen, brauche man die Politiker. Friedrich Lang vom Fahrgastverband Pro Bahn 6 Bus äußerte sich erstaunt über die verhältnismäßig schnelle Reaktion der hessischen Politik damit die Lumdatalbahn bis zum RHI-Werk in Mainzlar wieder genutzt werden kann. Zachow nannte es erfreulich, wenn das Regierungspräsidium neuerdings die Bedeutung von Güterverkehr auf der Schiene erkannt habe. Momentan spüre er überhaupt eine Aufbruchsstimmung. Schienencoach Goebel habe beruflich schon einmal wissenschaftlich mit Bahn-Reaktivierungen beschäftigt. Der angestrebten Deutschlandtakt »könnte der Gamechanger sein«, ein mittelhessisches Nahverkehrskonzept »ein großer Wurf« werden. Goebel teilte mit der Regionalplan Mittelhessen wolle auch die Schiene stärken. Er selbst sei zuständig für das Beraten und Vernetzen der Akteure, Bedarfe zu erörtern und er möchte den »Konsens der Region schaffen«.

Zuckermann lobte zunächst, »was sie tun, ist extrem wichtig. Sie geben den Hauptamtlichen ein Mandat. Wir müssen jetzt Parteien übergreifend reden und Mitstreiter suchen«. Der Landkreis habe allerdings die Aufgabenträgerschaft für den Öffentlichen Nahverkehr an den Zweckverband Oberhessischer Versorgungsbetriebe abgegeben. Dessen eigene Gremien bestimmten daher die Richtung. Es gebe beim Landkreis aber eine interfraktionelle Arbeitsgruppe für Nahverkehr. Zuckermann wünschte sich eine übergeordnete Instanz die für besseren ÖPNV und seine Infrastruktur in den Landkreisen Gießen, Lahn-Dill, Marburg-Biedenkopf, Wetterau und Vogelsberg sorgte. Er äußerte Unverständnis für die Allmacht der Nutzen-Kosten-Untersuchung im Vorfeld einer geplanten Reaktivierung.

Dr. Jan Fleischhauer vom Verkehrsclub Deutschland, Kreisverband Gießen, erläuterte die Folgen am Beispiel des Wohnprojekts entlang des Bahnhofs Großen-Linden wenn die Trasse der Main-Weser-Bahn zwischen Gießen und Friedberg nicht für den viergleisigen Ausbau freigehalten werde. Der Bundesverkehrswegeplan sehe beim Straßenbau klare Regeln vor, derweil würde sich beim Schienenverkehr zuvorderst um die Zuständigkeit gestritten, im vorliegenden Fall das RP Gießen und DB Netz. Zachow ergänzte: »Am Ende bleibt es der Kommune überlassen«. Goebel informierte, dass von den 8000 Änderungswünschen für den Regionalplan Mittelhessen sich 700 auf Verkehr bezögen. Ende 2023 komme die zweite Offenlage mit wiederum Beteiligung der Öffentlichkeit.

Über Reaktivierungsprojekte informierten Stephan Kannwischer (Horlofftalbahn), Friedrich Lang (Lumdatalbahn), Marian Zachow (Salzbödetalbahn und Ohmtalbahn), Marc Koller (Nordhessische Kanonenbahn), Stephan Kretzer (Diezhölztalbahn) sowie Thomas Kraft (Solmsbachtalbahn).

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