Auf den Zahn gefühlt

Bei einer Podiumsdiskussion an der CBES haben sich die Bürgermeisterkandidaten den Fragen der Schüler gestellt.
Lollar (dge). Klimaneutralität, Verkehrswende, Digitalisierung, Integration - die Schüler des Leistungskurses Politik an der Clemens-Brentano-Europaschule (CBES) in Lollar hatten ihre Fragen gründlich vorbereitet.
Rede und Antwort standen ihnen die Bürgermeisterkandidaten Bianka de Waal-Schneider (SPD), Selda Demirel-Kocar (CDU) und Jan-Erik Dort (unabhängig). Auf dem Podium saßen - je nach Themenblock - auch Schüler. Nachdem sich die Kandidatinnen und der Kandidat kurz vorgestellt hatten, ging es ans Eingemachte.
»Wie definieren Sie Integration und wen bezeichnen Sie als integriert?«, fragte Schülerin Yasmin Haghani Borojen. Selda Demirel-Kocar bekannte, dass sie das Wort Integration ungern benutze, es sei durch den Begriff Diversität längst abgelöst. Davon abgesehen sei Integration ein lebenslanger Prozess, bei dem beide Seiten aufeinander zugehen sollten. Sprache ist ihrer Ansicht nach der Schlüssel.
Jan-Erik Dort meinte, für ihn sei das Miteinander der Kulturen immer normal gewesen, das kenne er nicht anders. Er ist sicher, »wir haben das in Lollar gut hinbekommen«. Wenn beide Seiten bereit sind, bringe das Integration voran.
Faktor Sprache
Nur als Team komme man in einer Gesellschaft voran, gab Bianka de Waal-Schneider zu bedenken. Ein ganz wichtiger Faktor sei die Sprache, ebenso die Chancengleichheit bei der Bildung. Einig waren sich alle drei, dass bei der Hilfe für ukrainische Flüchtlinge zur Zeit die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer nicht hoch genug geschätzt werden könne. Lob gab es von der SPD-Kandidatin für den Ausländerbeirat, dessen Mitglieder ihre eigenen Erfahrungen einbringen wollten. Zudem könne man städtischerseits Hilfe bei der Wohnungssuche leisten, eine Erstausstattung gewährleisten und einen Kleiderladen einrichten. »Aber: Ohne Ehrenamt funktioniert es nicht«, so de Waal-Schneider. Eine der größten Hürden sah der unabhängige Dort in der Bürokratie und der Kommunikation mit den Behörden. Hier wünschte er sich etwas weniger Bürokratie. Es sei wichtig für diese Menschen, erst einmal anzukommen, so die CDU-Kandidatin. Viele seien noch traumatisiert. Man solle nicht über ihre Köpfe hinweg entscheiden, sondern mit ihnen reden, auch eine psychische Begleitung anbieten.
Anna Stein wollte wissen, ob ein normaler Bürger sich das Wohnen in Lollar noch leisten könne. Als positiv bewertete de Waal-Schneider, dass über die Baugenossenschaft Lollar-Lumdatal bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung stehe. Mit Blick auf Flächenversiegelung und Naturschutz einerseits und der Nachfrage nach Wohnraum andererseits müsse man »Fingerspitzengefühl« zeigen. Jan-Erik Dort will lieber auf Bestandsimmobilien setzen. Als Beispiel nannte er den Ausbau von Scheunen. Dies vor dem Hintergrund, dass die Flächen in Lollar knapp werden.
Auch Demirel-Kocar verwies auf die Flächenknappheit. Es sei gut, dass es die Baugenossenschaft gebe. »Es hapert aber an kleinen, barrierefreien Wohnungen«, mahnte sie an. Als neue Wohnformen könne man Mehrgenerationenhäuser andenken, Innenentwicklung sei in Lollar wichtig.
Verkehrssituation
Emil Nikolaij wollte eine Stellungnahme zur Verkehrssituation in Lollar, gerade in der Ortsdurchfahrt in der Kernstadt, zu Busverbindungen und Fahrradwegen.
Als passionierte Fahrradfahrerin erlebe sie die Lollarer Ortsdurchfahrt als »heißen Ritt«, so de Waal-Schneider. Sie würde sich zumindest eine optische Abgrenzung wünschen, vielleicht durch eine farbige Linie. Übrigens sei diese Hauptstraße ein ausgewiesener Radweg, erinnerte sie. Tempo 30 wäre hier schön, da es sich hier aber um eine Landesstraße handele, müsse das mit den zuständigen Behörden geklärt werden. Grundsätzlich plädierte sie für einen Ausbau der Radwege. Schon zu seiner Schulzeit sei der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) so schlecht gewesen, dass er von Odenhausen zur CBES gelaufen sei, blickte Dort zurück. Die Ortsteile müssten besser angebunden werden, hier müsse man ins Gespräch mit dem Betreiber der Buslinie treten. »Dramatisch« lautete seine Beschreibung für die Ortsdurchfahrt Lollar. Für Radler alles andere als optimal, doch seien aber auch die Bedenken der Einzelhändler gegen eine Verlegung des Radwegs verständlich. Auch hier müsse man in den Dialog gehen. ÖPNV, Radwege, Bahn und Bus müssten nach Ansicht von Demirel-Kocar aufeinander abgestimmt werden. Hier sei auch die Verkehrssicherheit abzuwägen. Ein alles umfassendes Konzept gemeinsam mit den Bürgern zu erstellen sieht sie als gangbaren Weg.
In Sachen Reaktivierung der Lumdatalbahn verwiesen die drei Kandidaten auf die Kosten. »Derzeit zu teuer«, so Demirel-Kocar. Wie sie verwies auch Jan-Erik Dort auf die Einwände der direkt betroffenen Anwohner. Das Geld könne man anderweitig sinnvoller nutzen. Schnellbusse sieht de Waal-Schneider als Alternative, denn das könne man auch kurzfristig umsetzen. »Ich bin nicht gegen die Lumdatalbahn, aber man muss auch die Kosten im Auge behalten.«
Die Aspekte Klimaschutz und Umwelt klopfte Sidney Bachmann ab. Es sei schon mal gut, dass Lollar eine Klimaschutzmanagerin habe, stellte Bianka de Waal-Schneider fest. Hier liefen die Prozesse zusammen. Zudem gebe es den Klimaschutzrat, in dem sich Bürger engagierten. Es gebe schon vieles, wie zum Beispiel Car-Sharing, E-Mobilität, die geplante Solaranlage des Zweckverbands Lollar-Staufenberg zur Stromversorgung der Kläranlage, doch es gebe auch noch viel zu tun. Das könne man etwa mit interkommunalen Projekten erreichen. »Jeder muss sich an die eigene Nase fassen«, so de Waal-Schneider.
»Wir rennen der Zeit hinterher«, so Jan-Erik Dort. Hier hätte man schon vor Jahren ansetzen müssen. Die Klimaschutzmanagerin mache »einen guten Job«, doch man könne auch mal schauen, wie andere Kommunen das Thema handhabten. In Sachen Klimaschutz könne er sich vorstellen, weitere Stellen im Rathaus zu schaffen. Auch ein Jugendbeirat, der sich hier einbringt, ist für ihn denkbar. Die bisherigen Ansätze bewertete auch Selda Demirel-Kocar als gut. Umweltschutz sei aber auch, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, ein Bewusstsein zu schaffen. Regelmäßige »Clean-Up-Days«, also Müllsammelaktionen, könnten ein guter Anfang sein.
Digitalisierung
Zum Stichwort Digitalisierung wollte Maximilian Schön Antworten von den Kandidaten. Hier müsse man auf verschiedene Ebenen schauen, meinte Dort. Der Ausbau von Glasfaser und Breitband sollte nicht nur den städtischen Haushalt belasten. Auf alle Fälle sei man in Lollar noch nicht optimal aufgestellt. Die Frage sei, ob Glasfaser das »Allwetterding« sei oder es Alternativen wie etwa »Starlink« gebe. Da brauche es Experten, deren Rat ein Bürgermeister heranziehen solle.
»Mehr denn je« sollte nach Ansicht von Demirel-Kocar in die Digitalisierung investiert werden. Lollar solle Pilotkommune in Sachen Digitalisierung werden, so de Waal-Schneider. Gerade die Pandemie habe gezeigt, wie wichtig ein funktionierendes Internet sei. Der derzeitige Stand in Lollar sei »befriedigend«, es gebe viel zu tun, damit es eine »eins« werde.