Wirbel um Kita Garbenteich

Die Lebenshilfe hat den Vertrag für die Kita Garbenteich gekündigt. CDU und FW erheben jetzt Vorwürfe gegen den Bürgermeister.
Pohlheim (dge/red). Schwere Vorwürfe erheben die Freien Wähler und die CDU Pohlheim gegen Bürgermeister Andreas Ruck (parteilos) in Sachen Lebenshilfe-Kita Garbenteich.
Die Lebenshilfe Gießen habe »überraschend« den Betriebsvertrag mit der Stadt zum 31. Juli 2023 gekündigt, schreiben die beiden Fraktionen in einer Pressemitteilung. Und weiter: Dirk Oßwald, Vorstandsvorsitzender der Lebenshilfe Gießen, sehe keine andere Möglichkeit mehr, um endlich mit dem Bürgermeister über die künftige Form der Zusammenarbeit ins Gespräch zu kommen, heiße es in dem an Ruck gerichteten Schreiben. Oßwald habe dieses Schreiben am 28. Juli in Kopie an die Stadtverordnetenvorsteherin Hiltrud Hofmann (Grüne), die Fraktionsvorsitzenden der Pohlheimer Parteien sowie den Elternbeirat der Lebenshilfe geschickt, damit Transparenz hergestellt werde und »eine konstruktive Diskussion auch im politischen Raum« stattfinden könne.
»Kein Stressfaktor«
Andreas Ruck sieht das ganz anders. Auf Nachfrage des Anzeigers erklärte er, das sei ein ganz normaler Vorgang. Da der neue Vertrag noch nicht fertig ausgestaltet und somit auch noch nicht unterzeichnet sei, müsse der alte Vertrag gekündigt werden. Das sei bei Langzeitverträgen wie hier - über rund fünf Jahre - ein normales geschäftliches Vorgehen. Das müsse schließlich »sauber aufgesetzt« werden. Er sei zur Zeit in Verhandlung mit Dirk Oßwald - »alles ganz entspannt«. Seit März dieses Jahres liefen die Gespräche. Die Lebenshilfe habe einen Mustervertrag vorgelegt, den wolle die Stadt Pohlheim noch um »ein paar Wünsche« ergänzen. »Und da wir noch Zeit haben bis zum kommenden Jahr, ist das auch kein Stressfaktor.«
FW und CDU wiederum erklärten, in Oßwalds Schreiben heiße es, dass die Lebenshilfe »seit geraumer Zeit eine Verschlechterung des Klimas in der Zusammenarbeit mit der Stadt Pohlheim« verspüre. Seit Dezember 2021 habe die Lebenshilfe versucht, bei Bürgermeister Ruck einen Termin für ein klärendes Gespräch zu erhalten, jedoch vergeblich.
Die Reaktion von Ruck zu diesem Vorwurf: »Um Gottes Willen. Aus welchem Grund denn?«. Seit er im Amt sei, sei »die Kommunikation um Welten gestiegen. Es wird immer alles abgesprochen«.
Im September vergangenen Jahres habe er den Wunsch nach einem Vertragsgespräch an Andreas Ruck herangetragen, erklärte Dirk Oßwald im Gespräch mit dem Anzeiger. Im Oktober 2021 habe man ein Gespräch geführt, am 21. Dezember sei schließlich ein Vertragsentwurf an die Stadt Pohlheim gegangen. »Seither habe ich nichts mehr gehört«, so Oßwald. Mitte Juni dieses Jahres habe er an den Vorgang erinnert, aber wiederum keine Antwort erhalten. So habe die Lebenshilfe »aus der Not heraus« den Vertrag präventiv gekündigt.
Aufgrund rechtlicher Änderungen und auch wegen der Kritik einiger Pohlheimer Kommunalpolitiker wolle die Lebenshilfe nun »dringend in Vertragsverhandlungen eintreten«. Für alle drei Lebenshilfe-Kitas in der Stadt gebe es eine deutliche Unterdeckung. Die Lebenshilfe habe im vergangenen Jahr zusammen rund 85 000 Euro »draufgelegt«. Jetzt habe er dem Bürgermeister Terminvorschläge gemacht und hoffe, dass man kurzfristig ein Gespräch anberaumen könne. Oßwald betonte: »Wir möchten die Kita in Garbenteich gerne weiter betreiben, aber unter veränderten Rahmenbedingungen.«
Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Malke Aydin, sieht die Situation mit Sorge: »Unter Bürgermeister Ruck verschlechtert sich die Situation der Kinderbetreuung in Pohlheim zunehmend. Nicht nur, dass die 100 zusätzlichen Kita-Plätze, die mit dem Neubau in der Kirchstraße im Frühjahr 2023 zur Verfügung gestanden hätten, vom Bürgermeister verhindert wurden. Mit dem Kündigungsschreiben der Lebenshilfe verschlimmert sich zum Sommer 2023 die Perspektive für den mit sechs Gruppen größten Pohlheimer Kindergarten: In Garbenteich stehen dann schlimmstenfalls bis zu 128 Kinder auf der Straße.«
Andreas Schuch, Vorsitzender der FW-Fraktion, rät, konstruktive Gespräche unter Beteiligung von Vertretern der Stadt, der Lebenshilfe sowie der Politik schnellstmöglich zu beginnen. Zudem sei die Lebenshilfe der größte Arbeitgeber in Pohlheim mit vorbildlichem sozialen Engagement. »Die Kommunikationsblockaden zwischen Stadt und Lebenshilfe müssen jetzt rasch überwunden werden.«
»Verschlechterung«
Oßwald erklärt laut CDU und FW in dem erwähnten Kündigungsschreiben, dass sich die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Stadt Pohlheim seit geraumer Zeit verschlechtert habe. Eine offene, transparente und auf gegenseitigem Vertrauen basierende Kooperation im Sinne der Pohlheimer Familien sei aktuell nicht möglich.
Aufgrund von Änderungen rechtlicher Grundlagen auf Bundes- und Landesebene, Anpassungen bei der Abrechnung der Betriebskosten sowie eine angestrebte Vereinfachung der Verwaltungstätigkeit solle der Betriebsvertrag für die Kindertagesstätten Garbenteich, Watzenborn-Steinberg (Germaniastraße) und der Wald-Kita »Rocky Hill« aktualisiert beziehungsweise überarbeitet werden. Der achtseitige Entwurf für einen neuen Vertrag liege der Verwaltung seit Dezember 2021 vor und werde nach Aussage von Bürgermeister Ruck geprüft.
»Weg gedrückt«
Zu dem Weg über die Stadtverordneten habe sich die Lebenshilfe nun gezwungen gesehen, »nachdem ein weiterer telefonischer Kontaktversuch zur Terminierung eines Gespräches ›weg gedrückt‹ wurde, und der nachfolgenden dringenden Bitte um einen Rückruf, die auf der Mailbox des Adressaten hinterlassen wurde, ohne Reaktion blieb«.
Malke Aydin forderte den Bürgermeister auf, sich im Sinne der aktuell 101 Kinder der Kita Garbenteich sowie der 91 Kinder in den Einrichtungen in Watzenborn-Steinberg und deren über 200 Familien mit der Lebenshilfe an einen Tisch und ins Benehmen zu setzen. Auch die Mitarbeiterinnen der Kitas bräuchten Planungssicherheit. Pohlheim solle den bewährten und zuverlässigen Partner Lebenshilfe nicht vergraulen. Auch ein Ausweichen auf einen anderen Träger sei angesichts des leergefegten Arbeitsmarktes für Erzieherinnen keine Perspektive.
Andreas Schuch brachte abschließend ins Gespräch, dass gegebenenfalls die langjährigen Magistratsmitglieder der CDU oder der FW die Gespräche von Stadt und Lebenshilfe vermittelnd begleiten oder für den Bürgermeister stellvertretend durchführen könnten.
Peter Alexander, Fraktionsvorsitzender der SPD, erklärte, dass Andreas Ruck sehr wohl die Kommunikation mit der Lebenshilfe gesucht habe. Auch er berief sich auf die Zeitspanne, das heißt, dass der Vertrag erst im kommenden Jahr ausläuft. Einen solchen Vertrag könne man nicht »von heute auf morgen« erstellen, die Verwaltung sei an der Sache dran. »Da muss man ein klein wenig Geduld aufbringen.« Die SPD-Fraktion werde in naher Zukunft den Kontakt zur Lebenshilfe suchen und auch Erfahrungen anderer Kommunen einholen. »Es gibt ja zahlreiche freie Träger, wobei aber nichts gegen eine Fortführung mit der Lebenshilfe spricht«, betonte Alexander. Die Opposition versuche eben immer wieder, Bürgermeister Ruck zu diskreditieren, erklärte der SPD-Fraktionsvorsitzende.