Gleiberger Schwestern organisieren einen Hilfstransport nach Lesbos
Die Gleiberger Schwestern Lara und Lucie Gruber wollen in Lesbos Flüchtlingen helfen. Sie hoffen auf Geld- und Sachspenden.
Von Volker Mattern
Dem Wegschauen und der Gleichgültigkeit etwas entgegensetzen - das wollen Lara (links) und Lucie Gruber mit ihrem privat organisierten Hilfstransport nach Lesbos, den sie auch selber durchführen. Foto: Mattern
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WETTENBERG-KROFDORF-GLEIBERG - KROFDORF-GLEIBERG (mav). Ein großes Herz, Entschlossenheit, soziales Engagement und das unvoreingenommene Erkennen und Wissen um Not und menschliches Elend, dessen Linderung nicht durch reden, sondern durch Handeln erreicht wird: All diese positiven Eigenschaften vereinen und einen die beiden Schwestern, Lara und Lucie Gruber aus Gleiberg.
Was sie sich in den Kopf gesetzt haben, klingt nicht nur abenteuerlich, es wird ganz sicher ein Abenteuer und - wie sie selbst sagen - keine Spazierfahrt: Die beiden taffen jungen Damen im Alter von 20 (Lara) und 18 (Lucie) wollen, in Begleitung eines Freundes, mit dem elterlichen Kleinbus hoffentlich voller Spenden aufbrechen nach Lesbos, um dort den Menschen in den Flüchtlingslagern zu helfen.
Dieses Unternehmen erfordert Mut und der wird genährt durch eine beeindruckende Zuversicht, Selbstvertrauen und den unbändigen Willen, der hierzulande vorherrschenden Gleichgültigkeit und Selbstzufriedenheit, wie sich Lara kritisch äußert, etwas entgegenzusetzen. Dass der Vater der beiden seine Bemerkung, "wenn ich könnte, würde ich es verbieten, aber sie sind ja volljährig", mit einem Lächeln schmückt, zeugt von Vertrauen.
Das hat Lara bereits vor vier Jahren schon nicht enttäuscht, als sie im Rahmen eines mehrmonatigen Aufenthalts in Kolumbien nicht nur ihre Spanischkenntnisse verbesserte, sondern dort auch außerhalb der Schule in einer Einrichtung für krebskranke Kinder arbeitete und eine Spendenaktion in der Heimat initiierte (wir berichteten). Sie studiert an der JLU in Gießen neben Lehramt für Spanisch auch Lehramt für Politikwissenschaft, während die jüngere Schwester das Abitur im Blick hat.
Wie sehen die Planungen aus: Lara und Lucie erbitten Sach- und Geldspenden. Sie haben engen Kontakt mit der Organisation, "One happy Family", deren Vorsitzender, Anton Scheit, vor Ort sein wird und das Projekt maßgeblich unterstützt und auch durch die Infos in den sozialen Medien gab es bereits eine große positive Resonanz mit hilfreichen Tipps. Mit Blick auf den bevorstehenden Winter sollen die Sachspenden vor allem aus sättigender, lang haltbarer Nahrung, wie beispielsweise Reis, Nudeln, Milchpulver, Dosensuppen, bestehen. Benötigt werden dringend auch Hygieneartikel, wie Masken, Windeln, Tampons, Desinfektionsmittel, Kernseife und Ähnliches. Kleidung hat aktuell keine Priorität, ausgenommen Herrenschuhe in den Größen 39-45, an denen Mangel herrscht. Es versteht sich von selber, dass diese zumindest gut erhalten, besser noch neu sein sollen.
Die Sachspenden werden vor Ort zentral durch die Einrichtung "Attika Warehouse" auf die verschiedenen Lager verteilt.
Wer Geld spenden will: Geldspenden erbitten die beiden auf das Konto von Lara Marie Gruber, bei der Sparkasse Wetzlar, DE 81 5155 0035 0002 5817 83, mit dem Verwendungszweck Hilfsaktion Lara u. Lucie Gruber für Lesbos. Diese monetären Mittel können ab sofort, bis wenige Tage vor der geplanten Abreise am 10. Oktober, überwiesen werden und gehen an die Organisation "One happy Family", die sie zielgerichtet verwendet. Die Sachspenden nehmen Lara und Lucie an den Samstagen 12. und 19. September sowie am 3. Oktober, jeweils in der Zeit von 13 bis 18 Uhr und zwischen dem 14. September und 6. Oktober immer montags ab 16.30 Uhr und dienstags zwischen 8 und 13 Uhr zuhause entgegen (Anschrift: 35435 Wettenberg-Gleiberg, Torstraße 1). Für Spenden wird auf Wunsch gerne eine Quittung ausgestellt. Hierzu ist im Verwendungszweck, neben dem Namen, entweder eine E-Mail-Adresse oder Mobiltelefonnummer anzugeben.
Was treibt die beiden an: "Moria ist ein vergessener Ort und die Menschen hier sind vergessene Menschen", hieß es in einem Bericht der Tagesschau im Juli, den Lara zitiert und diesem "Vergessen" will sie und ihre Schwester etwas entgegensetzen. Bis zu 20.000 dieser Menschen rufen in einem Flüchtlingslager um Hilfe, das um das Fünffache überbelegt ist und das schon des Öfteren als "die Hölle auf Erden" bezeichnet wurde. Diese Rufe kann man nur hören, wenn man sie hören will. "Ich bin unglaublich frustriert darüber, wie gleichgültig unsere Gesellschaft ist und wie leicht die Menschen über das Elend "vor unserer Haustür" hinwegsehen und -hören", sagte Lara.
Im Rahmen ihres Politikstudiums, aber auch privat, setzt sie sich oft mit dem Flüchtlingsthema auseinander. Die politische und gesellschaftspolitische Einordnung in und durch die Medien spielen für sie keine Rolle. Es zählt rein der humanitäre Aspekt, der die beiden antreibt und Lucie war es, die den Vorschlag mit Lesbos machte, wo sich ihre Schwester gedanklich zunächst mit einem Hilfstransport in den schwarzen Kontinent beschäftigte. Lesbos ist Europa und Europa lässt das Elend zu, da gab es nichts zu überlegen, wenn die Not dort so groß ist.
Die Reisekosten übernehmen die Familienmitglieder der Gruber-Mädels, sodass 100 Prozent der Spenden auch als Hilfe ankommt und kein Teil für die Überfahrten benötigt werden muss.
Momentan tendieren Lara und Lucie zu der Route bis nach Bari (Süditalien), von dort die Fähre nach Patras (Griechenland) und weiter von Athen die Fähre nach Lesbos. Die Alternativroute wäre über Österreich, Ungarn, Serbien, Bulgarien und von der Türkei aus die Fähre nach Lesbos. Das sind einige Grenzübergänge mehr und Ungarn hat bereits vor einigen Tagen aufgrund der Corona-Pandemie seine Grenze geschlossen.
Bei der Route durch Italien rechnen die beiden mit Kosten von Hin- und Rückreise von gesamt rund 800 Euro. Wenn die Strecke über den Balkan doch funktionieren sollte, wird es günstiger mit geschätzten 300 Euro je Hin- und Rückreise. Falls durch die Pandemie das Vorhaben unmöglich zu werden droht, soll es auf Anfang kommenden Jahres verschoben werden, oder, so Lara und Lucie, lassen wir die Spenden von Hamburg aus verschiffen.
Auch der Brand im Flüchtlingslager Moria in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch hat daran nichts geändert. "Jetzt brauchen die Leute noch mehr Hilfe. Jetzt machen wir es erst recht", sagte Lara. Zwar sei es schwer, jetzt zu wissen, wie es dort in vier Wochen aussieht, aber am Plan wollen die Schwestern weiterhin festhalten. Und eines ist sicher: Sie wollen die Spender auf dem Laufenden halten.