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Rechtsunsicherer Mix

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Von: Thomas Wißner

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Gibt es nur in Linden, eine Wasserrechnung mit Grundsteuerbescheid. Repro: Wißner © Thomas Wißner

Die Stadt Linden ist die einzige Kommune, die mit einem vom Magistrat als Absender versehenen Bescheid in einem Grundbesitzabgaben in Form von Grundsteuer und Wassergebühren eintreibt.

Linden . Sind fast 4000 Grundbesitzabgabenbescheide pro Jahr in Linden seit langem rechtswidrig? Die Stadt Linden ist jedenfalls die einzige Kommune im Landkreis, die mit einem vom Magistrat als Absender versehenen Bescheid in einem Grundbesitzabgaben in Form von Grundsteuer sowie Wasser- und Abwassergebühren eintreibt.

Unstrittig ist, dass der Stadt die eingeforderten Gelder zustehen. Doch das eine hat wenig mit dem anderen zu tun, spart allerdings Papier. Aus diesem Grund wurde es sicherlich praktiziert, genau weiß das keiner mehr. Einmal mehr wurde im Hauptausschuss darüber diskutiert, wer eigentlich den Eigenbetrieb Wasser in Linden leitet. In Sachen Wasserabnahme müsste eigentlich der Eigenbetrieb abrechnen, bei der Grundsteuer wird für die Stadt der Magistrat tätig. Das eine stellt das Eintreiben einer Schuld dar, das andere einen Verwaltungsakt.

Seit Jahren ist das bekannt, doch bisher wurde keine Trennung vorgenommen. Entfacht hatte sich die Diskussion, wer zuständig ist, bei der Vorlage »Jahresabschluss der Stadtwerke Linden für das Wirtschaftsjahr 2019«. Ein trockenes Thema, zumal es um Vergangenes geht.

Volljurist Manfred Leun (FW) kritisierte einmal mehr: »Der Magistrat hat beim Eigenbetrieb keine Befugnisse. Der Jahresabschluss wird vom Betriebsleiter unterzeichnet. Es ist nicht der Magistrat, der diesen vorlegt, sondern der Eigenbetrieb. Ich hoffe, dass das in Zukunft berücksichtigt wird«. Der Ausschussvorsitzender Axel P. Globuschütz (Grüne), ebenfalls Jurist, drängte dann auch, eine ordnungsgemäße Vorlage anzufertigen. Darüber hinaus fragte er, wer eigentlich Leiter des Eigenbetriebs sei. »Das ist alles etwas diffus. Da kommt viel Arbeit auf den neuen Bürgermeister zu.« Auch Matthias Spangenberg (SPD) wollte wissen: »Haben wir eine rechtlich legitimierte Betriebsleitung?« Der Erste Stadtrat Harald Liebermann (CDU), der interimsmäßig die Bürgermeister-Geschäfte in Linden führt, verwies auf Leuns Aussagen. »Wir stellen gerade dazu Überlegungen an und werden dies demnächst einbringen. Weil der zuständige Frank Hölzel Mitte des Jahres geht, brauchen wir eine Stelle, die in den Stadtwerken angesiedelt ist und nicht bei den Finanzen«. Auf die weitere Frage Spangenbergs, wie es denn mit der Rechtssicherheit aussehe, stellte Liebermann fest, dass er dazu keine rechtssichere Auskunft erteilen könne. Hölzel als ehemaliger Kämmerer der Stadt ist weiterhin in der Abteilung Finanzen angesiedelt und betreut aktuell die Stadtwerke mit. Diese gibt es seit Beginn der 90er-Jahre. 1993 wurde erstmals eine Satzung verabschiedet. Die aktuelle Satzung findet sich schon länger nicht mehr auf der städtischen Homepage. Sie ist «in der Überarbeitung und Aktualisierung«.

In der derzeit öffentlich nicht mehr verfügbaren, aber noch gültigen Satzung des Eigenbetriebs ist verankert, dass die Stadt für die Stadtwerke die Gebühren einzieht. Das Gießener Verwaltungsgericht hat 2013 und zuletzt der Hessische Verwaltungsgerichtshof 2020 solche Satzungen aufgehoben. Der Fakt soll bereits in einer öffentlichen Stadtverordnetensitzung 2019 nach einem weiteren Gießener Urteil angesprochen worden sein, jedoch finde sich darüber in Protokollen keinerlei Aufzeichnung, wird hinter vorgehaltener Hand erklärt. Auch in den nichtöffentlichen Sitzungen der Betriebskommission für den Eigenbetrieb »Stadtwerke Linden« sei das Thema, auch mit dem zuständigen Prüfer, bereits mehrfach erörtert worden, räumen Verfahrensbeteiligte ein.

Nachgefragt zum Sachverhalt bei der Kommunalaufsicht des Landkreis Gießen teilte Pressereferentin Manuela Jung mit, dass »bei der Kommunalaufsicht keine offene Eingabe vorliegt, die über den fehlerhaften Versand von Grundsteuerbescheiden informiert. Unabhängig davon ist die Kommunalaufsicht dem Allgemeinwohl verpflichtet. Dies schließt aus, dass die Kommunalaufsicht ausschließlich im Interesse einzelner Privatperson tätig wird. Primäres Ziel der staatlichen Aufsicht darf es nicht sein, dem einzelnen Bürger zu seinem Recht zu verhelfen, denn diesem steht grundsätzlich der Rechtsweg offen. Die Klagemöglichkeit des Bürgers hat regelmäßig Vorrang vor dem Eingreifen durch die Aufsichtsbehörde. Insgesamt sieht der Gesetzgeber die Rolle der Kommunalaufsicht nicht als eine Superrevisionsinstanz«. Für die Stadt besteht allerdings in ihrer Außendarstellung Handlungsbedarf.

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