Mit 97 Jahren ist jetzt Schluss

Die Seniorenbeauftragte der evangelischen Kirchengemeinde Großen-Linden hat zwei Monate vor ihrem 98. Geburtstag dieses Amt abgegeben.
Linden (twi). »Mit 66 Jahren ist noch lang nicht Schluss«, sang einst Udo Jürgens und über diese Liedzeile kann Else Weiser nur herzhaft lachen. Die Seniorenbeauftragte der evangelischen Kirchengemeinde Großen-Linden hat nun zwei Monate vor ihrem 98. Geburtstag dieses Amt abgegeben und bereits am Seniorennachmittag im vergangenen Monat nicht mehr teilgenommen.
Die Idee zu einem Seniorennachmittag reicht bis ins Jahr 1982 unter Pfarrer Kurtz Schnabel zurück, als Weiser dem damaligen Vorsitzenden des Kirchenvorstands Arthur Steinmüller den Vorschlag machte, den »Männerverein« neu aufzustellen und alle 60-Jährigen der Kirchengemeinde zu einem Seniorennachmittag einzuladen. Arthur Steinmüller und Heinz Voigt halfen mit und eine erste Einladung mit einem Emblem, das Opa mit Enkel auf einem Roller zeigte, wurde für die erste Zusammenkunft geworben.
Diese fand seinerzeit im damaligen Gemeindehaus der Kirchengemeinde in der Bahnhofstraße 2a, der ehemaligen Kleinkinderschule, statt. 19 Jahre lang waren Opa und Enkel auf dem Roller ein sicheres Zeichen, dass im Gemeindehaus wieder eine unterhaltsame Veranstaltung für die älteren Semester stattfindet. Den Kuchen haben die Senioren mitgebracht.
Pfarrer Howard Gedrose hielt in den Anfangsjahren die Andacht und es wurden auch schon Geburtstagslieder gesungen. Bald reichte der Platz nicht mehr aus und das Gemeindehaus erwies sich als zu klein, sodass die Seniorennachmittage einige Zeit in den örtlichen Gaststätten, in Schaums Saal oder bei Ritterwirts Ilse und auch in der Brauhausschänke, dem heutigen Lindener Hof stattfanden.
In besten Händen
Nachdem die Kirchengemeinde vor nunmehr 36 Jahren das ehemalige Rathaus erworben und zum Gemeindehaus umgebaut hatte, fühlten sich die Senioren sofort in diesem neuen Schmuckstück wohl. Das Haus bot ihnen völlig neue Möglichkeiten, die Seniorennachmittage abwechslungsreich zu gestalten. Es gab Kaffeemaschinen und Liederbücher. So wurden dann auch zu Vorträgen Referenten eingeladen, wobei Gesundheitsthemen durch Kardiologen und Rheumatologen besonders großes Interesse fanden. »Es gibt fast keinen Doktor an der Gießener Uniklinik, der nicht bei uns einen Vortrag gehalten hat. Fast 100 Fachleute haben bis heute Vorträge gehalten und dann waren da auch noch die zahlreichen Dia-Vorträge, die einen Einblick in unbekannte Länder und Kontinente, aber auch einen Blick zurück zu Kinderzeiten in der Stadt boten.«
Die 25 Seniorenfreizeiten führten in diesen vier Jahrzehnten in den Harz, ins Allgäu, Bad Tölz, den Teutoburger Wald, nach Franken und sogar bis nach Österreich und Mallorca.
Zu einer festen Einrichtung gehören auch die Halbtagesfahrten im Sommer - fast 50 Stück bis jetzt - die oft mit einer Bootsfahrt auf dem Rhein, der Lahn oder anderen Gewässern verbunden waren.
Stets war dabei die Organisation der Fahrten und Ausflüge bei Else Weiser in den besten Händen. »Am besten, du machst dein Bett hier im Gemeindehaus, dann brauchst du nicht so weit laufen«, sagte einst Pfarrerin Christel Arens-Reul zu einer schier unermüdlichen Weiser, die einmal mehr mit treuen Helfern bereits beim Kaffeekochen Dekoration mit anpackte und vor allem auch bei den Seniorennachmittagen in der Vorweihnachtszeit dafür sorgte, dass jeder Besucher auch ein Geschenk bekam.
»Eine tolle Gruppe«
Zum großen Erfolg beigetragen hat auch die frühzeitige Nutzung des Gemeindebusses, der die Senioren zu Hause abholte. Nicht nur aus Großen-Linden, sondern auch aus Leihgestern, Kleinlinden und gar aus Langgöns kamen Senioren nach Großen-Linden. Mit insgesamt neun Pfarrern von Kurt Schnabel, Howard Gedrose, Achim Keßler über Christel Arens-Reul, Johannes Blum-Seebach, Sybille Lenz, Harald Wysk und Axel Zeiler-Held bis hin zu Edith Höll und darüber hinaus zahlreichen Vertretungen in Zeiten der Amtsvakanz hat Weiser zusammengearbeitet und »ihren« Senioren stets einen unterhaltsamen Nachmittag geboten. Auftritte von Chören, Reiseberichte und das Angebot des Vorsitzenden des heimatkundlichen Arbeitskreises Linden, Helmut Faber, mit den Senioren die Stadtgeschichte zu erkunden, rundeten ein umfangreiches Programm ab.
Einige Auftritte scheiterten letztendlich am Budget, welches immer mehr zusammengestrichen wurde. Nicht zuletzt der Rückgang der Kirchenmitglieder hat hier seine Auswirkungen und vor allem auch Corona führte zu einer Halbierung der Teilnehmerzahl. Zudem finden momentan die Seniorennachmittage noch im Ausweichquartier in der TV-Halle statt, weil das Gemeindehaus aktuell saniert wird.
Für Else Weiser wird es diese Rückkehr nicht mehr geben, will sie zunächst den Veranstaltungen fernbleiben.
Weil oftmals Pfarrer oder Pfarrerin fehlten, war es Weiser, die mit einer Andacht die Senioren begrüßte. Und dies war eine Aufgabe wie überhaupt die gesamte Seniorenarbeit, die ihr viel Freude bereitet haben.
Über 300 Seniorennachmittage hat sie so mithilfe ihrer Helferinnen gestaltet. »Auf diesem Weg möchte ich mich auch bei allen Senioren herzlich bedanken. Ihr wart eine tolle Gruppe«, so Weiser.