Kurioser Fund hinter Lehmputz

Linden (twi). Da staunten die Arbeiter nicht schlecht, als sie zu Beginn der Woche im evangelischen Gemeindehaus Großen-Linden, hinter Lehmputz versteckt, ein 232 Jahre altes Kassenbuch des einstigen Bürgermeisters von Großen-Linden entdeckten.
Aus dem Jahr 1790
Das 79 nummerierte Seiten umfassende Buch mit einem Schlussbericht auf Seite 81 trägt auf dem Einband den Titel »Rechnung der Stadt Großen-Linden vor den zeittigen Bürgermeister Herr Johan Jost Lang und anderer Bürgermeister Herr Johan Jost West geführet im Jahr Anno 1790« und wurde unmittelbar nach seiner Entdeckung durch Architektin Stefanie Muskau vom beauftragten Architekturbüro »Seidel&Muskau« in Wettenberg an Gemeindepfarrerin Edith Höll übergeben. Diese reichte das Buch zur Auswertung und Forschungszwecken an den Vorsitzenden des Heimatkundlichen Arbeitskreis Linden, Helmut Faber weiter.
Und dieser zeigte sich bereits über den Einband erstaunt, war er doch davon ausgegangen, dass es erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts einen Bürgermeister gab und zuvor ein Schultheiß dieses Amt versah. Allerdings stellte er nun auch schnell bei einem Blick in das von Pfarrer Otto Schulte verfasste Großen-Lindener Heimatbuch fest, dass es seinerzeit Schultheiß und Bürgermeister parallel gab.
Unbekannte Bürgermeister
Die beiden auf dem Titel aufgeführten Bürgermeister sind bisher so nicht groß bekannt in der Ortsgeschichte des Lindener Stadtteils. Im Januar wurde mit den Sanierungs- und Umbaumaßnahmen des unter Denkmalschutz stehenden Fachwerkgebäude begonnen, das die Kirche 1986 von der Stadt Linden erworben und zu einem Gemeindehaus innen umgebaut hatte. Vor allem als »altes Rathaus« ist das heutige Gemeindehaus vielen noch ein Begriff, doch diente das bis in die gotische Zeit zurückgehende markante Fachwerkgebäude wohl ursprünglich als Zehntscheune des Landgrafen mit einem Zimmer im Oberstock, in dem die Ratsherren tagten. Ein Schriftzug im Fachwerkgebälk weist darauf hin, dass das Haus am 10. Juli 1611 erbaut worden ist, heißt es dort: »Aufgericht den 10. Dag IVLII Anno Domini 1611«. Vor 411 Jahren wurde das Haus vollständig umgebaut und auf dem massiven Sockel- und Erdgeschoss ein Obergeschoss in Fachwerkbauweise errichtet. Noch heute befindet sich ein Stück mittelalterlichen Mauerwerks an der Südwestecke des Sockels. 1848 wurde das Gebäude umgebaut und diente bis 1934 als Schulhaus, in dem vier Klassen untergebracht waren. Im Speicherstock befanden sich die Amtsräume des Gemeinderates.
Der Dachstuhl wurde wesentlich verändert und ein kleiner Turm für die Schulglocke darauf errichtet. Es folgte nachfolgend eine 52-jährige Nutzung als Rathaus. Im Kassenbuch finden sich nach erster Durchsicht zahlreiche Ausgaben an Firmen, die auch schon in anderen Unterlagen aufgeführt sind. Für Faber ist es eine spannende Arbeit und es stellt sich mit dem Fund auch die Frage, ob hier noch mehr über die Nutzung des Gebäudes zu finden ist.
Eine Frage dürfte auch sein, weshalb das Buch hinter Lehmputz versteckt wurde, gab es etwa etwas zu verbergen? Viele Fragen die auf eine Antwort warten, die sich vielleicht auf den beschriebenen 81 Seiten finden.
