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Publikum war hin und weg

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»TAKT a cappella« und Aqueerious sorgen mit ihrem Auftritt für großartige Stimmung. Foto: Schultz © Schultz

Die Chöre »TAKT a cappella« und »Aqueerious« begeistern mit ihrem Konzert in der Bezalel-Synagoge das Publikum .

Lich. Ein herausragendes Konzert gaben die Chöre TAKT a cappella und Aqueerious in der rappelvollen Bezalel-Synagoge im Rahmen der Licher Kulturtage. Die beiden von Peter Damm und Philipp Langstroff geleiteten Ensembles musizierten zu ersten Mal zusammen und zeigten sich in Bestform. Der gemeinsam gesungene Abschluss ließ schließlich noch ein weiteres Mal die Sonne im Saal aufgehen: das Publikum war hin und weg.

Beide Chöre bestehen schon seit 30 Jahren, erläuterte Damm, und in dieser Zeit sei es auch das erste gemeinsame Konzert. Der von Damm gegründete und geleitete Chor TAKT wird gemeinhin der Licher Szene zugeordnet, seine Mitglieder kommen jedoch vor allem aus Gießen und der Region, ein paar natürlich auch aus Lich.

Der Dirigent des Chors Aqueerious, Philipp Langstroff, wohnt in Lich, der Leiter des gemischten Chors »TAKT a cappella«, Peter Damm, unterrichtet seit fast 40 Jahren an der Licher Musikschule. Die Sängerinnen beider Chöre kommen aus dem Großraum Gießen-Marburg-Wetzlar. Die Ensembles singen alles, was ihnen Spaß macht und präsentierten einen bunten Mix von Renaissance bis Folklore und Rock- und Pop-Songs.

Enorme Spielfreude

Den Anfang machte TAKT mit dem Titel El Grillo von Josquin des Prez, sehr leicht und fröhlich intoniert, das sogleich die zahlreichen Vorzüge dieses Chors hörbar machte: sehr gute bis exzellente Geschlossenheit und eine vorbildliche Transparenz machten das Zuhören zum Vergnügen: dieser Chor hatte nur darauf gewartet, wieder aufzutreten. Die Stückauswahl war sehr variabel. Aber gut durchdacht, zeigte sich am nächsten Titel, Joe Zawinuls »Mercy, mercy, mercy«. Der internationale Jazzklassiker wurde mit sehr guter tonaler Sicherheit realisiert und kam vollkommen stimmig und mit einem enormen Drive rüber; großer Applaus. TAKT bekommen regelmäßig Pop- und Jazz Titel wunderbar hin. Oder sie wagen sich an ein sehr anspruchsvolles Renaissance-Stück wie Henry Purcells »Cold song« (Cello: Esther Abel). Dessen komplexe impulshafte Struktur, etwas, womit sich ein Amateurchor leicht verheben kann, wurde tadellos realisiert. Vor allem kam die Atmosphäre des Titels gut rüber, eine besondere Stärke von TAKT. Die wird unterstützt von sehr guter Artikulation, korrekter Atmung und nicht zuletzt enormer Spielfreude.

Das Publikum, das den Chor lange entbehren musste, war hingerissen. Aqueerious begann mit einer kompetent umgebauten Fassung von Bruckners klassischem Kirchenlied »Locus iste«, sehr eindrucksvoll. Man machte schon zu Beginn mit einer Durchsage auf seine Andersartigkeit aufmerksam. »Wir sind bunt, schrill und laut, und so möchten wir auch musizieren,« sagte eine Sängerin. Das Bunte war klar, die Mitglieder trugen Hemden mit Aufschriften wie »Gay«, Trans«, »Mann« oder »Schwul«. Was die Aufschrift »Bär« auf Langstroffs Hemd bedeutete, blieb unklar. Klar und höchst erfreulich waren jedoch die selbst geschriebenen deutschen Texte der Hits, die man hörte, ganz natürlich in die schwul-lesbische Themenwelt transponiert. Das gelang witzig und zumeist originell, stets jedoch war es passend umgesetzt. So etwa der Klassiker »Hit the road Jack« von Ray Charles, der mit »Nimm die Pfoten weg« und »Nein heißt nein« wirksam aufgemotzt wurde, plus Abschluss-Stampfer. Überhaupt ist der Chor beim Texten fit, die deutschen Fassungen fallen knackig und immer rund aus. Witzig gelang die deutsche Fassung des »Wellerman«, als »Klabautermann« (Ehefrau: »Klabautermariann«), eigens mit Akkordeon.

Strahlendes Finale

Gewisse Schwächen hat es noch bei der Geschlossenheit: Bert Bacharachs »Close to you«, den die Carpenters auf ewig als himmlisches Schmusekissen umwidmeten, kam zu wackelig und machte dementsprechend wenig Spaß, was den Vergleich zu TAKT in Erinnerung rief.

Fröhlich und mit Schmackes kam dann der Beatles-Kracher »Twist and shout« (»Gay and proud«).

Glänzend gelang jedoch der Leonard-Cohen-Hit »Hallelujah«, der zu »Ist er schwul? Ja!« umgedichtet war und mit seinem episodischen Charakter einen Riesenspaß machte. Aqueerious Stärke sind ihre Spiellust und originellen deutschen Texte. Denen täte eine verbesserte chorische Umsetzung richtig gut, es gibt Potenzial genug.

Ein strahlendes Finale gelang dann den vereinten Chören mit »Let the sunshine in«, ein richtig schönes großes Klanggeschehen. Übertroffen nur noch von dem anschließenden jazzigen. »Mo Better Blues« von Branford Marsalis als großem vierstimmigen Gesang, der zu einem wahren, schönen Großklang wurde, stabil und rein.

Viele sangen mit, und die finale chorische Umrundung des Publikums war das i-Tüpfelchen fürs Wohlbehagen: Enormer Applaus. »Es war wohl nicht das letzte Konzert der beiden Chöre«, sagte Peter Damm.

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