»Wollten nur chillen und trinken«
Ein weiterer Freund wusste vom »Dreier« im Wald bei Lich. Zwei Mämnnern müssen sich jetzt vor Gericht in Gießen wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung verantworten.
Kreis Gießen . Zusammengekauert und in sich gekehrt hörte sich das vermeintliche Opfer einer Vergewaltigung in Lich den Chat-Verlauf mit zwei Freundinnen aus dem Polizeiprotokoll an, das ihr die beisitzenden Richter Dr. Alexander Schmitt-Kästner und Robert Metz an Tag zwei des Prozesses vor der 9. großen Kammer des Landgerichts Gießen vorlasen.
Zwei junge Männer aus Butzbach müssen sich hier wegen gemeinschaftlich begangener Vergewaltigung verantworten.
Die beiden in Kasachstan geborenen 23 und 31 Jahre alten deutschen Staatsangehörigen sollen in jener Oktobernacht 2020 die damals 20-Jährige auf der Rückbank eines 5er BMW zum Sex in einem Licher Waldstück gezwungen haben (der Anzeiger berichtete).
Für das wenige Tage später erstellte Vernehmungsprotokoll hatte die junge Frau, die ebenfalls kasachische Wurzeln hat, die Chats mit ihren Freundinnen zur Verfügung gestellt. Darin wird deutlich, dass sich die heute 22-Jährige nur ganz allmählich ihren Bekannten anvertraut und zunächst nicht zur Polizei geht, obwohl ihr dies geraten wird.
»Ich habe mich dafür geschämt«, bekräftigte die junge Frau erneut. Sie habe sich verantwortlich gefühlt: »Wenn ich nicht mitgegangen wäre, wäre es nicht geschehen.«
Freundin zeigt Tat an
Erst als eine der Freundinnen, der sie sich anvertraut hatte, von sich aus Anzeige erstattete, sagte auch sie als mutmaßliches Opfer vor der Polizei aus.
Warum sie nicht sofort nach der Tat in Lich zur Polizei gegangen sei, fragte Frank Richtberg, Verteidiger des älteren der beiden Angeklagten, ungläubig.
Diese wiederholte, dass sie zunächst völlig durcheinander war. »Zuerst habe ich es nicht wahrhaben wollen, was da passiert ist«, schilderte sie ihre Emotionen. Außerdem habe sie Angst davor gehabt, wie die »beiden Jungs« dann reagieren würden.
Im weiteren Verlauf der Verhandlung wurde auch der erste Zeuge gehört. Der 23-jährige Elektroniker-Lehrling, der ebenfalls zu der kasachischstämmigen Community gehört, ist mit beiden Angeklagten befreundet und begleitete sie in der fraglichen Nacht im Oktober 2020 im Auto zu einer privaten »Party« in Lich und fuhr mit ihnen auch wieder zurück nach Butzbach.
Während der Corona-Pandemie wollten sie in der Wohnung eines Kollegen in der Licher Ziegelgasse gemeinsam »chillen und trinken«.
Dort soll der 23 Jahre alte Angeklagte mehrere Snapchat-Nachrichten geschickt haben, in denen er der jungen Frau vorschlägt, mit ihm Sex zu haben.
Im Wald bei Lich geschieht es
Lich Als die junge Frau seine Offerte ablehnt, schlägt er ihr einen »Dreier« mit seinem älteren Kumpel vor. Obwohl sie nach eigenen Angaben das Angebot ablehnt, steigt sie dennoch zu den beiden ins Auto, die vorgeben, an der Tankstelle alkoholischen Nachschub für die Party holen zu wollen. »Ich wollte nicht allein in der Wohnung mit fremden Männern bleiben«, begründet sie ihre Entscheidung. Der 23-jährige Auszubildende bleibt in der Wohnung zurück. Der BMW steuert allerdings zunächst ein Waldstück zwischen Lich und Eberstadt an.
Dort sollen die beiden Freunde, laut Anklage, die BWL-Studentin auf der Rückbank in die Mitte zwischen sich genommen haben. Die Angeklagten bestreiten den Vorwurf und betonen, dass die junge Frau nie »Nein« gesagt habe.
Als die drei zur privaten Feier zurückkehren, will der 23-jährige Auszubildende dem vermeintlichen Opfer nichts angemerkt haben.
Ungefragt sagte er gleich zu Beginn seiner Anhörung über die junge Frau: »Sie sah nicht aus, als wäre sie vergewaltigt worden.« Man habe sich »normal« unterhalten.
Gleichwohl gestand er ein, dass er gemeinsam mit seinen Freunden die junge Frau, die mit ihnen im Auto nach Lich gekommen war, allein in der für sie fremden Wohnung zurückließen, als diese die Toilette aufsuchte. Auf der Rückfahrt hätten ihm die Angeklagten dann von ihrem »Dreier« erzählt. Er habe jedoch nicht weiter nachgefragt.
Als der Vorsitzende Richter Dr. Klaus Bergmann aus einen weiteren Post zitierte, der aus einem Chat mit einem »Kumpel« des Zeugen stammte, wich der 23-Jährige zunächst aus. Er schriebt dort: »Ich war an dem Abend dabei, aber bei der Sache nicht.« Er habe nur Blödsinn geschrieben, wich der Zeuge aus.
Erst als Richter Bergmann ihn mit den Worten »Jetzt aber mal Butter bei die Fische« ermahnte, gab er zu, dass sich seine Äußerung auf den Vorwurf der Vergewaltigung bezogen habe.
Allerdings gab der Zeuge bei der Klärung eines anderen Chatverlaufs preis, dass die Angeklagten schon einmal wegen Körperverletzung, begangen an einer Frau, verhaftet worden seien. Wie die Oberstaatsanwältin bestätigte, sei die Anklage damals jedoch fallen gelassen worden.
Der Prozess wird am kommenden Dienstag vor dem Landgericht fortgesetzt.