Weniger Angebot, höhere Preise

Das teuerstes Baugrundstück wurde laut Immobilienmarktbericht im vergangenen Jahr in Buseck verkauft.
Kreis Gießen. 324 Euro je Quadratmeter kostete das teuerste Baugrundstück, das im vergangenen Jahr den Eigentümer wechselte. Ort des Geschäfts war die Gemeinde Buseck. Deutlich günstiger war der Baulandkauf für einen Häuslebauer in Grünberg, der nur 40 Euro pro Quadratmeter zahlen musste. Zwischen diesen beiden Extremen schwanken die Preise.
Und mit dem Busecker Beispiel war man im Vergleich mit den Landkreisen Lahn-Dill und Marburg-Biedenkopf sogar noch günstig dabei. In Wetzlar fand Bauland für 480 Euro den Quadratmeter einen neuen Eigentümer, in Fronhausen (Marburg-Biedenkopf) waren 332 Euro zu zahlen. Diese Daten stammen aus dem jährlichen Immobilienmarktbericht, den der Gutachterausschuss beim Amt für Bodenmanagement in Marburg jetzt vorgelegt hat. Er betrachtet die Transaktionen in den drei Landkreisen, allerdings ohne die Städte Gießen und Marburg. Der Bericht zeigt: Es wird weniger verkauft, aber zu immer höheren Preisen.
Während der Landkreis Gießen bei den Baugrundstücken nicht an der Spitze steht, sieht das bei den Ein- und Zweifamilienhäusern schon ganz anders aus. 868 000 Euro wurden für das neue, gebrauchte Eigenheim in Lich gezahlt. Für 762 000 Euro gab es den Zuschlag in Wettenberg. Der dritte Platz gebührt Pohlheim mit einem Verkaufspreis von 760 000 Euro. Die Nachbarlandkreise können da nicht mithalten. In Wetzlar wurde für 708 000 Euro verkauft, in Weimar für 650 000 Euro.
Bei den Eigentumswohnungen sind der Lahn-Dill-Kreis und Marburg-Biedenkopf hingegen in der Spitze teurer. Während in Biebertal eine Wohnung für 4380 Euro je Quadratmeter Wohnfläche den Eigentümer wechselte, wurden in Wetzlar 4560 Euro und in Weimar gar 4715 Euro gezahlt.
Zehn Prozent weniger Verkäufe
Grundsätzlich gab es auf dem Immobilienmarkt im vergangenen Jahr 9058 Transaktionen - 10,5 Prozent weniger als 2021. Die Zahl der Zwangsversteigerungen stieg hingegen um fast 22 Prozent.
In allen drei Landkreisen sind 2022 weniger Baugrundstücke veräußert worden. Doch der Rückgang um fast 50 Prozent im Landkreis Gießen (67 im Vergleich zu 133) sticht heraus. In Marburg-Biedenkopf gab es hingegen 221 Grundstücksgeschäfte, im Lahn-Dill-Kreis 180 - das ist jeweils ein Drittel weniger. Doch beim Preis ist der Landkreis Gießen unangefochten an der Spitze: Der Mittelwert lag bei 174 Euro den Quadratmeter. In Marburg-Biedenkopf waren es im Durchschnitt 99 Euro und im Lahn-Dill-Kreis 115 Euro. Die stetige Verteuerung der Bauplätze setze sich »rasant« fort, schreiben die Gutachter. Dies liege nicht zuletzt daran, dass immer weniger Grundstücke zum Verkauf stehen.
Erneuerbare Energien als Faktor
Ein im Bericht nicht erwähnter Faktor ist, dass bei verschiedenen Baugebieten der Einsatz von erneuerbaren Energien für höhere Quadratmeterpreise sorgt. Beispielsweise setzt die Imaxx Projektentwicklungsgesellschaft bei ihren Baugebieten in Annerod (Jägersplatt IV), Großen-Buseck (Hainerde II) und Oppenrod (Rahberg II) auf sogenannte Erdwärmekörbe. Während in Großen-Buseck 223 Euro je Quadratmeter zu zahlen sind, wurden in Oppenrod 239 Euro und in Annerod gar 319 Euro angesetzt.
Bei den Ein- und Zweifamilienhäusern gab es um 7,3 Prozent mehr Verkäufe in den drei Kreisen. Und die Immobilien werden immer teurer. Ein Haus von 1986 mit 150 Quadratmetern Wohnfläche und 700 Quadratmetern Grundstück kostet im Durchschnitt 337 000 Euro und damit zehn Prozent mehr als im Vorjahr.
Im Landkreis Gießen lag der Durchschnittspreis aller verkauften Ein- und Zweifamilienhäuser mit 345 000 Euro noch darüber. 622 wechselten den Besitzer und damit knapp 15 Prozent mehr als 2021.
Gerade mal 183 neue Eigentumswohnungen wurden im vergangenen Jahr in den drei Kreisen veräußert - ein Viertel weniger als 2021. Der Durchschnittspreis je Quadratmeter stieg hingegen um weitere fünf Prozent an und lag bei 3764 Euro.
Trotz der Rückgänge bei Grundstücken, Häusern und Wohnungen wurde bei allen Transaktionen mehr Geld umgesetzt. Im Immobilienmarktbericht wird eine Summe von 486,8 Millionen Euro genannt. Das ist ein Zuwachs von zehn Prozent.
Höchste Stufe im Speckgürtel
Die Gutachter haben die mittleren Quadratmeterpreise für Baugrundstücke in sieben Stufen unterteilt. Die höchste Stufe mit einem mittleren Preis von 315 Euro gibt es nur im Speckgürtel um Gießen. Auf einer Grafik im Bericht sind Heuchelheim, Wettenberg, Linden, Pohlheim, Buseck und Lich gekennzeichnet.
Eine Grundlage für die Festlegung des Verkaufspreises sind sogenannte Bodenrichtwerte. Diese werden von Gutachterausschuss für vergleichbare Grundstücke in einem abgegrenzten Gebiet festgelegt. Spitzenreiter in einer guten Lage ist dabei Heuchelheim mit 305 Euro pro Quadratmeter, knapp vor Linden (300 Euro) und Pohlheim (290 Euro). Am anderen Ende des Spektrums stehen Rabenau (100 Euro), Laubach (105 Euro) sowie Allendorf/Lda. und Grünberg (je 130 Euro).
Welche Erwartungen haben die Experten für die Entwicklung des Immobilienmarktes in diesem Jahr? »Anhand unserer Auswertung der Immobilienmarktdaten ist seit etwa dem dritten Quartal 2022 ein Rückgang der registrierten Grundstückstransaktionen erkennbar. Die stark angestiegene Inflationsrate und die damit verbundene Leitzinserhöhung spiegeln sich bereits in einer erkennbaren Zurückhaltung bei Bauherrschaft und Investoren wider. Im Gegensatz zu anderen Regionen mit bereits rückläufigen Immobilenpreisen ist die Trendwende am mittelhessischen Immobilienmarkt noch nicht vollends angekommen. Vermutlich zeigt sich eine solche Entwicklung erst nächstes Jahr deutlicher.«
Durch höhere Baukosten und steigende Zinsen für Hypothekenkredite ist der Bauboom der vergangenen Jahre ins Stocken geraten. Wie ist die Situation aus Sicht der Sparkasse Gießen und der Volksbank Mittelhessen? Wie teuer ist inzwischen ein Baukredit und wie hat sich die Nachfrage nach diesen Krediten in den vergangenen zwölf Monaten verändert?
Die Konditionen für Baufinanzierungen bei der Sparkasse Gießen seien abhängig von der Darlehenshöhe, dem eingesetzten Eigenkapital, der Absicherung und der Darlehenslaufzeit. Bei einer Mindesttilgung von 1,5 Prozent zuzüglich ersparter Zinsen liege der gebundene Sollzinssatz aktuell zwischen 3,6 und 4,2 Prozent. Im Vorjahr seien es zwischen 1,3 und 1,6 Prozent gewesen. Teilweise gebe es innerhalb eines Tages Veränderungen der Baufinanzierungskonditionen.
Die Volksbank verwies in ihrer Antwort ebenfalls auf die verschiedenen Faktoren, die Einfluss auf den Zins haben. Der Anstieg habe bei Verträgen mit zehnjähriger Zinsbindung im Vergleich zum April 2022 knapp zwei Prozent betragen und liege derzeit bei knapp vier Prozent.
Die Nachfrage sei aufgrund der stark gestiegenen Bauzinsen in den vergangenen zwölf Monaten weiter rückläufig, hieß es von der Sparkasse. Viele Bauherren müssten neu kalkulieren oder setzten geplante Vorhaben, insbesondere Neubauprojekte, nicht um. Zudem spüre man eine gewisse Zurückhaltung beim Immobilienkauf; Neubauprojekte würden zur Zeit kaum nachgefragt. Selbstverständlich spielten hier auch der Ukraine-Krieg und die Inflation eine Rolle. »Eine baldige Erholung ist unserer Meinung nach nicht in Sicht«, so die Sparkasse. Allerdings sehe man in der energetischen Sanierung von Immobilien großes Potenzial. Ökologische Aspekte in Verbindung mit gesellschaftlicher und sozialer Verantwortung spielten bei Immobilien zukünftig eine größere Rolle. »Die weitere Entwicklung im Baufinanzierungsgeschäft bleibt spannend«, so die Sparkasse.
Bei der Volksbank hat man eine andere Situation: »Nach einem Rückgang der Nachfrage im vergangenen Jahr, der vor allem dem schnellen Zinsanstieg geschuldet gewesen sein dürfte, merken wir seit Jahresanfang eine spürbar steigende Nachfrage nach Baukrediten vor allem im Bereich Modernisierung und Neubau.« (vb)