Zwischen Verschiebebahnhof und Abstellgleis
Kreis Gießen (red). Wie fühlen sich Menschen, die ihren Job und damit einen wichtigen Bestandteil ihres Alltags verloren haben? Auf diese Frage liefern die beiden Ausstellungen der Arbeitsloseninitiative Gießen e.V. Antworten, die bis Ende dieses Jahres in der Straßenverkehrsbehörde im Bachweg zu sehen sind.
»Abstellgleis«, so heißt die eine Ausstellung, die mehr als 40 Plakate mit Fotografien und Text zeigt. Zu sehen sind brachliegende Produktionsstätten in Gießen und Umgebung, die von Teilnehmenden aus Projekten der Arbeitsloseninitiative fotografiert und in Bezug zu ihrer eigenen Lebenssituation gesetzt wurden.
Die Ausstellung »ich - morgen - arbeitsplatz« hingegen zeigt 15 aussortierte Stühle, die ebenfalls Erwerbslose und Mitarbeitende der Arbeitsloseninitiative bearbeitet und gestaltet haben. Die Installationen sollen auf unterschiedliche Aspekte des Themas Arbeitsplatz hinweisen. Die jeweiligen Kunstschaffenden bringen ihre persönlichen Erfahrungen im Arbeitsleben zum Ausdruck. Häufig werden das »Wegrationalisieren« und »Aussortieren« thematisiert.
Landrätin Anita Schneider zeigte sich bei der Eröffnung in der Straßenverkehrsbehörde beeindruckt von der Vielfalt der beiden Ausstellungen: »Arbeitslosigkeit ist ein großes politisches und gesellschaftliches Thema, mit dem wir uns als Behörde täglich auseinandersetzen. Allein deshalb passt die Ausstellung so gut in unsere Räumlichkeiten. Ich habe großen Respekt davor, dass Sie an Orte gegangen sind, die Ihr eigenes Arbeitsleben mitunter viele Jahre geprägt haben und heute kaum wiederzuerkennen sind. Dass Sie es geschafft haben, diese verlassenen Orte gekonnt in Szene zu setzen und uns damit einen ganz persönlichen Einblick in Ihr Leben geben, berührt mich ganz besonders. Es ist wichtig, dass wir die hohen Hürden der Arbeitslosigkeit immer wieder vor Augen geführt bekommen. Nichts könnte das besser tun als solch eine gelungene Ausstellung.«
Martina Bodenmüller von der Arbeitsloseninitiative betonte ebenfalls die Wichtigkeit dieser Ausstellung: »Dass Arbeitslose diese besonderen Werke erschaffen haben und nun ausstellen können, zeigt ihnen, dass sie auch in ihrem eigenen Leben etwas auf die Beine stellen können und aufgrund ihres Jobverlustes nicht nutzlos geworden sind. Über die Kunst setzen sich die Menschen intensiv mit ihrer jeweiligen Situation auseinander und schöpfen neue Hoffnung.«
Die beiden Ausstellungen der Arbeitsloseninitiative sind Teil der Ausstellungsreihe »Kunst im Bachweg«, die seit 2018 in der Straßenverkehrsbehörde gezeigt wird. Einmal mehr bekommen heimische Kunstschaffende nun die Gelegenheit, ihre Werke präsent dort zu zeigen, wo viele Menschen die Dienstleistungen des Landkreises in Anspruch nehmen und diese mit einem Gang durch die vielfältig gestalteten Räumlichkeiten der Behörde verbinden können.