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In die goldenen Zwanziger zurückversetzt

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Henrich Dörmer präsentierte dem Publikum seinen Krimiroman »Fehlbrand«. Foto: CBES © CBES

Lollar (red). Autor Henrich Dörmer katapultierte sein Publikum bei einer Lesung in Lollar an der CBES kürzlich mit seinem Kriminalroman ins Gießen der Goldenen Zwanziger Jahre.

Der gelernte Bankkaufmann gestand seine Liebe fürs Schreiben. Er habe Blut geleckt, gestand er am Rande seiner Krimilesung. Außerdem käme da noch ein großes Interesse für Geschichtliches dazu.

Dörmer, im Landkreis Gießen-Vogelsberg aufgewachsen und zur Schule gegangen, wirkte geerdet und ruhig. Er fühlt sich seiner Heimatregion verbunden, so sagte er gesellig und plauderte aus dem Nähkästchen seiner Inspirationen. Auf Fahrradtouren und Wanderungen hält er Ausschau nach Schauplätzen mit historischem Hintergrund, forscht in alten Dokumenten und spinnt Fäden für seine Figuren und Handlungen. Auf diese Weise hat er es nun schon auf fünf Bücher gebracht.

Das Rad der Geschichte dreht sich und so drehen sich auch Henrich Dörmers Geschichten um die Vergangenheit, so zum Beispiel um den alten Licher Stadtturm und Luthers Halt auf seiner Reise nach Worms, um Hügelgräber in der Steinzeit, um die Geheimnisse aufgegebener mittelhessischer Dörfer oder um die Zisterzienser in Oberhessen.

Mit seinem fünften Kriminalroman »Fehlbrand« entführt der sympathische Mittfünfziger sein Publikum in die mittelhessische Metropole. Gießen in den Zeiten der Goldenen Zwanziger hat es ihm dieses Mal angetan. Ohne Zweifel lohnenswert, denn wann erlebt man schon eine literarische Geschichtsstunde über die Region in diesem kulturhistorischen Detailreichtum.

Da war einiges an Recherche zu leisten. Vergessenes tauchte im schimmernden Laternenlicht der Vergangenheit auf. Der Gießener Flughafen, »Rappmanns Colosseum« als Vorläufer des Stadttheaters, das legendäre Lichtspielhaus am Lindenplatz, das noble »Café Ernst-Ludwig« oder die damalige elektrische Straßenbahn. Das alles führte einem die Stadt zur Zeit der Weimarer Republik plastisch vor Augen. Glanz und Glamour kamen auf, auch Bilder von düsteren Gassen oder sozialer Armut in einem von wilden Gegensätzen brodelnden Kochtopf mit Hyper-Inflation, technischem Fortschritt und sexueller Freizügigkeit.

Darin eingebettet, die Leiche, skurril, makaber, der Tote im Ringofen der Licher Tonwerke. Eben ein »Fehlbrand«, der Kommissar Rau und seinem Assistenten Fragen aufgab. Henrich Dörmer sprach vor den Gästen über seine Recherchen, was ihn an der Arbeit an seinem Roman begeisterte und was ihn ein Jahr lang an den Schreibtisch gefesselt hatte.

Die Erzählkunst und die allgegenwärtige Bühnenpräsenz des Autors machten Laune. Dörmer blühte vor den Lollarer Gästen in der Mediothek regelrecht auf. Charmant-ironisch unterhielt er das Publikum.

In einem packenden Lesevortrag hebte und senkte er die Lautstärke. Er beherrschte das Tempo, das Timbre, das Spiel mit der Stimme und sorgte dafür, dass seine Figuren lebendig wurden, nicht zuletzt auch wegen der Mundart, die er mit einem Augenzwinkern und dem nötigen Schauspieltalent präsentierte.

Bleibt festzuhalten: Autor Henrich Dörmer ist ein echter Geheimtipp.

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